Klimawandel in der Arktis

Nordpolarmeer könnte 2027 eisfrei sein

Der Klimawandel verändert die Arktis bereits heute erheblich. Und womöglich schneller als zunächst gedacht, wie eine neue Klimastudie nahelegt.

Der Arktische Ozean rund um den Nordpol könnte Analysen zufolge 2027 tageweise nahezu eisfrei sein.

© Céline Heuzé/University of Gothenburg/dpa

Der Arktische Ozean rund um den Nordpol könnte Analysen zufolge 2027 tageweise nahezu eisfrei sein.

Von Markus Brauer/Stefan Parsch (dpa)

Der September ist üblicherweise der Höhepunkt des arktischen Sommers und der Monat mit der geringsten Eisbedeckung in der Arktis. Doch unabhängig von der Jahreszeit könnte der Arktische Ozean rund um den Nordpol neuen Analysen zufolge schon 2027 tageweise nahezu eisfrei sein, wenn bestimmte Wetterlagen dies begünstigen.

Das haben im Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellte Computersimulationen auf Basis von Tageswerten der Eisbedeckung ergeben. Bisher war demnach immer mit Monatsdurchschnittswerten gerechnet worden.

And it's out! "The first ice-free day in the Arctic could occur before 2030". For more details on yet another bad news for the #Arctic and its #SeaIce, check the paper or email me.https://t.co/QWC586KH5X — Dr Céline Heuzé (@ClnHz) December 3, 2024

Umwelt des Arktischen Ozeans verändert sich grundlegend

„Der erste eisfreie Tag in der Arktis wird nichts dramatisch verändern“, erklärt Alexandra Jahn von der University of Colorado in Boulder. „Aber er wird zeigen, dass wir durch Treibhausgasemissionen eines der bestimmenden Merkmale der natürlichen Umwelt des Arktischen Ozeans, nämlich, dass er das ganze Jahr über von Meereis und Schnee bedeckt ist, grundlegend verändert haben.“

Alexandra Jahn und ihre Mitautorin Céline Heuzé von der Universität Göteborg gingen von der gängigen wissenschaftlichen Definition aus, nach welcher der Arktische Ozean als eisfrei gilt, wenn weniger als eine Million Quadratkilometer von Eis bedeckt sind.

Für ihre Berechnung verwendeten sie Daten aus dem Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) und Prognosen zur Entwicklung der Energiebilanz der Erde bei unterschiedlich hohen Treibhausgasemissionen.

Eisfläche schrumpft jährlich um fast 80.000 Quadratkilometer

Die Autorinnen legten Daten aus dem Jahr 2023, die als niedrigste Meereisbedeckung 3,39 Millionen Quadratkilometer auswiesen, zugrunde. Im Jahr 2024 führten sie insgesamt 366 Simulationen durch. Neun der Simulationen ergaben ein eisfreies Nordpolarmeer in den kommenden drei bis sechs Jahren (2027 bis 2030). „Bemerkenswerterweise spielt das Emissionsszenario hier keine wichtige Rolle“, schreiben die Wissenschaftlerinnen.

Seit Beginn von Satellitenmessungen des Packeises im Jahr 1978 ist die Fläche im Durchschnitt des Norrdpolarmeeres um 78.000 Quadratkilometer jährlich geschrumpft, allerdings nicht linear von Jahr zu Jahr. Verschiedene Rückkopplungssysteme sorgen dafür, dass die Eisfläche trotz des fortschreitenden Klimawandels in manchen der vergangenen Jahre wieder leicht angewachsen ist, wie Forscher herausgefunden haben.

Extreme Wetterlagen können Eis schmelzen

Jahn und Heuzé wollten genauer wissen, welche Bedingungen zu frühen eisfreien Tagen führen: 

  • Zunächst einmal blieben eisfreie Tage kein Einzelereignis, sondern es zeigten sich zwischen 11 und 53 aufeinanderfolgende eisfreie Tage in den Simulationen.
  • Extreme Wetterlagen, bei dem entweder ein Hoch warme Luft über dem Nordpolarmeer hält oder ein Tief zum Eindringen warmer Luft führt, können das Eis schmelzen lassen, vor allem wenn mehrere solcher Ereignisse aufeinander folgen. Dann können rund zwei Millionen Quadratkilometer Meereis in kurzer Zeit schmelzen, wie es in der Studie heißt.
  • Der Arktische Ozean könnte demnach im Spätsommer 2027 eisfrei sein, wenn drei Jahre hintereinander Folgendes passiert: Auf einen ungewöhnlich warmen Herbst, der das Meereis schwächt, folgen ein warmer arktischer Winter, der die Neubildung von Meereis verhindert, und ein ebenfalls warmer Frühling.
  • Sollte der Treibhausgasausstoß stark zurückgehen, zeigen Simulationen der Forscherinnen, dass das Eis im Nordpolarmeer bis 2100 bleiben könnte. „Jede Emissionsreduzierung würde dazu beitragen, Meereis zu erhalten“, erläutert Alexandra Jahn.

Eisfreies Nordpolarmeer: Das erste Mal seit 47 Millionen Jahren

„Wenn es in den nächsten Jahrzehnten wieder zu eisfreien Bedingungen in der gesamten Arktis kommt, wird es wahrscheinlich das erste Mal seit mindestens 80 000 Jahren sein, wenn nicht sogar seit über 115 000 Jahren“, schreibt Alexandra Jahn mit Bezug auf frühere Studien.

New Review! Projections of an ice-free Arctic Ocean The earliest ice-free conditions in the Arctic could occur in 2020–2030s under all emission trajectories & are likely to occur by 2050https://t.co/iREWFVKgCQ@SeaIceClimate@CUBoulderATOC@INSTAAR@CUBoulder@NCAR_CGDpic.twitter.com/NxkXSp8Gp8 — Nature Reviews Earth & Environment (@NatRevEarthEnv) March 5, 2024

Dass die Arktis auch im Winter eisfrei bleibt, wird den Forschern zufolge voraussichtlich erst im 23. Jahrhundert und nur bei extremer Erwärmung eintreten. Es wäre nach derzeitigem Kenntnisstand das erste Mal seit etwa 47 Millionen Jahren, dass die Arktis das ganze Jahr über eisfrei bleibt.

Zum Artikel

Erstellt:
3. Dezember 2024, 14:38 Uhr
Aktualisiert:
3. Dezember 2024, 19:16 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen