Landwirtschaftsminister
Özdemir auf der Grünen Woche: Auf dem Absprung – jetzt noch eine Krise
Ein Jahr nach den Bauernprotesten besucht Cem Özdemir die Grüne Woche. Es ist sein letzter Rundgang als Bundeslandwirtschaftsminister. Doch der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche überschattet die Messe.
Von Rebekka Wiese
Er hält die Kiste mit den Südtiroler Äpfeln. Er probiert das Knäckebrot aus Schweden. Er lobt den Saft aus Lettland, trinkt einen Schluck Sekt aus Moldau und ein Glas Tee aus Marokko. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir bedankt sich, schüttelt Hände, nimmt Präsentkörbe entgegen. Wie es sich gehört, wenn der Bundeslandwirtschaftsminister den ersten Rundgang über die Grüne Woche macht. Doch so normal der Termin aussehen mag, so ungewöhnlich ist die Lage, unter der sie in diesem Jahr stattfindet.
Am Freitag hat die Grüne Woche, eine der größten Agrarmessen der Welt, in Berlin offiziell eröffnet. Bis zum 26. Januar werden 300 000 Menschen auf dem Messegelände erwartet, 1400 Aussteller sind angekündigt. Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist es die letzte Grüne Woche – zumindest in diesem Amt. Özdemir tritt nicht mehr für den Bundestag an. Er wechselt in die Landespolitik. Die Grünen hoffen, dass sie mit ihm in Baden-Württemberg weiter den Ministerpräsidenten stellen werden – nach der dortigen Landtagswahl nächstes Jahr. Doch noch ist Özdemir als Landwirtschaftsminister in Berlin unterwegs. Am Freitagmorgen läuft er in einer großen Menschentraube durch die Hallen. An seiner Seite sind unter anderem der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), der frisch ernannte EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen aus Luxemburg – und ein Mann, zu dem Özdemir ein, vorsichtig gesagt, komplexes Verhältnis hat: Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands.
Auch Bauernverbandspräsident dabei
Vor einem Jahr wurde die Grüne Woche von den Protesten der Landwirte begleitet. Damals hatte die Ampelregierung kurz zuvor beschlossen, die Subventionen für Agrardiesel und die Befreiung der Kfz-Steuer für Landwirte zu streichen. Obwohl Özdemir sich dafür einsetzte, dass die Entscheidung teilweise zurückgenommen wurde, traf die Wut der Bauern auch ihn. Auch Verbandschef Rukwied schonte den Minister nicht. Viele Probleme, über die die Bauern damals klagten, sind geblieben. Und dass Özdemir sie in seinen letzten Wochen nicht mehr lösen wird, ist absehbar. Zumal es plötzlich ein anderes Thema gibt, das die Grüne Woche überschattet. Erstmals seit 1988 ist die Maul- und Klauenseuche in Deutschland ausgebrochen. Und das auch noch im brandenburgischen Hönow, nur eine Autostunde von der Messe entfernt. Das Virus wurde bei Wasserbüffeln nachgewiesen. Menschen können sich zwar nicht infizieren. Aber für bestimmte Tierarten, zum Beispiel Rinder oder Schweine, ist die Seuche hochgefährlich. In Hönow wurde deshalb nicht nur die gesamte Büffelherde vorsorglich getötet, sondern auch alle möglicherweise betroffenen Tiere im Umkreis.
Ausbruch nah bei Berlin
„Ich nutze die Gelegenheit hier auch nochmal, einen besonderen Gruß auszurichten an all diejenigen, die sich gerade Sorgen machen wegen der Maul- und Klauenseuche in unserem Land“, sagt Özdemir zu Beginn des Rundgangs, bevor er das Eröffnungsband gemeinsam mit den anderen Vertretern aus Politik und Branche zerschneidet. „Ich glaube, wir sind alle gerade in Gedanken bei dem Thema.“
Einnahmeausfällen drohen
Für die deutsche Landwirtschaft ist der Ausbruch der Seuche eine Katastrophe. Die betroffenen Höfe erhalten zwar eine Entschädigung aus der Seuchenkasse. Doch weil andere Länder schon jetzt Einfuhrstopps für Tiere und Fleischprodukte aus Deutschland erlassen haben, drohen der Branche hohe Einnahmeausfälle.
In der Tierhalle recken dieses Jahr vor allem Pferde ihre Schnauzen den Besuchern entgegen. Sie können sich nicht mit der MKS infizieren. Doch für Paarhufer ist sie gefährlich. Für Schafe, Ziegen und Alpakas zum Beispiel, die hier deshalb nun nicht zu sehen sind. Und für Rinder. Statt echten Kühen stehen Plastikattrappen in den Gehegen.
Immerhin: Am Freitag stellt sich heraus, dass eine Ziege in Brandenburg, die als MKS-Verdachtsfall gemeldet worden war, negativ getestet worden ist. „Ich hoffe, dass wir bald vermelden können, dass Deutschland wieder Maul- und Klauenseuche-frei ist“, sagt Özdemir dann am Vormittag auf der Grünen Woche. Bis es so weit ist, könnte er sein Amt aber womöglich schon abgegeben haben. Um den Status als MKS-frei zu erlangen, braucht es laut Experteneinschätzungen rund drei Monate. Vorausgesetzt, es werden keine neuen Fälle gemeldet.