„Hart aber fair“ zum Bürgergeld

„Nicht nach unten treten, auch mal nach oben gucken!“

Die Linke Heidi Reichinnek schießt sich im ARD-Talk auf Tilman Kuban (CDU) ein. Der wirkt verunsichert.

Heidi Reichinnek (Linke) war am Montag bei „Hart aber fair“ zum Thema Bürgergeld zu Gast. (Archivfoto)

© WDR Kommunikation/Redaktion Bild

Heidi Reichinnek (Linke) war am Montag bei „Hart aber fair“ zum Thema Bürgergeld zu Gast. (Archivfoto)

Von Christoph Link

Es war wieder so eine bipolare Talkrunde am Montagabend in der ARD. „Hart aber fair“ war zur Leitfrage „Mehr Härte beim Bürgergeld?“ in Lager gespalten und am Ende der Sendung zog die Bürgergeldempfängerin Sasa Zatata, die wegen einer Rheuma-Erkrankung nicht erwerbsfähig ist, ein trauriges Fazit.

Immer mehr spüre sie den „Prass“ in der Bevölkerung auf die Empfänger von Sozialleistungen, wegen der ständig negativ geführten Debatte übers Bürgergeld werde auf sie „herabgeschaut“, und Hoffnung auf die kommenden Jahre habe sie keine. Im Gegenteil, es drohten Rückschritte.

In der Tat haben Union und SPD sich in der Sondierung darauf geeinigt, dass bei erwerbsfähigen Bürgergeldempfängern, die wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen werden kann. „Jedes Mal, wenn Druck vom Jobcenter kommt, löst das bei mir Existenzängste aus“, meinte Zatata, und sie frage sich, ob ihr Geld auch aufs Konto komme. Von dem bleibt am Monatsende – der Regelsatz liegt bei 563 Euro – kaum etwas übrig.

Nur 50 Euro für Essen in der Woche

Dem Sozialdemokraten Andreas Bovenschulte, Bürgermeister in Bremen, war die ganze Sanktionsdebatte fast peinlich. Er wies darauf hin, dass die Sondierungen noch wesentlich interessantere Punkte zur Arbeitsmarktförderung, Weiterbildung und Qualifikation enthielten, über die kaum einer spreche, aber mit denen Hunderttausende in Arbeit kommen könnten.

Die Sanktionen stehen seiner Ansicht nach zu Unrecht im Fokus, obwohl schon jetzt in Einzelfällen beim Angebot eines existenzsichernden Jobs die Leistungen gestrichen werden könnten, wenn einer sich verweigere. Bovenschulte halte den Regelsatz für „nicht zu hoch“, der werde ja nicht gewürfelt und sei preisbereinigt nicht höher als vor 20 Jahren und mit 50 Euro für Essen und Trinken in der Woche komme man nur schwer klar.

Bürgergeld und Schwarzarbeit

„Knallhart“ hingegen will der Ex-Junge-Union-Vorsitzende Tilman Kuban gegen Arbeitsverweigerer vorgehen. Es gebe die Menschen, die nicht arbeiten könnten, wegen Erkrankung beispielsweise, und deshalb Bürgergeld erhalten, oder Alleinerziehende und Arbeiter, die ihren niedrigen Lohn aufstocken müssten, so Kuban. „Da sind wir stolz, dass wir ein soziales Netz haben.“ Für diese beiden Gruppen würde er sogar „mehr machen“.

Für die dritte Gruppe aber, die Erwerbsfähigen, die arbeiten könnten, aber nicht wollten, sei der Sozialstaat nicht da. Aber wie groß ist der Personenkreis eigentlich? Bei „Hart aber fair“ ist die Gesamtzahl von 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern – darunter auch Kinder – genannt worden, davon seien 1,7 Millionen erwerbsfähig, aber der harte Kern von Totalverweigerern, denen von den Jobcentern im Jahr 2024 (bis November) die Leistungen gekürzt worden sind, macht laut Bundesagentur für Arbeit nur 18.000 aus.

Wird da in den Medien und der Politik ein „Zerrbild“ gezeichnet – so Bovenschulte – und ein Problem aufgebauscht? Möglicherweise, das sei ein „Mechanismus“ in härter werdenden Zeiten, meinte die „Zeit“-Journalistin Anna Mayr, dass man gerne auf diejenigen herab schaue, die angeblich „falsch“ seien, um sich des eigenen Lebens zu vergewissern, weil man ja selbst „kein Bürgergeld bezieht“.

