Traditionsmarke
Neue Hoffnung für Frankreichs Kult-Glas Duralex
Die Arbeiter leiten das Traditionsunternehmen aus Orléans nach wirtschaftlich wilden Jahren nun als Genossenschaft.
Von Knut Krohn
Osama bin Laden hat aus ihnen Tee getrunken. Und James Bond kippt in Nahaufnahme im Film „Skyfall“ einen Whisky aus einem Duralex-Glas, während ein Skorpion auf seinem Unterarm zum tödlichen Stich ausholt. Die Gläser aus Frankreich sind nicht nur zum weltweiten Mythos geworden, weil sie in Kinofilmen immer wieder tragende Nebenrollen spielen. Sie begleiten jeden Franzosen von Kindesbeinen an durch den Alltag. Wegen ihrer besonderen Herstellungsweise sind sie praktisch unzerstörbar und finden sich deshalb in jedem französischen Krankenhaus, in den Schulkantinen und nahezu allen Bistros der Französisch sprechenden Welt.
Eine funktionale und unprätentiöse Ikone
Doch welchen Wert hat es, als ebenso funktionale wie unprätentiöse Ikone zu gelten, wenn die Gesetze der Marktwirtschaft darauf keine Rücksicht nehmen? Denn irgendwann in den 1980er Jahren begannen billig produzierte Imitate aus China den Mark zu überschwemmen. Anfangs von den traditionsbewussten Franzosen noch belächelt, rutschte die Firma aus La Chapelle-Saint-Mesmin, einem Industriegebiet am Rand von Orléans, mit seinen rund 1000 Mitarbeitern und gut 100 Millionen Euro Umsatz immer tiefer in die roten Zahlen.
Es begannen wirtschaftlich wilde und für die Belegschaft sehr unschöne Jahre. 1997 wurde der insolvente Betrieb an den ersten, italienischen Investor verkauft, saniert, danach noch einmal verkauft, erneut brachial saniert, mehrere Male wieder verkauft und als die Energiepreise im Jahr 2022 in die Höhe schnellten, wurde die Produktion schließlich teilweise eingestellt. Im April 2024 schien das Ende der Traditionsfirma besiegelt, der damalige Besitzer beantragte ein Insolvenzverfahren.
Harter Kampf um Tradition und Arbeitsplätze
Duralex war inzwischen auf eine Belegschaft von knapp über 200 Leuten geschrumpft, doch die Übriggebliebenen wollten für den Traditionsbetrieb und ihre Arbeitsplätze kämpfen. Sie gründeten kurzerhand eine Genossenschaft, um das Unternehmen in Eigenregie weiter zu betreiben. Was dann passierte, beschreiben die meisten Beobachter wie ein Wunder. Zwar lagen mehrere Angebote von Investoren vor, die vor allem noch mehr Jobs abbauen wollten, doch die Stadt Orléans und mehrere lokale Politiker beschloss, den Arbeitern zu vertrauen. Mit Unterstützung aus Paris kaufte die Kommune im Sommer 2024 für mehrere Millionen Euro das Gelände und die Produktionshallen und übergab alles der Genossenschaft. Nach Aussagen der Gewerkschaften war es auch die einzige Möglichkeit, massive soziale Verwerfungen in der Stadt zu vermeiden.
Nun waren die Arbeiter also auch die Chefs von Duralex und konnten Anteile an ihrem eigenen Unternehmen erwerben – was über die Hälfte der Belegschaft auch getan hat. Zu ihrem Direktor wählten sie den ehemaligen Betriebsleiter François Marciano. Der konnte in den ersten Tagen eine frohe Botschaft verkünden. Die Zahl der Aufträge sei nach Bekanntwerden des spektakulären Genossenschaftsprojektes um weit über 300 Prozent gestiegen.
Nun muss bei Duralex massiv investiert werden
Doch die Freude war von kurzer Dauer, denn damit begannen auch die Probleme. Die Fabrik war über Jahrzehnte nicht modernisiert worden, die Produktionsanlagen marode. Nun muss in der ersten Etappe folglich erst einmal investiert werden, doch das Geld dafür ist knapp. Im vergangenen Jahre machte Duralex bei einem Umsatz von rund 24 Millionen Euro knapp zehn Millionen Euro Verlust. Ziel ist es nun, die Kosten zu senken und vor allem auch neue Produkte zu entwickeln. Ganz nebenbei muss auch der nicht vorhandene Vertrieb und die Vermarktung für die Gläser aufgebaut werden. Diese wichtigen Bereiche hatten in den vergangenen Jahren immer die Investoren übernommen.
Ein weiterer Vertrauensvorschuss aus Paris
Doch das Herz der Franzosen schlägt für das Traditionsunternehmen, weshalb aus Paris in diesen Tagen noch einmal ein aufmunterndes Signal kam. Der Staat genehmigte ein weiteres Darlehn in Höhe von 750 000 Euro für das wirtschaftliche und soziale Experiment. Die neuen Chefs von Duralex wollen diesen Vertrauensvorschuss nicht enttäuschen und haben sich ein klares Ziel gesetzt. Im Jahr 2029 soll das Unternehmen einen Umsatz von 40 Millionen Euro erwirtschaften und wieder rentabel arbeiten.