Tübingens OB geht gegen drohenden Parteiausschluss vor
dpa/lsw Tübingen. Seit mehr als sechs Monaten wartet Boris Palmer auf den Ausschlussantrag der Grünen in Baden-Württemberg. Und die Oberbürgermeisterwahl in Tübingen steht bevor. Nun wehrt er sich.
Im Streit um seinen drohenden Ausschluss aus der Partei geht Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer nun den Grünen-Landesverband an. Palmers Anwalt Rezzo Schlauch verlangt von der Landesschiedskommission in Baden-Württemberg, förmlich festzustellen, dass die Partei gegen Palmer „keinen Rechtsanspruch auf Ausschluss aus der Partei hat“. Er habe dem Gremium einen sogenannten Negativen Feststellungsantrag zugeschickt, erklärte der frühere Bundestagsfraktionschef der Grünen. Nach Auskunft von Schlauch vom Mittwoch kann damit ein behaupteter Rechtsanspruch - in diesem Fall das Recht auf Parteiausschluss - zurückgewiesen werden. Mehrere Medien hatten zuvor darüber berichtet.
Ein Parteitag der Grünen in Baden-Württemberg hatte Anfang Mai beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren gegen den wegen seiner Provokationen umstrittenen Palmer anzustrengen. Anlass für diesen Beschluss war ein Facebook-Beitrag Palmers zu dem früheren deutschen Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, in dem der Oberbürgermeister das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Der OB beteuerte dagegen, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen.
Der grüne Landesverband reagierte auf Palmers Vorstoß gelassen. „Das Verfahren wurde nicht verzögert. Ein Grund für die zeitintensive Vorbereitung in diesem Fall ist die lange Vorgeschichte. Es handelt sich um eine lange Liste von provokanten und unangemessenen Äußerungen und Aktionen, die über Jahre aufgetretenen sind und die im Hinblick auf das Parteiordnungsverfahren momentan sorgfältig zusammengestellt werden“, erklärte ein Parteisprecher auf Anfrage.
Diese Verfahrenstaktik füge seinem Mandanten einen fortdauernden Schaden seines öffentlichen Ansehens zu und verwehre ihm die Chance auf Verteidigung, weil gar kein konkreter Vorwurf vorgetragen werde, betonte Schlauch. Dies sei besonders vor dem Hintergrund misslich, da in Tübingen im kommenden Jahr Oberbürgermeisterwahlen anstehen. Die offensichtlich gewollte Verzögerung soll das Verfahren laut Schlauch zeitlich möglichst weit in die OB-Kandidaten-Nominierungsphase der Grünen in Tübingen hineinziehen.
Der Hintergund: Die Tübinger Grünen hatten im Streit um Palmer beschlossen, den nächsten Kandidaten zur OB-Wahl in einer Urwahl zu bestimmen. Daraufhin hatte die derzeitige Ortsvorsteherin im Tübinger Stadtteil Weilheim, Ulrike Baumgärtner, ihren Hut in den Ring geworfen. Im April sollen die Mitglieder des Stadtverbands darüber entscheiden, wer für die Partei in der Universitätsstadt antreten wird. Eine Nominierungsveranstaltung wie bei den beiden vergangenen Wahlen, als Palmer der einzige Kandidat war, wird es somit nicht geben. Bis zum 28. Februar dauert die Bewerbungsphase, im März sollen sich die Kandidaten auf einem Podium vorstellen.
Wegen zahlreicher provokanter Äußerungen liegen die Grünen seit langem mit Amtsinhaber Palmer im Clinch. Auch die Grünen in Tübingen sind gespalten.
© dpa-infocom, dpa:211110-99-937352/7