Niemand muss vor der Backnanger Ausländerbehörde campieren

Mit den steigenden Flüchtlingszahlen wächst auch die Arbeitsbelastung in den Ausländerbehörden. So chaotisch wie in Stuttgart geht es im Backnanger Ausländeramt zwar nicht zu, doch auch hier hat man reagiert: Das Personal wird aufgestockt, die Abläufe werden neu organisiert.

Daniel Wassermann leitet seit Juli die Ausländerbehörde im Backnanger Rechts- und Ordnungsamt. Trotz steigender Fallzahlen ist der 33-Jährige zuversichtlich, die Herausforderungen mit seinem Team zu meistern.Foto: Alexander Becher

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Daniel Wassermann leitet seit Juli die Ausländerbehörde im Backnanger Rechts- und Ordnungsamt. Trotz steigender Fallzahlen ist der 33-Jährige zuversichtlich, die Herausforderungen mit seinem Team zu meistern.Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Riesige Schlangen vor dem Ausländeramt und verzweifelte Menschen, die in der Hoffnung auf einen Termin sogar nachts vor der Behörde campieren – mit solchen Bildern hat die Stadt Stuttgart Schlagzeilen gemacht. Gisela Blumer ist froh, dass es solche Szenen in Backnang nicht gibt, aber die Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes erinnert sich auch hier an einen Tag Anfang des Jahres, als plötzlich 120 Menschen im Behördenzentrum im Biegel standen. Sie selbst hat damals tatkräftig mitgeholfen, um den Andrang im Foyer in geordnete Bahnen zu lenken.

Doch das sollte kein Dauerzustand werden. Deshalb hat die Backnanger Ausländerbehörde die offenen Sprechzeiten, die es früher zweimal pro Woche gab, abgeschafft. Ausländer, die zum Beispiel eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen oder verlängern lassen wollen, müssen nun immer vorab einen Termin vereinbaren. Das können sie online auf der städtischen Homepage oder auch telefonisch tun. Die Wartezeiten sind je nach Anliegen unterschiedlich: Wer eine Arbeitserlaubnis beantragen möchte, bekam gestern als frühesten Termin den 1. November angeboten, auf die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung für eine vierköpfige Familie muss man hingegen bis zum 19. Dezember warten. In Härtefällen gebe es aber die Möglichkeit, nach telefonischer Anfrage auch schneller einen Termin zu bekommen, erklärt Blumer.

Momentan sind alle Stellen im Ausländeramt besetzt

Im Gegensatz zu Stuttgart und anderen Städten, wo man neben steigenden Fallzahlen auch mit Personalmangel zu kämpfen hat, sind im Backnanger Ausländeramt derzeit alle neun Stellen besetzt, und zwar mit Fachleuten, wie die Amtsleiterin betont. In den vergangenen Jahren wurde das Personal bereits um zwei Stellen aufgestockt, dieses Jahr wurde die Ausländerbehörde noch einmal aufgewertet und ist nun ein eigenes Sachgebiet im Rechts- und Ordnungsamt. Als neuer Sachgebietsleiter wurde zum 1. Juli Daniel Wassermann eingestellt, der zuvor übrigens ausgerechnet im Stuttgarter Ausländeramt tätig war.

Doch damit ist es noch nicht getan. Durch die neuen Flüchtlingsunterkünfte beim Berufsschulzentrum, auf dem Aurelis-Areal, im Kuchengrund und in der Öhringer Straße rechnet Gisela Blumer bis Jahresende mit rund 200 zusätzlichen Ausländern, die ihre Behörde betreuen muss. Und ein Ende des Zustroms ist derzeit nicht absehbar. Der Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2024 beinhaltet deshalb nicht nur zwei weitere Personalstellen, sondern auch bauliche Veränderungen im Ausländeramt.

So soll die Behörde im Biegel mehr Platz und auch einen separaten Eingang bekommen. Auch die Arbeitsabläufe werden neu geordnet werden. So wird es künftig einen Schnellschalter für „einfache Angelegenheiten“ geben. Wer nur ein Dokument abholen muss, soll dies dort dann auch wieder ohne Termin tun können.