Tilman Kuban sehe das ganz anders, es gehe um „Fairness und Gerechtigkeit“, so der CDU-Abgeordnete. Da stehe einer morgens auf, klopfe auf den Wecker, gehe zur Arbeit und sein Nachbar bleibe daheim, beziehe Grundsicherung und gehe später schwarz arbeiten und habe dann „mehr in der Tasche“ als der Ehrliche. „Da entsteht ein Ungerechtigkeitsgefühl“, so Kuban.

Klamroth hakt wegen Schwarzarbeit nach

Nachdem Kuban mehrfach auf die Schwarzarbeiter hingewiesen hatte, hakte Moderator Louis Klamroth bei ihm nach, wie groß denn das Problem mit der Schwarzarbeit sei, ob es da Zahlen gebe? 10.000? 20.000? 30.000? Nein, das sei nicht „seriös“, eine Zahl zu nennen, antwortete Kuban, es gebe verschiedene Statistiken und eine Dunkelziffer.

Auch bei der Frage nach der Angemessenheit des Regelsatzes hatte Kuban überfordert gewirkt, das komme auf den Einzelfall an, und später beim Thema Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro beharrte er auf die wohl in diesem Sinne zu erwartende Entscheidung der Tarifkommission, führte aber vor allem im Verein mit der Unternehmensvertreterin Isabel Grupp-Kofler die Nachteile einer Erhöhung des Mindestlohnes wie Inflationsdruck und Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit an. Das wirkte nicht ganz stimmig.

Grupp-Kofler führte sich übrigens mit der Bemerkung ein: „Ich komme aus der Welt, in der man jeden Tag arbeitet“, was Bovenschulte mit der Bemerkung „ich auch“ quittierte. Ansonsten berichtete Grupp-Kofler, dass viele Bewerber vom Jobcenter zur Vorstellung in ihren Betrieb kämen, dann „nur die Unterschrift“ wollten, um weiter Bürgergeld zu beziehen und schwarz zu arbeiten. „Die rauben uns die Zeit.“ Zahlen über Schwarzarbeit hatte sie auch nicht, immerhin wusste sie zu sagen, dass 64 Prozent der Bürgergeldempfänger einen Migrationshintergrund hätten und „irgendwas“ stimme da mit der Asylpolitik nicht.

Wettbewerbsfähig mit miesen Löhnen?

Auf den Zusammenhang von mangelnden Sprachkenntnissen und geringem Bildungsstand, der vielen ausländischen Bürgergeldempfängern die Arbeitsaufnahme erschwere, wies immerhin Bürgermeister Bovenschulte hin, der auch eine Lanze für den höheren Mindestlohn brach. Höhere Löhne ließen zwar die Kosten steigen, würden aber auch die Kaufkraft stärken und den Konsum anheizen.

Sozusagen Dauerwiderspruch lösten die „Hardliner“ beim Bürgergeld - Kuban und Grupp-Kofler - vor allem bei der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek aus, die Kuban zwar duzte, ihn aber auch mehrfach unterbrach. Die Union sollte lieber die Hunderte von Milliarden Euro teure Steuerflucht stoppen, rief die temperamentvolle Reichinnek dem CDU-Abgeordneten zu: „Nicht nach unten treten, auch mal nach oben gucken!“

Und ob denn die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit schlechten Löhnen erkauft werden solle, fragte sie, oder ob es nicht besser wäre, mit guter Bildung, Schulen und Infrastruktur die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern, was mit einer Lockerung der von der Union bisher blockierten Schuldenbremse ja möglich wäre? „Euer Steuersystem entlastet die Reichen um zehn Prozent!“ warf die Linke der CDU vor.

Und was denn die Union für die in einem eingespielten Beitrag gezeigte Reinigungskraft in einem Cuxhavener Hotel tue, die nur 1300 Euro netto verdiene und ohne ihren Partner nie über die Runden käme: „Was tut ihr da bei Steuerlast und bezahlbarem Wohnraum?“ Tilman Kuban antwortete, man werde die kleinen und mittleren Einkommen entlasten. „Daran werden wir uns messen lassen.“ Da hatte er auch seine Festigkeit wieder gefunden.

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Erstellt:
25. März 2025, 07:58 Uhr

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