Neues Gelenk,alter Schmerz
Was Orthopäden Patienten mit Implantaten raten
Berichte über fehlerhafte Prothesen verunsichern Patienten – besonders wenn es um orthopädische Eingriffe geht. Doch wie kann man sicher sein, dass das neue Gelenk gut funktioniert? Und was tun, wenn man trotz OP immer noch Beschwerden hat?
Frage: Wann braucht es ein Implantat?
Antwort: Entscheidend ist vor allem, wie stark der Patient leidet und wie sehr das Gelenk in seiner Beweglichkeit und Funktion eingeschränkt ist: Wer konservative Methoden wie Sport, Physiotherapie und weitere orthopädische Maßnahmen voll ausgeschöpft hat und dennoch Schmerzen hat, sollte einen Austausch des Gelenks in Betracht ziehen, rät die Fachgesellschaft für Endoprothetik (AE). Langes Warten bringt wenig: In dieser Zeit verlieren die Betroffenen an Beweglichkeit und Muskulatur und schwächen so das Gelenk. Das macht eine spätere Operation aufwendiger, warnt Henning Windhagen von der AE. Es könne zu einer Einsteifung des Gelenks kommen, die später auch die Funktion des künstlichen Gelenks einschränken könnte.
Frage: Wie gut sind die Prothesen?
Antwort: Experten gehen davon aus, dass die heutigen Prothesen 15 bis 20 Jahre oder sogar länger halten. Das ist vor allem den immer besser werdenden Materialen geschuldet, die wesentlich weniger Abrieb erzeugen, wie Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE, bestätigt. Stellt sich der Patient die Frage, ob er eher auf bewährte Kunstgelenkmodelle setzen soll oder auf neuere Varianten, rät Christian Knop, Ärztlicher Leiter der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Stuttgart, auf die Erfahrung des behandelnden Arztes zu setzen. Grundsätzlich kann es für Patienten gewisse Risiken bergen, wenn sie sich für ein Modell entscheiden, dass erst kurz auf dem Markt ist und dessen Qualität noch nicht langfristig dokumentiert werden konnte, so Knop.
Frage: Wie tragen die OP-Methoden zum Erfolg bei?
Antwort: Viele Patienten wünschen sich von vorneherein eine minimalinvasive Operation, die nur kleinstmöglichste Schnitte in Haut und Weichteile vorsieht. Studien zeigen: Durch das Schonen der Muskeln, Sehnen und Nerven leiden Patienten weniger an Schmerzen und sind schneller wieder beweglich. Doch nicht jede Prothese eignet sich für eine solche minimalinvasive Implantation. Da für den Langzeiterfolg einer Prothesen-OP die Wahl des Implantats eine größere Rolle spielt als die OP-Methode, rät die Fachgesellschaft dazu, dies mit den Patienten individuell zu besprechen. Und auch Christian Knop bestätigt: Wichtiger sei, den Eingriff sauber durchzuführen und die Prothese genau einzusetzen. Studien haben auch gezeigt, dass bereits frühzeitig bei Patienten, die klassisch operiert worden sind, und solchen, bei denen ein minimalinvasiver Eingriff vorgenommen worden ist, kein Unterschied in Sachen Beschwerden, Beweglichkeit und Funktion festzustellen ist.
Frage: Was kann der Patient tun, damit die Prothese möglichst lange hält?
Antwort: „Täglich moderate Bewegung ist bei jedem Patienten möglich und gewünscht“, sagt Heller. Gezielte Muskelkräftigung rund um das Implantat trage zur Haltbarkeit der Prothese bei. Laut Experten können 90 bis 95 Prozent der Patienten mit einem künstlichen Gelenk wieder Treppen steigen, wandern und Sport treiben. Empfehlenswert sind Walking, Schwimmen, Radfahren und Gymnastik. Dagegen ist von Marathonläufen oder Stop-and-go-Sportarten wie Fußball oder Handball abzuraten: Das könnte das neue Gelenk überbeanspruchen und mit der Zeit zu einer Lockerung führen.
Frage: Schmerz und Bewegungseinschränkungen können bei bis zu 20 Prozent der Patienten das OP-Ergebnis beeinträchtigen. Was tun?
In solchen Fällen gilt es zu ergründen, was genau das Problem ist, sagt der Stuttgarter Orthopädie-Experte Christian Knop. Grundsätzlich gilt: Eine Operation – egal ob minimalinvasiv oder klassisch – sorgt für Beschwerden. „Innerhalb der ersten drei bis vier Monate nach dem Eingriff findet die Heilungsphase statt, in der sich im Gelenk vieles umbaut“, sagt er. In diesem gereizten Zustand kann es vorkommen, dass die Hüfte oder das Knie unter Belastung phasenweise anschwillt. Gleichzeitig müssen die Patienten auch lernen, dass die Endoprothetik keine Reparatur- oder gar Optimierungsmedizin ist. „Ein neues Gelenk bedeutet nicht automatisch, dass man damit wieder genauso belastbar und leistungsfähig ist wie als junger Erwachsener“, sagt Knop. So hat ein prothetisch unterstütztes Knie meist sehr gute Funktionseigenschaften, die über Jahrzehnte erhalten bleiben – ein gleichwertiger Ersatz des Originals ist es aber nie. Es sei aber wichtig, dass Patienten, die nach einer Operation Beschwerden verspüren, diese dem behandelnden Arzt mitteilen.
Frage: Was sind typische Komplikationen?
Antwort: In der ersten Zeit nach einer Operation besteht die Gefahr einer Infektion – wobei diese mit zwei Prozent relativ gering ist. Anzeichen hierfür sind eine Schwellung und Rötung des Gelenks sowie Schmerzen. „Tritt die Infektion wenige Tage nach dem Eingriff auf, besteht die Chance, diese zu behandeln, ohne dass das neue Gelenk entfernt werden muss“, sagt Knop. Handelt es sich um eine Spätinfektion, führe dagegen oft kein Weg mehr an einem Austausch des Gelenks vorbei. An erster Stelle der Gründe für Wechseloperationen steht meist eine Lockerung des Gelenks, heißt es bei der Fachgesellschaft für Endoprothetik. Patienten mit Hüftprothese leiden bei Belastung plötzlich an einem Ziehen am Gesäß. Patienten mit Knieprothese klagen meist über Schmerzen im vorderen Kniebereich. Ein weiterer Operationsgrund, der Patienten betrifft, die sich vor 20 bis 30 Jahren ein Implantat haben einsetzen lassen, ist der Verschleiß der Prothese.
Frage: Wie finden Patienten einen guten Operateur?
Antwort: Der Stuttgarter Orthopäde Knop rät, in ein zertifiziertes Zentrum für Endoprothetik zu gehen. Das Prüfsiegel Endocert wurde 2012 von der Fachgesellschaft AE und dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie eingeführt. In Deutschland wurden etwa 550 Kliniken damit ausgezeichnet. Sie müssen den Eingriff mindestens 50-mal im Jahr absolvieren. Für komplizierte OPs empfiehlt sich ein Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung. „Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass die Behandlungsqualität geringer ausfallen kann, wenn Chirurgen oder Kliniken Operationen in Sachen Endoprothetik nicht regelmäßig durchführen“, sagt Knop.