Kohlenhydratarm und fettreich
Paläo-Diät: Kochen wie einst die Neandertaler
Die Paleo-Diät wird nicht ohne Grund Steinzeit-Ernährung genannt: Auf den Tisch kommt, was die Menschen im Paläolithikum, also in der Altsteinzeit, sammeln und jagen konnten.
Von Markus Brauer/Alicia Lanzke (dpa)
Die Paleo-Diät wird nicht ohne Grund Steinzeit-Ernährung genannt: Auf den Tisch kommt, was die Menschen – mutmaßlich – im Paläolithikum, also in der Altsteinzeit, sammeln und jagen konnten.
Auf dem Speiseplan stehen also zum großen Teil Gemüse und Obst, bevorzugt Beeren, sowie Samen und Nüsse. Dazu gibt es Eier, Fisch und Fleisch. Auf Getreide, Milch, Milchprodukte und Zucker wird verzichtet.
Die Paleo-Ernährung ist somit eiweiß- und fettreich, aber kohlenhydratarm. Was bedeutet das für unseren Körper und dessen Leistungsfähigkeit:
Gene wie in der Steinzeit?
„Anhänger der Paleo-Diät sind der Meinung, dass sich die damalige Ernährung auch heute positiv auf unsere Gesundheit auswirkt“, sagt Astrid Donalies, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Das Ernährungskonzept folgt der Annahme, dass der Mensch genetisch noch an das Essen der Altsteinzeit angepasst sei und sich die Wahl der Lebensmittel daran orientieren sollte. Moderne „Zivilisationskost“ sei demnach für den Menschen ungesund.
Ernährungswissenschaftlerin Donalies sieht darin einen wahren Kern: Die heute verbreitete (Fehl-)Ernährung sei mitverantwortlich für Krankheiten wie Karies, Übergewicht, Bluthochdruck oder Herz- und Gefäßkrankheiten.
Geringe Energiezufuhr hilft beim Abnehmen
Auch wenn Fred Feuerstein nicht gerade für seinen geringen Bauchumfang bekannt ist: „Tatsächlich kann die Paleo-Diät beim Abnehmen helfen“, betont Donalies. Das sei vermutlich vor allem auf die niedrige Energiezufuhr zurückzuführen.
„Positiv ist, dass bei der Diät viel Wert auf wenig verarbeitete Lebensmittel gelegt wird“, so Donalies. Insgesamt werde der Körper gut mit Eiweiß und wertvollen Fettsäuren versorgt. Für Calcium, Jod und Vitamin D gilt das aber nicht immer: Sie muss man möglicherweise ergänzen.
Viele Gerichte sind ohnehin steinzeitlich
Konkret kann ein moderner Paleo-Tag so aussehen:
- Zum Frühstück gibt es ein Müsli aus Kernen, Nüssen und Samen, dazu Beeren und pflanzenbasierter Milch.
- Mittags machen zum Beispiel Spargel mit Sauce Hollandaise und Süßkartoffeln satt.
- Am Abend kommt selbst gemachte Hühnersuppe mit Hühnerfleisch und Gemüse auf den Tisch.
Aber: Wer sich mit dem Ernährungskonzept beschäftigt, merkt schnell, dass viele Rezepte ohnehin Paleo sind oder sich leicht abwandeln lassen. Ein Steak oder Fisch mit Gemüse etwa fügen sich problemlos in die Ernährungsweise ein.
Fettstoffwechsel wird aktiviert
Trainieren wir dank Steinzeit-Ernährung besser? „Ob der Körper zum Beispiel beim Sport leistungsfähiger ist, wenn man sich nach dem Paleo-Prinzip ernährt, ist noch nicht wirklich bekannt“, erklärt die Sport- und Ernährungsmedizinerin Christine Joisten.
Eine Erkenntnis gibt es aber: Eine ketogene Diät wie die Paleo-Diät – also kohlenhydratarm, aber dafür fettreich – führte bei Fußballspielern dazu, dass sie Fettmasse verloren, ohne dabei nennenswert an Muskelmasse und -kraft einzubüßen.
Körper im Zustand der Ketose
Für Sportler ist das positiv, so Joisten, die am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) tätig ist. Ketogene Ernährungsweisen lösen im Körper den Zustand der Ketose aus, auch als „Fettstoffwechsel“ bekannt.
Das bedeutet: Führt man dem Körper mehr hochwertige Fette und zugleich weniger Kohlenhydrate zu, macht er sich an das Verbrennen von Fettmasse und nicht von Kohlenhydraten. Das gilt besonders im Zusammenhang mit Bewegung.
Wer also abnehmen, aber möglichst wenig Muskelmasse verlieren möchte, kann sich diesen Effekt zunutze machen. Die Ernährungsumstellung hin zu Paleo ergänzt man am besten durch ein Trainingsprogramm, das auf eine ketogene Ernährungsweise zugeschnitten ist.
