Tödlicher Streit an Haltestelle in Stuttgart

Neuer Gentges-Appell: Strafmündigkeit untersuchen

Wenn Kinder in Deutschland Straftaten begehen, müssen sie sich erst ab 14 Jahren verantworten. Eine über 100 Jahre alte Regel. Aus Sicht der Justizministerin geht sie nicht mit der Zeit.

Die baden-württembergische Justizministeren Marion Gentges

© dpa/Bernd Weißbrod

Die baden-württembergische Justizministeren Marion Gentges

Von red/dpa

– Nach dem tödlichen Streit von Kindern an einer Stuttgarter Stadtbahnhaltestelle appelliert Landesjustizministerin Marion Gentges an Bund und Länder, die Strafmündigkeit von Jungen und Mädchen unter 14 Jahren stärker in den Blick zu nehmen. „Wir müssen auf wissenschaftlicher Grundlage einschätzen können, ob das Strafmündigkeitsalter grundsätzlich korrigiert werden muss“, sagte die CDU-Ministerin. „Und wir müssen überlegen, ob schon für jüngere Menschen eine qualifizierte staatliche Ansprache möglich ist - auch gegen den Willen der Eltern.“

Mit einem entsprechenden Antrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Altersgrenze war die CDU-Ministerin zwar vor einem Jahr bei den Justizministerinnen und Justizministern der Länder gescheitert. „Aber ich gebe da nicht auf“, sagte Gentges der Deutschen Presse-Agentur. „Manchmal muss man mehr als einen Anlauf nehmen. Die Mehrheitsverhältnisse in der Justizministerkonferenz sind ja auch einem ständigen Wandel unterworfen.“

Kriminalität bei Kindern nimmt zu

Nach Angaben des Ministeriums ist die Zahl der Tatverdächtigen unter 14 Jahren in den vergangenen zehn Jahren überdurchschnittlich gestiegen. „Für mich besonders erschreckend ist die Entwicklung bei den Aggressions- und Gewaltdelikten, also bei Mord, Totschlag oder Raub“, sagte Gentges. Die Justiz habe jedoch bei unter 14-Jährigen keine Einflussmöglichkeiten. „Die Staatsanwaltschaft darf gegen Strafunmündige nicht ermitteln.“ 

Erst ab 14 Jahren verantwortlich

Wenn Kinder in Deutschland Straftaten begehen, müssen sie sich bislang erst ab 14 Jahren verantworten. Diese Altersgrenze für Strafmündigkeit wurde 1923 festgesetzt. 

Kinder und Jugendliche ständen heute vielleicht anders da als vor 100 Jahren, sagte Gentges. Im Vorfeld der Justizministerkonferenz hatte sie unter anderem angeführt, Jugendliche dürften mit 16 Jahren wählen. „Aber sich zwei bis drei Jahre zuvor noch nicht einmal für eigene Straftaten verantworten zu müssen, das passt nicht zusammen.“ Über eine Gesetzesänderung müsste der Bund entscheiden. 

Der Staat müsse stärker eingreifen, sagte Gentges nun. Begehe ein Kind im Alter von zehn oder zwölf Jahren Gewaltstraftaten, sei es naiv zu glauben, dass es dieses Verhalten zum 14. Geburtstag ablege. Es könne sich vielmehr verfestigen - und dann drohten perspektivisch weitere Straftaten. „Diese jungen Menschen müssen auch für sich selbst wieder einen Weg finden können, ohne Straftaten leben zu können“, sagte Gentges.

12-Jähriger nach Streit von Stadtbahn erfasst und getötet

Am Freitag hatte ein Vorfall an einer Stuttgarter Straßenbahnhaltestelle für Aufsehen gesorgt: Ein 13-Jähriger soll einen 12-Jährigen nach einem Streit gegen eine einfahrende Tram gestoßen haben - das Kind kam dabei ums Leben. Der 13-Jährige sei an das Jugendamt überstellt worden, hatten Staatsanwaltschaft und Polizei Stuttgart mitgeteilt. Zum Motiv gibt es keine offiziellen Angaben.

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Erstellt:
4. Februar 2025, 07:16 Uhr

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