Regierungsauftrag für die FPÖ

Österreich biegt nach rechtsaußen ab

Nach chaotischen Tagen erhält der umstrittene FPÖ-Chef Herbert Kickl den Auftrag zur Bildung einer Regierung. Die konservative ÖVP zeigt sich willig. Ist die österreichische Demokratie in Gefahr?

Helmut Kickl dürfte bald Kanzler werden.

© dpa/Helmut Fohringer

Helmut Kickl dürfte bald Kanzler werden.

Von Patrick Guyton

Um 13.17 Uhr öffnet sich die berühmte rote Tapetentür in der Wiener Hofburg, Bundespräsident Alexander Van der Bellen tritt hinaus. Mehr als eine Stunde lang war FPÖ-Chef Herbert Kickl bei ihm zum Gespräch, Van der Bellen wollte ausloten, ob die extrem Rechten die Mehrheit für eine stabile Regierung zusammenbekommen können. Sie können, meint der Präsident, und er müsse „die Mehrheit achten, die sich findet“. Denn die konservative ÖVP hat sich am Vortag bereit gezeigt zu einer Koalition mit der FPÖ als Juniorpartner unter einem Kanzler Kickl.

Dieser erhält also vom Präsidenten einen Regierungsauftrag. Kickl traue sich „tragfähige Lösungen zu“, so Van der Bellen, „und er will diese Verantwortung“. Nun werden Freiheitliche und Konservative miteinander verhandeln, Österreich ist auf dem Weg zu einer Rechts-Regierung.

180-Grad-Wende bei der ÖVP

Binnen weniger Stunden hatte die ÖVP am Sonntag eine 180-Grad-Wende hingelegt. Ihr abgetretener Kanzler Karl Nehammer hatte eine Zusammenarbeit mit der Kickl-FPÖ ausgeschlossen – wie auch viele Parteigranden. Der jetzige Interims-Parteichef und potenzielle Verhandler Christian Stocker etwa hat Kickl als „nicht regierungsfähig“ bezeichnet, als „Gefahr für die Demokratie und die Sicherheit“. Noch-Ministerin und ÖVP-Hoffnung Caroline Edtstadler meinte, sie möchte mit Kickl „nicht an einem Tisch sitzen“. Und Claudia Pakolm von der Volkspartei-Jugend: „Kickl ist ein absolutes No-Go.“ Die Kärntner Politikprofessorin Kathrin Stainer-Hämmerle bezeichnet das Verhalten der ÖVP als „situationselastisch“.

Wer ist dieser 56-jährige Herbert Kickl, und welche Gefahr geht von ihm aus? „Er ist ein Einzelgänger und kontaktscheu“, beschreibt der Journalist Gernot Bauer vom österreichischen Nachrichtenmagazin „Profil“ Kickls Persönlichkeit. Bauer hat mit seinem Kollegen Robert Treichler unlängst eine Biografie des FPÖ-Chefs veröffentlich. In seiner Jugend habe der einen Hang zum Rebellentum gezeigt. „Und dann kam Jörg Haider“, meint Bauer. Die FPÖ-Ikone übernahm 1986 die Partei, da war Kickl 17 Jahre alt. Er wurde zu einem glühenden Fan, erhielt einen Job in der FPÖ-Parteiakademie, avancierte zu Haiders Impulsgeber und Redenschreiber.

Zunehmende Radikalisierung

In den vergangenen Jahren – seit Juni 2021 führt er die Partei – radikalisierte sich Kickl mehr und mehr. 7. September 2024, Messehalle Graz, der FPÖ-Chef startet in den Wahlkampf. Herbert-Herbert-Rufe. Frontal geht Kickl erst einmal die anderen Parteien an, die er allesamt als „Einheitspartei“ bezeichnet. Man habe eine „anti-demokratische Brandmauer gegen die eigene Bevölkerung“ hochgezogen, ruft er, „wie damals in der DDR“. Kickl wettert gegen das „Establishment“ und das „System“.

Nahezu alle Schuld sieht er bei den Ausländern, den „Fremden“. Nach Österreich seien keine Fachkräfte eingewandert, sondern „Messerexperten“. Einheimische liefen Gefahr, „die Minderheit zu sein“. Kickl meint: „Natürlich brauchen wir Remigration.“ Biograph Bauer stellt weiter fest: „Man kann Kickl ohne die Corona-Krise nicht verstehen.“ Mit seiner drastischen Ablehnung der Schutzmaßnahmen und dem Einprügeln auf angebliche Corona-Verbrecher habe er „sein Talent als Volkstribun“ entdeckt. Kickl weiß sehr genau, dass er rechtsradikales Gedankengut verbreitet. Es gibt viele Kontakte zur Identitären Bewegung, er spricht vom „Bevölkerungsaustausch“.

Zur Autokratie fehlt die absolute Mehrheit

Doch dürfte er nicht all seine radikale Programmatik als Bundeskanzler durchsetzen. Denn im Gegensatz zu Autokraten wie Viktor Orbán in Ungarn besitzt die FPÖ keine absolute Mehrheit. Gernot Bauer meint, Kickls Ziel sei eine „illiberale Demokratie“ mit Maßnahmen gegen Minderheiten, dem Streichen von Kulturgeldern, Schwächung der NGOs sowie Angriffen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF.

Wirtschaftlich haben FPÖ und ÖVP große Schnittmengen bei ihrer unternehmensfreundlichen Politik. Außenpolitisch hingegen drohen viele Probleme, denn die FPÖ fährt einen Anti-EU-Kurs und ist Russland-freundlich bis -hörig. Bauer sieht das Land aber dennoch nicht am Abgrund: „Österreich ist stabil und hat stabile Gerichte.“ Für die Demokratie bestünde „keine unmittelbare Gefahr“.

Reaktionen aus Deutschland

CSU Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist besorgt über die politische Entwicklung im Nachbarland Österreich. „Es ist zunächst mal eine Entscheidung von Österreich selbst“, sagte der CSU-Vorsitzende bei der Tagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag im Kloster Seeon. Man müsse schauen, was dabei herauskomme. „Aber die Entwicklung ist natürlich nicht gut.“

Grüne Die Grünen ziehen aus der gescheiterten Bildung einer Regierung ohne die FPÖ in Österreich auch Schlüsse für Deutschland. „Die festgefahrene Situation in Österreich sollten wir als Warnung wahrnehmen“, sagte Parteichefin Franziska Brantner. Im Nachbarland sei zu erkennen: „Wenn Parteitaktik über Bündnisfähigkeit gestellt wird, triumphieren am Ende die Populisten“.

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Erstellt:
6. Januar 2025, 16:00 Uhr

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