Paris 2024 legt die Latte hoch

Die Olympischen Spiele an der Seine waren ein voller Erfolg – das erleichtert eine deutsche Bewerbung nicht.

Paris bietet für die Olympischen Spiele die perfekte Kulisse.

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Paris bietet für die Olympischen Spiele die perfekte Kulisse.

Von Eidos Import

Paris - Wer vom Olympia-Virus befallen ist, kann einiges schlucken. Auch mal Unappetitliches. Nachdem sie mit der deutschen Mixed-Staffel Gold gewonnen hatte, wollte Triathletin Lisa Tertsch nicht länger über die Wasserqualität in der Seine reden. „Wenn ich in zwei Tagen krank werde“, sagte die Olympiasiegerin, „dann ist das für mich auch in Ordnung.“

Dieser Satz bestätigte eine altbekannte These: Jede Medaille hat zwei Seiten. Gut, wenn die Kehrseite mal nicht so sehr ins Gewicht fällt.

Man könnte schon ein paar Kleinigkeiten aufzählen, die dafür sorgten, dass auch bei den Olympischen Spielen in der französischen Hauptstadt nicht alles im Fluss war. Und dass viel Optimismus nötig ist, um Bürgermeisterin Anne Hidalgo ihre Behauptung abzunehmen, es werde im Sommer 2025 an der dann endgültig sauberen Seine drei Badestellen für die Pariser Bevölkerung geben. Wenn nicht? Wird das die Olympia-Bilanz auch nicht mehr trüben können.

Würde es einen sportlichen Vergleich unter Olympia-Ausrichtern geben, Paris hätte Gold verdient. Die Spiele an der Seine waren ein voller Erfolg, sie haben die hohen Erwartungen noch einmal übertroffen. Mit einer grandiosen Inszenierung in Wettkampfstätten, die schöner kaum hätten sein können. Beachvolleyball am Eiffelturm, Reiten im Schlossgarten von Versailles, Fechten im Grand Palais, die jungen Disziplinen am Place de la Concorde, Bogenschießen im Esplanade des Invalides, Triathlon auf der Seine-Brücke Pont Alexandre III – die Verbindung spektakulärer Sehenswürdigkeiten mit Spitzensport war eine architektonische Meisterleistung. Und die Stimmung, die in den Arenen herrschte, wird unvergessen bleiben.

Rund neun Millionen Tickets wurden verkauft, es gab kaum leere Plätze, dafür Begeisterung, Anfeuerung, Ekstase. Ein beliebtes Spiel war, die Dezibelwerte auf den Tribünen zu messen – oft ist es lauter gewesen als bei Rockkonzerten. Und im Hintergrund machten die Sicherheitskräfte ihren Job. Leise, aber effizient. Dazu blieb das befürchtete Verkehrschaos aus. Als Felix Neureuther, bekanntermaßen ein eher kritischer Olympia-Geist, gefragt wurde, wie ihm Paris 2024 gefallen habe, sagte er sinngemäß: Diese Spiele werden nicht zu toppen sein.

Die Latte liegt also hoch. Für Los Angeles und Brisbane, die beiden nächsten Ausrichter. Aber auch für alle künftigen Bewerber, zu denen sich Deutschland gesellen wird. Angesichts der Euphorie im Sportsommer 2024 mit Heim-EM im Fußball und Olympia war es sicherlich der richtige Zeitpunkt, um seinen Willen zu bekunden. Gewonnen ist damit aber noch nichts.

Olympische Spiele haben die Kraft, etwas in Bewegung zu bringen. Im Sportsystem eines Landes, aber auch gesellschaftlich. Doch dafür braucht es gute Ideen, ein innovatives Konzept, einen Masterplan. All das fehlt bisher in Deutschland, ebenso wie charismatische Führungsfiguren in Politik und Sport. Dabei müsste man, gerade in schwierigen Zeiten, groß denken. Warum nicht, um ein Beispiel zu nennen, eine Olympia-Bewerbung für 2040 mit dem Versprechen verknüpfen, bis dahin die marode Deutsche Bahn medaillenreif zu machen? Warum nicht versuchen, einen Weltstar wie Dirk Nowitzki, der in Paris voller Begeisterung von Arena zu Arena tourte, als Gesicht einer Olympia-Bewerbung zu gewinnen?

Klar ist: Wenn Deutschland gegen die starke Konkurrenz nicht nur aus Indien und Arabien eine Chance haben will, braucht es eine Vision und starke Köpfe. Bisher ist beides nicht in Sicht. Das ist eine Gefahr, denn auch in diesem Fall gibt es eine Kehrseite der Medaille: Eine weitere Bewerbungsblamage braucht nun wirklich niemand. Erst recht nicht, nachdem Paris gezeigt hat, wie es geht.

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Erstellt:
9. August 2024, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
10. August 2024, 22:04 Uhr

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