Anträge sollten möglichst früh gestellt werden

Trotz aller Bemühungen werde es aber immer Phasen geben, in denen man nicht jeden Antrag innerhalb von ein paar Tagen bearbeiten könne, erklärt Gisela Blumer. Sie appelliert deshalb auch an die Ausländer, etwa die Verlängerung eines Aufenthaltstitels rechtzeitig zu beantragen und nicht erst, wenn dieser fast abgelaufen ist. „Das hilft uns und den Antragstellern.“

Ansonsten muss die Behörde in Hochphasen Prioritäten setzen. Wichtig sei vor allem, dass Ausländer, die eine Arbeit aufnehmen wollen, so schnell wie möglich die notwendigen Papiere bekommen, erklärt Gisela Blumer. Deshalb leite man etwa die Anfragen an die Bundesagentur für Arbeit, die dafür notwendig sind, stets noch am selben Tag weiter. Dass die Verfahren trotzdem manchmal länger dauerten, liege oft aber nicht im Einflussbereich der Ausländerbehörde. Wenn etwa ausländische Qualifikationen noch nicht anerkannt sind oder Prüfungen nicht bestanden wurden, dürfe die Stadt auch keine Erlaubnis erteilen.

Daniel Wassermann kritisiert in diesem Zusammenhang aber auch die bisweilen überbordende Bürokratie. Warum etwa bei einem Arbeitnehmer, der nach der Ausbildung vom selben Betrieb übernommen wird, erneut eine Überprüfung durch die Arbeitsagentur nötig ist, erschließt sich dem Sachgebietsleiter nicht. „Da könnte man Bürokratie reduzieren“, findet Wassermann und versteht den Ärger mancher Arbeitgeber, die dann wieder auf die Genehmigung der Behörde warten müssen.

Kontakt mit Behörden überfordert Geflüchtete oft

Und wie nehmen diejenigen die Arbeit der Ausländerbehörde wahr, die täglich mit ihr zu tun haben? Jana Reichert ist Mitarbeiterin beim Verein Zukunftswerkstatt Rückenwind und betreut vor allem Geflüchtete aus der Ukraine. „In Backnang klappt es besser als in Stuttgart“, bestätigt sie, äußert aber auch Kritik. Das Team des Ausländeramtes sei telefonisch nur sehr schlecht erreichbar und außerdem recht unflexibel. Das Terminvergabesystem hat in ihren Augen Schwächen: Aus ihrem Kontakt mit den Geflüchteten weiß sie, dass manche aus Sorge vor langen Wartezeiten vorsorglich gleich mehrere Termine buchen, die sie dann gar nicht alle in Anspruch nehmen.

„Die Menschen sind im Umgang mit der Behörde oft überfordert“, weiß Reichert. Ohne die Unterstützung durch professionelle oder ehrenamtlich Helfer sei die Bürokratie für Ausländer kaum zu bewältigen. Ein Problem sei oft auch die Sprachbarriere. Daniel Wassermann versichert zwar, in seinem Team sprächen nicht nur alle Englisch, sondern einzelne Mitarbeiterinnen auch Ukrainisch, Türkisch und Russisch, trotzdem stellt Jana Reichert immer wieder fest, dass Geflüchtete nicht wirklich verstehen, was das Amt von ihnen will. Die Schuld dafür will sie aber nicht nur der Behörde geben: „Viele fragen eben auch nicht nach.“

Ausländerbehörde

Aufgaben Die Ausländerbehörde ist für die Erteilung von Aufenthaltstiteln verantwortlich. Diese werden für verschiedene Zwecke wie Ausbildung, Arbeit, Familiennachzug oder aus humanitären Gründen ausgestellt.

Die Behörde nimmt auch Verpflichtungserklärungen für Besucher aus dem Ausland entgegen, unterstützt bei Visaverfahren und erteilt Aufenthaltsgestattungen (Duldungen) an Asylbewerber. Sie entscheidet außerdem über Arbeitserlaubnisse und die Teilnahme an Integrationskursen.

Zuständigkeit Die Backnanger Ausländerbehörde ist für das Stadtgebiet und die acht Gemeinden der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft zuständig. Sie betreut insgesamt 14835 Menschen mit ausländischem Pass. Das neunköpfige Team ist beim Rechts- und Ordnungsamt angesiedelt.

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Erstellt:
19. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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