Neue Fahrschulsoftware sorgt für Unmut
Viele Fahrschulen im Rems-Murr-Kreis haben seit Juni aufgrund einer neuen Software Probleme, Prüfungstermine zu bekommen
Im Juni führte der Tüv Süd eine neue Software zur Organisation und Abwicklung von Fahrschulprüfungen ein. Diese trägt dazu bei, dass viele Fahrschulen Probleme haben, an Prüfungsplätze zu gelangen. Die Eigentümer von David’s Fahrschule, der Fahrschule Ginter und der Fahrschule Rauscher schildern ihre Sicht der Dinge und hoffen auf Besserung, die laut Tüv in Sicht ist.

© Dron - Fotolia
Die neue Software des Tüv Süd stellt viele Fahrschulen auf den Prüfstand. Foto: Fotolia
Von Philip Kearney
BACKNANG.Seit Juni machen viele Fahrschulbesitzer in der Region kaum mehr ein Auge zu. Grund dafür ist eine neue Software, die der Tüv Süd an den Start gebracht hat. Diese dient zur Organisation und Abwicklung von Fahrschulprüfungen. Zudem wurde ein neuer Online-Service für die Fahrschulen eingerichtet. Was zunächst einmal vielversprechend klingt, hat sich mittlerweile für viele Fahrschulen als Albtraum herausgestellt.
David Aggelidakis, Eigentümer von David’s Fahrschule aus Backnang und seine Frau Magdalena sind über die neue Software sehr verärgert. Für den gesamten August wurden lediglich zwei Prüfungsplätze an ihre Fahrschule vergeben. Noch schlechter sieht es mit Plätzen für zeitnahe Wiederholungsprüfungen aus. Denn meistens kann die Überweisung der Gebühren aufgrund des langwierigen technischen Prozesses nicht rechtzeitig erfolgen. Zudem ist der Tüv laut David Aggelidakis „sehr schlecht erreichbar“. Und falls man nach etlichen Anrufversuchen beim Tüv durchkomme, werde man lediglich mit Durchhalteparolen vertröstet. „Die Mädels beim Tüv können nichts dafür“, sagt David Aggelidakis, der die Schuld bei den Verantwortlichen der Tüv-Zentrale sieht. Diese verschieben laut dem Fahrschullehrer regelmäßig und noch dazu ziemlich kurzfristig Prüfungsplätze.
David Aggelidakis:
„Momentan ist jeder unter Druck.“
Magdalena Aggelidakis wünscht sich auch deshalb, dass der Tüv Konkurrenz bekommt. „Wir werden im Prinzip erpresst“, so Aggelidakis über den Tüv. Seit der Softwareänderung müsse das Geld für die Prüfung zudem spätestens zehn Tage vor dem Termin auf das Konto von Tüv überwiesen werden, sonst finde die Prüfung nicht statt. Dabei müsse die Fahrschule das Geld aus eigener Tasche im Vorfeld bezahlen und hoffen, dass ihre Schüler ihnen das Geld später überweisen. Was das Ehepaar vor allem stresst, sei der ständige Kampf um Prüfungsplätze. Verliere man diesen nämlich über einen längeren Zeitraum, dann spreche sich dies unter den künftigen Fahrschülern herum, die infolge dessen Fahrschulen, die nur sehr wenige Prüfungsplätze erhalten, meiden. Zudem kritisiert das Ehepaar, dass die Fahrschulen erst drei Wochen vor der Softwareumstellung zu einem Seminar eingeladen wurden. „Momentan ist jeder unter Druck“, sagt der angespannte David Aggelidakis. Die Situation sei auch für die Prüfer keine einfache, da viele erst kurzfristig erfahren, wann und wo genau sie prüfen.
Außerdem hat die Fahrschule mit dem Punktesystem zu kämpfen. Für je 15 Minuten Prüfungszeit wird bei praktischen Prüfungen jeweils ein Punkt verrechnet. Aufgrund der Engpässe an Plätzen musste die Fahrschule David’s bereits ihren Bedarf von etwa 25 bis 30 Punkten pro Woche auf 18 Punkte senken, um nicht mehr Punkte zurückgeben zu müssen. „Wenn wir Punkte zurückgeben, verlieren wir an Glaubwürdigkeit“, merkt David Aggelidakis an. Der Tüv Süd verfolge das Wirtschaftsprinzip von geringem Aufwand mit hohem Ertrag. Dies funktioniere bis jetzt jedoch überhaupt nicht.
Mit dieser Meinung geht der Fahrschullehrer Jens Ginter von der Fahrschule Ginter aus Backnang nicht konform. Dass die neue Software fehlerbehaftet ist, bestreitet Ginter nicht. Im Großen und Ganzen findet er die neue Software jedoch gut. „Das System ist für die schlecht, die schlecht planen“, sagt der Fahrschullehrer. Es sei kein Problem, Prüfungsplätze zu finden, wenn längerfristig geplant werde, so Ginter weiter. „Wenn man sich rechtzeitig darum kümmert, hat man eine freie Auswahl“, sagt Ginter über seine Erfahrungen mit der Suche nach freien Prüfungsplätzen. Lediglich bei durch die Prüfung gefallenen Fahrschülern gäbe es Probleme mit der Abrechnung und der Neuterminierung.
