Was geschah im . . . April 1925?
„Orden unter dem Totenkopf“: Vor 100 Jahren gründete Adolf Hitler die SS
Wie keine andere Organisation steht die Schutzstaffel für die monströsen Verbrechen des NS-Regimes. Als „Reichsführer-SS“ wurde Heinrich Himmler zu Hitlers rechter Hand bei der „Endlösung der Judenfrage“.

© Imago/Heritage Images
Adolf Hitler (re.) und Heinrich Himmler laufen im Jahr 1935 an einer SS-Abteilung vorbei.
Von KNA (Joachim Heinz)/Markus Brauer
„Sie trugen eine schwarze Uniform und waren der Schrecken Europas. Sie führten den Totenkopf an ihrer Mütze und schworen dem Führer ewige Treue. Sie folgten der doppelten Sigrune und beförderten Millionen von Menschen zum Tode . . . Sie nannten sich Schutzstaffel (SS) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei und fühlten sich. Die Geheimsekte der SS ließ keinen Unbefugten in das Innere ihrer Organisation blicken; die Schutzstaffel der Führerdiktatur sollte ein Mysterium bleiben, dem Staatsbürger unheimlich und unbegreiflich.“
So schreibt es der ehemalige Wehrmachtssoldat Heinz Höhne (1926-2010), Journalist und Autor des zeitgeschichtlichen Bestsellers „Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS§ (Mohn, Gütersloh 1967).
„Eine Handvoll gewaltbereiter Männer zur persönlichen Verfügung“
Ein erfolgloser Schauspieler war ihr erster erste Chef. Vor 100 Jahren, im Frühjahr 1925, beauftragte Adolf Hitler seinen Vertrauten und späteren Chauffeur Julius Schreck, eine sogenannte Schutzstaffel aufzustellen. Von München aus wollte der radikale Antisemit Hitler die kurz zuvor neu gegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) zu einer schlagkräftigen Bewegung formen.
Mit der Schutzstaffel verfolgte er zunächst das Ziel, „zumindest eine Handvoll gewaltbereiter Männer zu seiner persönlichen Verfügung zu haben“, wie der deutsche Zeithistoriker Bastian Hein schreibt.
Hitlers Leib- und Prügelgarde
Schrecks rechte Hand war der arbeitslose Alois Rosenwink. Die ersten Männer der Einheit kamen aus dem Umfeld des „Stoßtrupp Hitler“. Diese 1923 kurzzeitig existierende Sondereinheit der Sturmabteilung „hatte schon damals die Funktion als Hitlers Leib- und Prügelgarde übernommen“, erklärt Hein. Im Vergleich zur SA führte die SS allerdings zunächst eher ein Schattendasein.
Für Zeitgenossen waren beide Gruppierungen anfangs nur schwer auseinanderzuhalten. SA- wie SS-Männer klebten Plakate, sammelten Spenden für die Partei. Sie trainierten den Umgang mit Waffen in wehrsportlichen Übungen und lieferten sich in der politisch aufgeheizten Atmosphäre der Weimarer Republik Straßen- und Saalschlachten mit politischen Gegnern, wobei die SS schon damals durch besondere Aggressivität auffiel.
Hitlers „Mordbuben“: Der Aufstieg Heinrich Himmlers
In der Presse war reichlich nebulös von „Hitler-Mordbuben“ oder „Hakenkreuzlern“ die Rede. Noch 1934, über ein Jahr, nachdem Adolf Hitler und die NSDAP in Deutschland an die Macht gekommen waren, hieß es, über die SS sei bislang wenig bekannt. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich längst jemand in Position gebracht, der laut Historiker Hein „zum wohl zweitmächtigsten Mann des Dritten Reichs“ aufsteigen sollte: Heinrich Himmler.
Vorgänger Erhard Heiden hatte wohl Parteigelder veruntreut und – aus Sicht der Nazis noch viel ungeheuerlicher – SS-Uniformen bei jüdischen Lieferanten geordert. Am 6. Januar 1929 übernahm Himmler den Posten des Reichsführer-SS. Eine etwas hochtrabende Bezeichnung für eine damals aus 280 Mann bestehende Einheit. Aber zielstrebig baute der gebürtige Münchner seinen Einfluss aus. Nur drei Jahre später zählte die SS 50.000 Mitglieder.
„Radikalste Täterorganisation des Nationalsozialismus“
Aus der Leib- und Prügelgarde formten Himmler und seine Gesinnungsgenossen eine Formation, die zur „radikalsten rassistischen Tat- und Täterorganisation des Nationalsozialismus“ wurde, wie Bastian Hein es formuliert.
Per Eid verpflichteten sich die SS-Männer auf „Gehorsam bis in den Tod“ gegenüber dem „Führer“ Adolf Hitler und den von ihm bestimmten Vorgesetzten. Der „Orden unter dem Totenkopf“ verbreitete Terror und Schrecken in Deutschland und weit darüber hinaus.
SS-Männer waren maßgeblich an Errichtung und Betrieb der Konzentrationslager beteiligt, bespitzelten „Volksgenossen“ und schikanierten Oppositionelle. Sie sicherten sich Zugriff auf die Polizei und zogen an der Seite der Wehrmacht ab 1939 in den von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg. Über allem stand die mörderische Ideologie der Nationalsozialisten.
Perverse Parolen für Überzeugungstäter
In seinen berüchtigten „Posener Reden“ ging Himmler im Herbst 1943 vor SS- und Parteispitzen auf ein „ganz schweres Kapitel“ ein: die „Ausrottung des jüdischen Volkes“. Die meisten wüssten, was es heiße, „wenn 100 Leichen beisammenliegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen“, so Himmler. „Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“
Himmlers perverse Parolen verfingen. Gerade höherrangige SS-Leuten waren laut Bastian Hein nicht „bloße Karrieristen“, sondern „hochgradig motivierte ‚Weltanschauungstäter’“, die sich mit Haut und Haar dem Kampf um Lebensraum und gegen die Juden verschrieben hatten.
Ein Blick auf die Anfänge der Schutzstaffel deutet zugleich an: die selbst ernannte Elite rekrutierte sich aus allen Teilen der Bevölkerung. Auch „ganz normale“ Männer konnten zu Mördern werden.