Ökologischer Deckmantel für Luxusspielzeuge?

ExklusivVorwurf von Umweltverbänden: Neue Steuererleichterung für Dienstwagen mit E-Antrieb fördert Anschaffung von PS-Monstern

Autofahren - Wer als Dienstwagen ein Auto mit zumindest teilweise elektrischem Antrieb nutzt, muss seit diesem Jahr deutlich wenig Steuern zahlen. Was zunächst wie eine umweltschonende Idee klingt, wird ausgerechnet von Umweltverbänden als Riesenfehler gebrandmarkt.

Stuttgart Markus Mahler (Name geändert) ist Ende 30 und arbeitet in äußerst gehobener Position in der Wirtschaft.Er steht vor der Wahl eines neuen Dienstwagens. Was den Familienvater bisher veranlasst hat, die Grenzen seines erheblichen Budgets für das Auto nicht auszureizen, ist das Thema Steuer. Denn bei einem Listenpreis des Dienstwagens im sechsstelligen Bereich können das schnell über 5000 Euro mehr an jährlicher Steuerlast sein. Doch nun will Markus in die Vollen gehen – im wörtlichen Sinn. Sein Favorit ist eine Limousine der absoluten Oberklasse mit rund 330 PS und einem Grundpreis von knapp 100 000 Euro – ohne Extras versteht sich.

Der Grund für Markus neue Freigebigkeit ist nicht etwa eine habhafte Gehaltserhöhung, sondern ein Gesetz, welches die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossen hat und mit demumweltfreundliche Mobilitätunterstützt werden soll. Denn seit Jahresbeginn werden Dienstwagen mit Elektroantrieb oder bestimmte Hybridfahrzeuge (also Autos mit einer Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektroantrieb) steuerlich begünstigt – es muss nur noch der halbe geldwerte Vorteil versteuert werden. Bei seinem teuren Luxuswagen wäre Markus also steuerlich belastet, also hätte er einen Wagen der Mittelklasse gewählt.

Die steuerliche Rechnung erklärt Uwe Schramm, der Präsident der Steuerberaterkammer Stuttgart. Im Fall eines Managers in gehobener Position nimmt der Experte ­folgenden Fall an: „Wir setzen ein Prozent des Listenpreises an, multiplizieren die Summe mit zwölf für die zwölf Monate im Jahr und rechnen mit einem Abgabensatz von 45 Prozent.“ Zusätzlich spielt in der bisherigen Rechenart die Kapazität der Batterie bei einem Hybrid eine Rolle und ermöglicht einen weiteren geringen Abzug. So kommt man in unserem Beispiel auf eine jährliche Steuerbelastung von 5022 Euro.

Wird jedoch nun die neue Regelung angewendet, sieht die Rechnung anders aus. „Es wird nun der halbe Listenpreis angesetzt“, erklärt Schramm. „Setzt man nun als Beispiel 50 000 Euro statt vorher 100 000 Euro als zu versteuernde Summe an, kommt man beim gleichen Abgabensatz von 45 Prozent auf eine steuerliche Mehrbelastung durch den Dienstwagen von jährlich nur 2700 Euro“, rechnet Schramm vor. Ein Unterschied von immerhin 2322 Euro.

Umweltverbände kritisieren die neue Regelung scharf als Förderprogramm für Luxuskarossen. „Aus ökologischer Sicht sind die Neuregelungen kontraproduktiv und bevorzugen hochmotorisierte und verbrauchsintensive Fahrzeuge“, sagt etwa Klaus-Peter Gussfeld. Er ist Referent für Verkehr und Raumordnung beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Baden-Württemberg. Er fügt hinzu: „Es droht die Gefahr einer Fehlentwicklung, dass Luxusspielzeuge mit einem ökologischen Mäntelchen versehen werden.“ Gussfeld fordert: „Generell sollten Hybridfahrzeuge nicht von der Neuregelung profitieren. Zumindest dann nicht, wenn sie hochmotorisiert sind und nur wenige Kilometer im E-Modus fahren können.“

Zudem will der Mann vom BUND auch Begrenzungen bei der steuerlichen Förderung von puren Elektromobilien. „Auch reine E-Autos sollten von der Neuregelung nur dann profitieren, wenn sie einen geringen Strom- und Ressourcenverbrauch aufweisen. Also stromsparende Kleinwagen statt stromfressende Rennreiselimousinen.“

Andere Umweltverbände äußern sich ähnlich. Birgit Maier, Geschäftsführerin des ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Baden-Württemberg, fordert darüber hinaus: „Das Dienstwagenprivileg sollte grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. Statt den Besitz von Pkw zu fördern, sollte dieFörderung umweltfreundlicher Mobilitätim Zentrum eines entsprechenden Gesetzes stehen.“

Für Mahler ist das alles kein Problem. Er freut sich auf seinen neuen Wagen und darüber, dass er trotz allerDebatten über saubere Luftweiterhin problemlos nach Stuttgart fahren kann. „Mein Wagen gilt als ökologisch besonders fortschrittlich und wird sicherlich niemals von Fahrverboten betroffen sein“, sagt er mit einem Lächeln. Auf die Frage, ob er damit rechnet, den vom Hersteller angegebenen Durchschnittsverbrauch von rund 2,5 Liter auf 100 Kilometer mit seiner neuen Luxuslimousine tatsächlich zu erreichen, muss Markus dann tatsächlich herzhaft lachen. „Sobald der Elektromotor leer gefahren ist, werde ich sicherlich etwas mehr Benzin brauchen“, sagt er.

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Erstellt:
12. Januar 2019, 03:14 Uhr

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