Oberbürgermeister Palmer forciert Projekt für mehr Wohnraum
dpa/lsw Tübingen. Die Universitätsstadt Tübingen platzt aus allen Nähten. Bauplätze sind rar. Der grüne Oberbürgermeister Palmer hat viele Ideen, wie sich mehr Wohnraum schaffen ließe.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer verfolgt weiter sein Ziel, den Wohnungsmangel in Tübingen schnellstmöglich zu lindern - auch mit einem Baugebot. Jetzt erhielten Eigentümer von Baulücken wieder einen Brief vom grünen Politiker. Damit soll laut einer Pressesprecherin der Stadt geklärt werden, wie viele der 200 Angeschriebenen ein Familienprivileg geltend machen wollen. „Die Frist lief bis zum 31. Januar 2022. Als nächstes werten wir nun die eingegangenen Antworten aus“, sagte die Sprecherin. Dies werde eine Weile dauern.
Hintergrund ist, dass es seit dem vergangenen Jahr im Baugesetzbuch eine neue Möglichkeit gibt, ein Baugebot abzuwenden - das Familienprivileg. Dadurch können Eigentümer einen Bauzwang abwenden, wenn sie glaubhaft machen, dass sie das Grundstück für in gerader Linie verwandte Personen, also zum Beispiel Kinder oder Enkelkinder, zurückhalten wollen. „Hierzu setzen Sie bitte ein entsprechendes Schreiben gegenüber der Stadtverwaltung auf und legen schlüssig den Namen und Ehe- oder Verwandtschaftsverhältnis der Personen dar, für die das Grundstück vorgehalten werden soll“, schrieb Palmer.
Für den Verein Haus & Grund ist das ein Unding. „Das scheint mir alles vom Schwanz des Pferdes aufgezäumt zu sein. Die Stadt muss erstmal begründen, weswegen sie glaubt, in jedem Einzelfall ein Baugebot anordnen zu können“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende von Haus & Grund Württemberg, Helmut Failenschmid.
Palmer setzt sich seit einigen Jahren dafür ein, dass Grundstückeigentümer auf ihren freien Flächen Wohnraum schaffen. Im Baulückenkataster von Tübingen waren zum Jahresbeginn 2019 rund 550 Baulücken registriert worden. Nach einer Prüfung blieben 240 Grundstücke übrig, deren Eigentümer im April 2019 das erste Schreiben erhielten. Darin forderte Palmer sie auf, in spätestens zwei Jahren ein Baugesuch einzureichen. Alternativ könnten sie das Grundstück zum Verkehrswert an die Stadt veräußern. Sollten die Eigentümer auf das Schreiben nicht antworten, folge ein Anhörungsverfahren.
„Knapp ein Drittel hat uns damals zurückgemeldet, bauen oder verkaufen zu wollen. Rund ein Drittel hat die Bebauung abgelehnt. Das letzte Drittel sind zusammengenommen die Eigentümer, die um mehr Bedenkzeit gebeten oder nicht geantwortet haben“, sagte eine Sprecherin der Stadt Tübingen zur Bilanz.
Wegen der Corona-Pandemie hatte die Stadtverwaltung im Jahr 2020 dann zunächst davon abgesehen, das Verfahren zu beginnen. Dann kam die Idee mit den „Tiny Houses“ auf, der Anlass war, die Eigentümer erneut anzuschreiben. Rund 220 Eigentümer erhielten im Oktober 2020 einen Brief, dass ein formelles Anhörungsverfahren abgewendet werden könne, wenn diese für sich selbst oder ihre Familie bauten. „Sie können bauen und auf Dauer oder bis Sie Eigenbedarf haben vermieten. Sie können Ihr Grundstück an Dritte verkaufen oder auch der Stadt zum Kauf anbieten.“ Der grüne Politiker stellte aber auch eine neue Möglichkeit vor - die befristete Verpachtung des Grundstücks für 15 Jahre zur Errichtung eines transportablen Hauses. Denn zu dieser Zeit hatte sich in Tübingen ein Verein namens „Mut zur Lücke“ gegründet. Die Initiatoren wollten Menschen zusammenbringen, die gerne ein solches Mini-Haus bauen und bewohnen wollen. „Bedauerlicherweise hat kein Eigentümer sein Grundstück für den Bau eines "Tiny House" angeboten“, sagte die Stadtsprecherin. Letztendlich seien bislang für 40 der 240 Grundstücke Bauanträge gestellt worden.
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