Die Kommunikation mit dem Tüv sei telefonisch zwar nur beschränkt, per E-Mail allerdings problemlos möglich gewesen. Dabei konnten auch Unstimmigkeiten geklärt werden. Ginter verweist darauf, dass er dabei immer auf die passende Tonart geachtet habe und daher auch relativ schnell Auskunft bekommen habe.
Kommunikation mit dem
Tüv sei eine Katastrophe
„In meinen Augen regen sich viele Fahrschulen künstlich auf“, sagt der Fahrschulbesitzer. Zudem sei die fehlende Kommunikation der Fahrschulen untereinander, was die Aufteilung der Prüfungstermine angeht, Schuld an der erschwerten Suche nach Prüfungsplätzen und nicht, wie von vielen Fahrschulen behauptet, der Tüv. „Nicht die Software, sondern die Fahrschullehrer sind das Problem“, sagt Ginter.
Christian Rauscher von der Fahrschule Rauscher, die unter anderem einen Standort in Backnang hat, ist aufgrund der neuen Software ebenso genervt. Rauscher stört nicht nur, dass es seit der Einführung der neuen Software nicht mehr genügend Prüfungsplätze gibt, sondern auch, dass die Fahrschulen bei jedem Prüfungstermin mit dem Tüv einzeln Rücksprache halten müssen und sich daher die Platzsuche als sehr langwieriger Prozess herausstellt.
Auch die zwei Wochen Sperrfrist für Wiederholungsprüfungen sieht der Fahrschulbesitzer kritisch. Generell sei die Kommunikation mit dem Tüv extrem schwierig. Nur dadurch, dass Rauscher den Interessenverband deutscher Fahrlehrer vertritt, erhält er ohne Probleme Rückmeldung von der Tüv-Zentrale.
Christian Rauscher: „Momentan herrscht absolutes Chaos.“
Neben den für alle Fahrschulen zugänglichen Prüfungsplätzen vergibt der Tüv an große Fahrschulen zudem Exklusivprüfungen. Rauscher stört auch, dass der Tüv von den Fahrschulen wöchentlich eine bestimmte Anzahl an gebuchten Prüfungsplätzen erwartet. Dies sei praktisch kaum umsetzbar, da nicht jede Woche gleich viele Fahrschüler bereit für die Prüfung seien. Dazu komme ein Prüfermangel, von dem vor allem kleinere Fahrschulen betroffen seien. Denn größere Fahrschulen erhalten meist einen halben oder sogar einen ganzen Prüfungstag und bekommen für diesen einen eigenen Prüfer zur Seite gestellt.
„Momentan herrscht absolutes Chaos“, sagt Rauscher. Die Fahrschulen seien der Sündenbock. Rauscher kritisiert zudem, dass Fristen vom Tüv nicht eingehalten werden, der Tüv selbst aber das Einhalten der von ihnen vorgegebenen Fristen von den Fahrschulen verlangt. Um sicher zu gehen, dass sich die Prüfungstermine nicht verschoben haben, müsse Rauscher ständig ins Programm schauen. Dessen Programmierung bezeichnet er für einen Verein der Größe des Tüv als lächerlich.
Vor allem die Smartphone-Ansicht lasse zu wünschen übrig. Statt dem vom Tüv angekündigten geringeren Aufwand für die Fahrschulen hat sich Rauschers Aufwand aufgrund der Neuerungen eher erhöht. Er wünscht sich, dass der Tüv Konkurrenz bekommt. „Der Tüv sagt zu uns Fahrschulen, Konkurrenz belebt das Geschäft“, kritisiert der Fahrschullehrer. Durch den Verlust ihres Monopols glaubt Rauscher, würde der Tüv, wenn auch nur gezwungenermaßen, kooperativer werden.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Jochen Haußmann hat sich mit dem Problem an den Vorstand des Tüv Süd gewendet und um Aufklärung gebeten. Laut Jürgen Wolz, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Operations des Tüv Süd sowie Thomas Emmert, Regionalleiter für Baden-Württemberg, sind „inzwischen zusätzliche Fahrprüfer aus Bayern im Südwesten im Einsatz, um den aufgelaufenen Prüfungsstau wieder abzubauen“. Haußmann und die FDP denken trotzdem darüber nach, „ob ein solches Monopol, wie es der Tüv bei Fahrprüfungen hat, noch zeitgemäß ist“. Dass „aufgrund der Softwareprobleme insbesondere kleinere Fahrschulen unabsichtlich beeinträchtigt worden sind“, hat das Verkehrsministerium in einer Pressemitteilung verlauten lassen. Unter den Verzögerungen leiden vor allem die Fahrschüler, die ihre erste Urlaubstour mit dem Auto oder Motorrad geplant hatten. Der Tüv will die für das Chaos verantwortlichen Softwareprobleme bis zum 30. September lösen.
Im Zuge der Einführung des elektronischen Prüfungsprotokolls sollen in Zukunft sämtliche Fahrerlaubnisprüfungen um jeweils zehn Minuten verlängert werden. Dies würde bedeuten, dass der Führerschein teurer wird und die Fahrprüferkapazitäten erhöht werden müssten. „Dies zeigt umso mehr, wie wichtig es in Zukunft ist, dass das Verkehrsministerium Baden-Württemberg das Personalkonzept der Prüfungsorganisation in den Blick nimmt und dabei auch prüft, ob man eben mehr als eine Prüfungsorganisation zulässt“, sagt Haußmann kritisch.