Noch immer fehlen Rauchmelder
Todesfälle decken alarmierende Lücken auf – Die Zahl der Einsätze bei der Stuttgarter Feuerwehr ist deutlich gestiegen
Feuer - In Stuttgart steigt die Zahl der Rauchmelder-Alarme in Wohnungen stetig an. Doch die Feuerwehr muss auch feststellen: Noch immer sind die Melder nicht überall montiert. Der Deutsche Feuerwehrverband ist alarmiert.
StuttgartVielleicht hätte ein Rauchmelder rechtzeitig gewarnt. So aber bemerkt niemand den Schwelbrand in der Wohnung eines 66 und 73 Jahre alten Ehepaars in Ludwigsburg. Für die beiden kommt jede Hilfe zu spät – wie auch Tage später in Bönnigheim, als ein 62-Jähriger in einem Zweifamilienhaus im Schlaf überrascht wird. In Stuttgart-Nord überlebt ein 93-Jähriger nur knapp. Kein Rauchmelder, der ihn gewarnt hätte. Ein Nachbar wird zum Lebensretter.
Keine Rauchmelder? Sind die denn nicht seit 2015 in Baden-Württemberg Pflicht? Die jüngste Brandkatastrophe mit fünf Toten im Pfälzerwald, aber auch die dramatischen Fälle in Stuttgart und der Region in den vergangenen Tagen rücken die Rauchwarnmelder wieder verstärkt in den Brennpunkt. Offenbar fehlen immer noch viel zu viele. Der Deutsche Feuerwehrverband ist alarmiert – und fordert nun dringend Kontrollen.
Doch die gibt es nicht. Es gibt weder Überprüfungen noch Sanktionen. Weniger noch: Im Land wird nicht einmal die Zahl der Einsätze durch Rauchmelderalarme erfasst. „Weil Berufsfeuerwehren in den Städten und Freiwillige Feuerwehren auf dem Land unterschiedliche Statistiken führen, gibt es kein einheitliches Bild“, sagt Renato Gigliotti, Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums. Die oberste Feuerwehrbehörde des Landes registriert nach wie vor nicht einmal die Todesfälle durch Brände. Damit könne man auch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob nach Einführung der Rauchmelder-Pflicht im Wohnungsbereich „die Zahl der Todesfälle durch Rauch-, Wärme- oder Feuereinwirkung gesunken oder gar gestiegen ist“, so Gigliotti. Immerhin bekomme man aber von den Experten rückgemeldet, „dass die Zahl der Fehleinsätze im Verhältnis gesunken ist“ – dass also viele Feuerwehreinsätze dadurch unnötig geworden seien, weil die Hausbewohner, durch Rauchmelder rechtzeitig gewarnt, schneller selbst die brenzlige Situation bereinigen konnten.
Doch immer wieder stellt sich heraus, dass die Rauchmelder gar nicht installiert sind. Anfang Februar etwa geriet in der Lenbachstraße im Stuttgarter Norden ein vergessenes Elektrogerät in Brand. Das Feuer in der Wohnung eines 93-Jährigen breitete sich auf die Küche aus. Der Brand wurde erst bemerkt, als ein Nachbar Qualm aus einem Fenster dringen sah und den Notruf wählte. Er reagierte keine Minute zu früh: Die Feuerwehr konnte den betagten Mann gerade noch aus der verrauchten Wohnung im zweiten Stock retten. Oder ein Fall in der Katzenbachstraße in Vaihingen: Dort stand die Küche bereits in Flammen, ehe Passanten den Brand bemerkten und die Feuerwehr alarmierten. Die abwesenden Bewohner hatten einen Topf mit Butter auf dem eingeschalteten Herd vergessen.
Besonders wichtig sind die Rauchmelder in den Fällen, in denen Bewohner die Gefahr nicht ahnen: „Und da ist jedes einzelne gerettete Menschenleben ein Erfolg“, sagt Frank Knödler, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes und Chef der Stuttgarter Branddirektion. Und weil es in letzter Zeit so viele positive Beispiele gegeben habe, müsse die Rauchmelder-Pflicht als voller Erfolg gewertet werden. Eine 87-Jährige aus dem Stuttgarter Osten wäre ohne Rauchmelder wohl nicht mehr am Leben. Ein Glutstück aus dem Ofen hatte Ende Dezember den Holzboden ihrer Wohnung an der Talstraße unbemerkt in Brand gesetzt – Nachbarn hörten das Piepsen, die Frau wurde gerettet.
Für Knödler ist so ein Fall Grund genug, die vielen Fehlalarme in Kauf zu nehmen. Als einzige registriert die Stuttgarter Wehr die Rauchmelder-Einsätze – und die sind deutlich gestiegen. Waren es im zweiten Halbjahr 2016 noch 245 Alarme, so stieg die Zahl im Jahr 2017 auf 440 Einsätze. Im vergangenen Jahr waren es sogar 503. Damit gibt es statistisch täglich 1,4 Einsätze wegen Rauchmeldern. Allerdings sind zwei von drei Einsätzen lediglich Fehlalarme: Deren Anteil stieg von 67,5 auf 69,4 Prozent. Einen besonders spektakulären gab es am Samstag im Asemwald: Dort piepste um 11.51 Uhr ein Rauchmelder im zwölften Stock eines Hochhauses. Für die Feuerwehr eine Stresssituation, weil sich die Wohnungstür nicht öffnen ließ – sie war einbruchssicher. Allerdings stand ein Fenster offen – und so ließ sich ein Feuerwehrmann an der Außenfassade aus dem 13. Stock abseilen, um über das Fenster in die Wohnung zu klettern. Drinnen fand er – nichts. Kein Brand, keine Bewohner. Der Warnmelder, der ohne Grund piepste, wurde laut Protokoll „außer Betrieb genommen“.