Mehr Pflegegeld
Nur die Hälfte der Pflegebedürftigen nutzt den Entlastungsbetrag
Komplizierte Regeln, höhe Hürden: In Baden-Württemberg nutzt daher nicht mal die Hälfte der Pflegebedürftigen den so genannten Entlastungsbetrag. Nun hat das Land nachgebessert. Betroffene können das Geld, ab Januar 131 Euro im Monat, auch für Unterstützung durch Freunde und Nachbarn verwenden.
Von Bettina Hartmann
Hilfe beim Einkauf oder Wohnungsputz, regelmäßige Spaziergänge oder auch eine Begleitung beim Arztbesuch: Pflegebedürftige, die daheim leben, können für derartige Unterstützung im Alltag über die Pflegeversicherung jeden Monat 125 Euro einsetzen, ab Januar 2025 sogar 131 Euro. Doch vielen entgehen die finanziellen Mittel: Nicht einmal die Hälfte der Berechtigten im Land (49 Prozent) nutzten im Jahr 2023 den sogenannten Entlastungsbetrag. Das geht aus einer aktuellen Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) in Baden-Württemberg hervor. Viele wissen gar nicht, dass ihnen diese Leistung zusteht. Andere kapitulieren vor dem Dschungel an Verordnungen. Herauszufinden, für wen und was man das Geld benutzen darf, war bisher nämlich nicht einfach.
Geld auch für Ehrenamtliche
Nun hat die Landesregierung nachgebessert. Der Einsatz des Entlastungsbetrags wird unbürokratischer – was den Alltag vieler Pflegebedürftiger und pflegender Angehöriger in Baden-Württemberg erleichtern kann. Das Geld darf von nun an auch für „niedrigschwellige Hilfen“ verwendet werden, heißt es aus dem Gesundheits- und Sozialministerium. „Durch die jetzt vom Kabinett beschlossenen Änderungen der Unterstützungsangebote-Verordnung können Pflegebedürftige den Entlastungsbetrag nun auch für ehrenamtliche Einzelhelfende einsetzen“, sagt Sozial- und Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) dazu in Stuttgart.
Diese ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer „bilden einen wichtigen, unverzichtbaren Baustein im ambulanten Unterstützungsmix“, so Lucha weiter. Ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden so lange wie irgend möglich, das sei der Wunsch vieler Pflegebedürftiger. Und nebenbei gesagt, kommt das den Staat auch deutlich günstiger. Doch: „Ohne die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger geht es nicht“, so Lucha. Die Helferinnen und Helfer „aktivieren, stärken, versorgen und begleiten die zu betreuende Person, sie kümmern sich und ermöglichen Teilhabe.“
Bisher kann man die 125 Euro etwa für Dienste zertifizierter Anbieter nutzen. Bei Sätzen von 50 Euro pro Stunde sind in diesen Fällen monatlich im Schnitt meist gerade mal zweieinhalb Stunden Unterstützung drin. Auch für die Tagespflege ist das Geld einsetzbar. Hier reicht es in der Regel für einen Tag pro Woche.
Schulungen sind künftig freiwillig
Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft oder dem Freundeskreis allerdings mussten bisher umfangreiche Schulungen durchlaufen – oder gingen leer aus, selbst wenn sie jeden Tag zur Unterstützung kamen. Diese Schulungsanforderung entfällt künftig. Das Geld kann nun als kleine Anerkennung der Hilfe gezahlt werden. Er sei überzeugt, dass jeder Engagierte selbst beurteilen kann, ob er Extra-Schulungen benötigt, um Hilfe zu leisten, so Minister Lucha. „Zu viel Bürokratie ist hier hinderlich.“
„Wir begrüßen es sehr, dass die Landesregierung nun die Verordnung geändert hat“, sagt dazu Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung. Dennoch sieht Mussa Nachholbedarf: Es müsse bekannter werden, dass man den Anspruch auf künftig 131 Euro im Monat hat. „Zudem müssen entsprechende Angebote leichter auffindbar und nutzbar sein.“ Wünschenswert sei außerdem die Einführung eines jährlichen Entlastungsbudgets. „Die derzeitige Regelung mit Monatsbeträgen ist schwer verständlich und handhabbar“, so Mussa. Ein Jahresanspruch erlaube den Pflegebedürftigen bzw. ihren Angehörigen mehr Flexibilität und erzeuge weniger Verwaltungsaufwand bei den Pflegekassen.
Der Entlastungsbetrag
AnspruchAuf den Entlastungsbetrag, auch Entlastungsgeld oder Entlastungsleistung genannt, haben alle Menschen mit einem Pflegegrad Anspruch, wenn sie daheim gepflegt werden. Der Entlastungsbetrag ergänzt andere Pflegeleistungen und kann vielfältig eingesetzt werden.
BetragUnabhängig davon, ob es sich um Pflegegrad 1 oder 5 handelt, kann man bisher jeden Monat 125 Euro geltend machen. Ab 1. Januar 2025 steigt der Betrag auf 131 Euro. Das Geld kann man jährlich auch ansparen – und jeweils bis zum 30. Juni des Folgejahrs abrufen.
Helfer Informationen zum Einsatz als ehrenamtlicher Helfer und die nötigen Unterlagen (Bestätigung für den Einsatz, Abrechnungsformular) können im Internet unter https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/gesundheit-pflege/pflege/ehrenamt-und-selbsthilfe/anerkennung-einzelhelfende heruntergeladen werden.
PflegeDie Hauptlast bei der Pflege tragen nach wie vor die pflegenden Angehörigen. Laut Statistischem Landesamt wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2021 fast 83 Prozent der rund 540 000 Pflegebedürftigen im Land daheim versorgt.