Ernährung individuell an individuelle Ziele anpassen
Ob man die Paleo-Ernährung langfristig durchhalten sollte, bezweifelt die Sportmedizinerin Joisten allerdings. „Gerade für Sportler sind Kohlenhydrate auf Dauer unabdinglich. Ihr Körper benötigt sie, um überhaupt an die Fettreserven ranzukommen.“
Die Ernährungswissenschaftlerin Donalies von der DGE weist außerdem darauf hin, dass der relativ hohe Fleischkonsum der Paleo-Diät für Gesundheit und Umwelt problematisch ist.
Was laut der Expertin außerdem zu bedenken ist: Schränkt man sich in seiner Lebensmittelauswahl ein, steigt die Gefahr eines Nährstoffmangels. Wer sich also gesund und abwechslungsreich an eine moderne Paleo-Diät halten möchte, sollte sich gut über die Ernährungsform informieren.
Info: Wie haben Neandertaler Vögel verspeist?
Neandertaler Der Speiseplan von Neandertalern war erstaunlich abwechslungsreich und umfasste auch Vögel. Wie die Frühmenschen das Federvieh aßen, ist allerdings bislang nicht hinreichend erforscht, da gerade Nahrungszubereitung anhand von archäologischen Funden nur schwer nachvollziehbar ist. Spanische Forscherinnen haben daher nun versucht, altsteinzeitliche Schlachtmethoden zu imitieren. Ihre Ergebnisse könnten ein besseres Verständnis von Knochenfunden erlauben.
Speiseplan Mammuts, Riesenhirsche und Wollnashörner sollen verschiedenen Studien zufolge auf dem Speiseplan von Neandertalern gestanden haben, aber auch kleineres Getier wie Muscheln und Krebse, außerdem Antilopen und Steinböcke und auch die unterschiedlichsten Pflanzen. Insbesondere die Großwildjagd der Vettern des modernen Menschen wurde wissenschaftlich bereits mehrfach beschrieben. Weniger sei indes über ihren Vogelkonsum bekannt, schreibt das dreiköpfige Team um die spanische Forscherin Mariana Nabais vom Katalanischen Institut für Menschliche Paläoökologie und Sozialevolution (IPHES).
Vögel Grundsätzlich sei es schwer, prähistorische Ernährungsgewohnheiten zu untersuchen, da die Nahrungszubereitung nur wenige archäologische Spuren hinterlasse und das besonders bei kleineren Mahlzeiten wie eben Vögeln. „Der Verzehr von kleinen Beutetieren durch menschliche Populationen wirft analytische Schwierigkeiten auf, da die Spuren auf den Knochenoberflächen oft sehr gering sind oder ganz fehlen“, heißt es in der Studie, die im Fachblatt „Frontiers in Environmental Archaeology“ veröffentlicht wurde.
Zubereitung Die Wissenschaftlerinnen untersuchten nun ganz praktisch, wie sich die Zubereitung von Vögeln in archäologischen Funden zeigen könnte. Dafür sammelten sie fünf Wildvögel aus dem portugiesischen „Zentrum für Ökologie, Wiederherstellung und Überwachung von Wildtieren“ (CERVAS), die eines natürlichen Todes gestorben waren. Zwei Aaskrähen, zwei Türkentauben und eine Ringeltaube wurden ausgesucht, da diese den Arten ähnelten, welche von den Neandertalern gegessen wurden.
Steinsplitter Dann wählte das Team anhand archäologischer Belege und ethnografischer Daten mehrere Zubereitungsmethoden: Alle Vögel wurden zunächst gerupft. Dann wurden eine Aaskrähe und eine Türkentaube sowohl per Hand als auch mithilfe scharfkantiger Splitter aus Feuerstein roh zerlegt. Derartige Splitter entstehen beim Aneinanderschlagen zweier Feuersteine. Sie wurden im Experiment vor allem verwendet, um Sehnen zu schneiden und Gelenke zu trennen.
Kohlefeuer Die übrigen drei Vögel wurden über heißen Kohlen gebraten und erst danach zerlegt, was den Forscherinnen zufolge wesentlich leichter war als bei rohen Vögeln. Dass Neandertaler zumindest einen Teil ihrer Speisen kochten, ist bereits seit geraumer Zeit bekannt. Im nächsten Schritt befreiten die Wissenschaftlerinnen die Knochen vom Fleisch und trockneten sie, um sie dann mikroskopisch zu untersuchen. Ebenso wurden die Feuersteinsplitter auf Abnutzungsspuren analysiert.
Experiment „Die Stichprobe ist mit nur fünf Vögeln relativ klein und repräsentiert möglicherweise die Vielfalt der Vogelarten, die Neandertaler genutzt haben könnten, nicht vollständig“, meint Mariana Nabais. Doch schon jetzt gebe die Arbeit aber Hinweise auf die Interpretation entsprechender archäologischer Funde. „Durch die Simulation von Koch- und Zerlegetechniken der Neandertaler bieten die Experimente eine Grundlage für die Unterscheidung zwischen vom Menschen verursachten Veränderungen und solchen, die durch natürliche Prozesse oder anderen Raubtiere verursacht wurden.“