Bestechung mit Smartphones
Neuer Skandal erschüttert das Europaparlament
Ein chinesisches Telekommunikationsunternehmen soll Europaabgeordnete mit teuren Geschenken bestochen haben. Die Polizei hat Wohnungen und Büros durchsucht.

© dpa/Eric Vidal
Die Europapaabgeordnete Eva Kaili stand im Zentrum eines Korruptionsskandals im Parlament. Nun wird das Parlament von einem neuen Skandal heimgesucht.
Von Knut Krohn
Das Europäische Parlament wird von einem neuen Korruptionsskandal erschüttert. Ermittler der belgischen Bundeskriminalpolizei haben am Donnerstag im Morgengrauen mehrere Wohnungen und Büros in Belgien und Portugal durchsucht. Das berichtet die Tageszeitung „Le soir“. Nach mehrmonatigen Ermittlungen nahmen die Beamten demnach mehrere Lobbyisten des chinesischen Telekommunikationsgiganten Huawei in Gewahrsam. Diese werden offenbar verdächtigt, aktuelle oder ehemalige Europaabgeordnete bestochen zu haben. Die zuständige belgische Staatsanwaltschaft bestätigte auf Nachfrage den Vorwurf der Bestechung gegen Huawei. Das Unternehmen hat sich noch nicht dazu geäußert.
„Katar-Gate“ hat das Europaparlament erschüttert
Erst vor zwei Jahren waren die Schockwellen eines anderen Bestechungsskandals durch das Europaparlament gegangen. Im Zentrum stand die damalige Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili. Ihr wurden die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption vorgeworfen. Sie soll Teil eines kriminellen Netzwerkes von Abgeordneten und Mitarbeitern gewesen sein. Die Behörden machten damals öffentlich, dass ein Golfstaat mit sehr viel Geld und teuren Geschenken „die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments beeinflussen“ wollte. Insgesamt wurden 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt. Der Fall ging unter dem Namen „Katar-Gate“ in die Geschichte des Parlaments ein.
Im aktuellen Fall seien mehrere Lobbyisten nach Angaben von „Le soir“ von den Beamten befragt worden und werden möglicherweise dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Hauptziel des Polizeieinsatzes sei der 41-jährige Direktor für öffentliche Angelegenheiten des Huawei-Büros bei der Europäischen Union gewesen. Der Belgier war zuvor zehn Jahre lang parlamentarischer Assistent zweier ehemaliger italienischer Abgeordneter. Wie eine anonyme Quelle „Le soir“ bestätigte, sei der Mann bei dem chinesischen Unternehmen lediglich wegen seiner guten Kontakte zu zahlreichen Europaabgeordneten eingestellt worden. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen seien, anders als im Fall von „Katar-Gate“, keine großen Summen an Bargeld geflossen. Allerdings hätten wertvolle Geschenke wie teure Smartphones oder auch begehrte Eintrittskarten für Fußballspiele den Besitzer gewechselt.
Kritik an der mangelnden Aufarbeitung
Dieser neue Fall wirft erneut Fragen nach dem Stand der Korruptionsbekämpfung im Europaparlament auf. Im Rahmen von „Katar-Gate“ hatte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola einst wirkungsvolle Gegenmaßnahmen versprochen – passiert ist aber wenig. Kritisiert wird dieser Stillstand immer wieder, etwa von Transparency International EU. „Viele Worte, wenige Taten“, lautet dort das Fazit. Praktisch keine der versprochenen Reformen sei umgesetzt worden.
Parlamentarier fordern unabhängige Behörde
Einen Namen bei der Korruptionsbekämpfung hat sich inzwischen der deutsche EU-Abgeordnete Daniel Freund gemacht. Bereits nach dem Bekanntwerden von „Katar-Gate“ plädierte der Grünen-Politiker für eine unabhängige Behörde, die „potenzielle Interessenskonflikte, Korruption und Missmanagement in den EU-Institutionen überwacht“. Der EU-Kommission fehle aber der Wille, eine solche Stelle einzurichten, beklagt er immer wieder, und die Mahnungen zur Selbstkontrolle hält er für verfehlt. Der Katargate-Skandal habe deutlich gemacht, sagt Daniel Freund, dass genau diese Selbstkontrolle durch Politiker oder Beamte nicht funktioniere. Der neue Skandal scheint ihm Recht zu geben.