Opposition zweifelt an Sinn neuer Schulden

dpa/lsw Stuttgart. Misstrauen prägt die Debatte um die Haushaltspolitik. FDP und SPD werfen der Regierung Geheimniskrämerei vor - und Verschwendung. Grün-Schwarz hält sich dagegen für „rekordverdächtig erfolgreich“.

Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Für die einen ist es Corona-Vorsorge, für die anderen sinnlose Schuldenmacherei: Der Nachtragshaushalt der grün-schwarzen Koalition mit neuen Krediten in Milliardenhöhe und die zusätzlichen Stellen im Regierungsapparat bleiben für die Opposition aus FDP und SPD ein Stein des Anstoßes. Die Koalition verteidigte ihren Kurs. Innenminister Thomas Strobl (CDU) betonte am Donnerstag im Parlament in Stuttgart, das Ziel von Grün-Schwarz sei, mit Hilfe von Investitionen gestärkt aus der Corona-Krise zu kommen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke stellte zum wiederholten Mal eine Verfassungsklage gegen den Etat in Aussicht. „Dieses Haushaltsgebaren schreit geradezu nach einer rechtlichen Überprüfung.“ Die Koalition habe an verschiedenen Stellen im Haushalt Geld versteckt und in Wirklichkeit einen weiteren Spielraum zwischen 15 und 20 Milliarden Euro. Es sei deshalb ein „Treppenwitz“, weiter in die Verschuldung zu gehen und die Corona-Krise als Ausnahme von der Schuldenbremse zu nutzen. Die Behauptung der Koalition, man stecke noch mitten in der Pandemie, sei angesichts der stark gesunkenen Inzidenzen falsch. Zugleich blähe Grün-Schwarz den Regierungsapparat weiter auf, indem es allein vier neue Posten für Staatssekretäre gebe. Das passe nicht zur „Rekordverschuldung“, monierte Rülke. „Das ist ein Fehlstart in diese Legislaturperiode.“

Grün-Schwarz will vor allem wegen der Bewältigung der Corona-Krise neue Kredite in Höhe von 1,2 Milliarden Euro aufnehmen und dafür Ausnahmen bei der Schuldenbremse nutzen. Damit würde sich die Kreditaufnahme im Doppelhaushalt 2020/2021 auf die Rekordhöhe von 14,7 Milliarden Euro erhöhen. Der neue Finanzminister, Danyal Bayaz (Grüne), will den Gesetzentwurf für den Nachtrag am 14. Juli in den Landtag einbringen. Die Schaffung des neuen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen sowie der vier neuen Posten für Staatssekretäre und weiterer neuer Stellen in den Ministerien hatte schon häufiger für Kritik gesorgt.

Die AfD spottete darüber, dass die FDP eine Klage immer nur ankündige, während sie selbst schon gegen den letzten Nachtragshaushalt mit neuen Schulden von 13,5 Milliarden Euro gerichtlich vorgegangen sei. Der Koalition hielt AfD-Fraktionschef Bernd Gögel vor, mit „schäbigen Tricks“ die Schuldenbremse zu umgehen. „Hören Sie auf mit diesen Spielchen.“

Die SPD forderte Grün-Schwarz zu einem „ehrlichen Kassensturz“ auf. Es müsse die Frage beantwortet werden, wie viel Geld noch in den Rücklagen und in Haushaltsresten sei, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Ohne eine Antwort darauf ergäben die neuen Schulden keinen Sinn. Stoch fragte die Koalition: „Betrachtet Grün-Schwarz den Landeshaushalt als Privatschatulle?“

Die beiden finanzpolitischen Sprecher der Koalition, Markus Rösler (Grüne) und Tobias Wald (CDU), verteidigten die Pläne. Es gehe darum, gestärkt aus der Corona-Krise zu kommen. Rösler sagte, die neuen Kredite dienten der strukturellen Absicherung, wenn die Pandemie im Herbst weiter anhalte. Zudem unterstütze man mit einem Hilfspaket Schulen, Hochschulen, Einzelhandel und die Kultur. Rösler kündigte an, das Land werde den Kommunen mit rund 130 Millionen Euro für einen Rettungsschirm zugunsten des Öffentlichen Nahverkehrs unter die Arme greifen.

Wald warf der FDP „teils populistische Aussagen“ vor. Klar sei, dass die CDU an der Schuldenbremse festhalten werde. „Das Aufweichen wird es mit uns nicht geben. Die Schuldenbremse gilt ohne Wenn und Aber.“ Minister Strobl stieß in das dasselbe Horn und sagte, die Regierung und die Koalition arbeiteten „rekordverdächtig erfolgreich“.

Der Grünen-Politiker Rösler widersprach auch dem Vorwurf der unnötigen Aufblähung des Apparats. 125 der insgesamt 201 neuen Stellen entfielen auf den Schulbereich, wo Lehrerstellen weiterfinanziert würden. 21 der restlichen Stellen seien Posten, die nach einer gewissen Frist wieder wegfallen sollten. „Bleiben also ganze 55 Stellen echte neue Stellen“, erklärte Rösler. Die Kosten dafür würden über einen Sparbeitrag aller Ministerien von insgesamt zehn Millionen Euro finanziert. Worauf Rösler allerdings nicht einging: Die Stellen müssen dauerhaft finanziert werden.

© dpa-infocom, dpa:210701-99-219105/2

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Erstellt:
1. Juli 2021, 13:13 Uhr

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