„Gefahr der Verletzungen“: Oettinger warnt vor Hängepartie

dpa/lsw Stuttgart. Merz, Röttgen, Spahn und Laschet: Der CDU droht eine Kampfkandidatur um die Macht. Der frühere EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hofft auf eine einvernehmliche Lösung - und mahnt zur Eile.

Günther Oettinger (CDU), ehemaliger EU-Kommissar und ehemaliger Ministerpräsident Baden-Württembergs. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Günther Oettinger (CDU), ehemaliger EU-Kommissar und ehemaliger Ministerpräsident Baden-Württembergs. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Angesichts der Personaldebatten in der CDU drängt der frühere EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger auf eine neue Runde von Regionalkonferenzen in seiner Partei. „Wenn zum Beispiel im Juni ein Parteitag die Entscheidung über den Parteivorsitz treffen sollte, dann ist doch jeder Auftritt von jedem Kandidaten ab sofort eine Art Regionalkonferenz“, sagte Oettinger der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Dann macht es mehr Sinn, die gemeinsam zu machen.“ Oettinger schlägt vier bis sechs Veranstaltungen vor, auf denen sich die Kandidaten präsentieren - „anstatt dass wir einen Wildwuchs von Veranstaltungen haben von Kandidaten, die einzeln auftreten“.

Nach dem Rückzug von Kanzlerin Angela Merkel von der Parteispitze hatten sich 2018 die damaligen Nachfolgekandidaten Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn in einer Serie von Regionalkonferenzen der Parteibasis vorgestellt. Kramp-Karrenbauer hatte sich am Ende durchgesetzt. Anfang vergangener Woche hatte sie ihren Rückzug angekündigt - die Partei steckt in der Führungskrise.

Oettinger nannte die damaligen Regionalkonferenzen einen Gewinn. „Deswegen würde ich der Partei raten, auch eine beschränkte Zahl von Konferenzen mit allen Kandidaten zu organisieren.“ Im späten Frühjahr dann - „nicht hektisch, aber in absehbarer Zeit“ - sollte ein neuer Parteichef auf einem Parteitag gewählt werden. Oettinger nannte Ende Mai oder Juni dafür. Er warnte vor einer Hängepartie: „Wenn sich das Ganze bis zum regulären Parteitag im Dezember in Stuttgart hinzieht, ist die Zahl der Tage lange und die Gefahr der Verletzungen hoch.“

Ein Kanzlerkandidat könnte dann aber erst zum Jahreswechsel zwischen CDU und CSU gefunden werden, sagte Oettinger. Ein neuer Parteichef habe sicher die Befähigung und die Ambition, Kanzlerkandidat zu werden. „Der braucht doch nicht den zweiten Hut schon jetzt.“

Nach den bisherigen Plänen sollte die Kanzlerkandidatur beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Stuttgart beschlossen werden, auf dem eigentlich auch die reguläre Neuwahl der Parteispitze ansteht.

Oettinger war von 2005 bis 2010 baden-württembergischer Ministerpräsident und bis zum vergangenen November EU-Haushaltskommissar. Inzwischen arbeitet er von Hamburg aus als Wirtschafts- und Politikberater.

Oettinger sprach von einer spannenden Zeit für die CDU. „Wir sind im Umbruch, aber es ist bisher kein Schaden eingetreten“, sagte er. „Diese Partei hat schon ganz andere Personalfragen am Ende ordentlich gelöst.“ Die vier Kandidaten seien ein „Reichtum“ für die CDU. Nun müsse man auf die Inhalte und die Programmatik schauen, mit denen sie sich präsentierten. Die Ereignisse in Thüringen hätten gezeigt, dass die CDU ihr Programm und ihr Demokratieverständnis als Partei der Mitte prüfen muss. Den Kandidaten komme daher eine Richtungsfunktion zu - „indem sie sagen, wofür sie stehen, und im Fall ihrer Wahl, wofür die CDU mit dem neuen Parteivorsitzenden steht“.

Bisher hat nur Norbert Röttgen seine Kandidatur offiziell angekündigt. Die als aussichtsreich geltenden möglichen Mitbewerber, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn haben noch nicht öffentlich erklärt, ob sie kandidieren. Am Montag kommen in Berlin CDU-Präsidium und -Vorstand zu regulären Sitzungen zusammen. Kramp-Karrenbauer will die Führungsgremien über den Stand ihrer Gespräche zur Personalaufstellung informieren und womöglich auch einen Fahrplan für die Wahl eines Parteichefs vorstellen.

„Klar ist: Mit Herrn Röttgens Bewerbung ist die Wahrscheinlichkeit, dass man nur einen Kandidaten am Ende hat, nicht mehr sehr hoch“, sagte Oettinger. Zuvor hatte er sich dafür ausgesprochen, dass sich Merz, Spahn und Laschet einigen, um eine Kampfkandidatur zu vermeiden. Oettinger ist zwar für eine sogenannte Teamlösung, aber keinesfalls für eine Doppelspitze wie bei den Grünen oder der SPD. „Politik braucht Erkennbarkeit. Wir haben ja nicht zwei Kanzler, wir haben ja nicht zwei Wirtschaftsminister. Auch eine Partei braucht eine Person, auf die sich das öffentliche Interesse zuallererst ausrichtet.“

Da alle möglichen Bewerber bislang aus Nordrhein-Westfalen sind, käme CDU-Verbänden wie Baden-Württemberg oder Niedersachsen auf einem Parteitag eine viel größere Rolle zu. „Wenn NRW geschlossen wäre, wäre es gelaufen“, sagte Oettinger. „Aber die sind durch vier geteilt. Also kommt Baden-Württemberg - wenn wir uns halbwegs auf einen Mann einigen können - eine enorme Bedeutung zu.“

Nach einer möglichen Kampfkandidatur müssten sich die Unterlegenen einbringen und das Ergebnis unterstützen. Das könne man nicht garantieren, aber erwarten. Oettinger sprach von einer Einbindung etwa in ein Kompetenzteam zur Bundestagswahl. Er rät davon ab, dass der Gewinner des Wettstreits eine Rolle im Bundeskabinett übernimmt. „Was bleibt da noch an Profil? Da sind Sie besser Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat - die beiden sind mehr als ausreichend. Da verschwindet doch ein Regierungsamt.“

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Erstellt:
21. Februar 2020, 05:01 Uhr

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