Passanten in Backnang drei Ohrfeigen gegeben

Ein Angeklagter wird am Amtsgericht Backnang wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Am Backnanger Amtsgericht wird ein Fall von Körperverletzung verhandelt. Symboldbild: BilderBox - Erwin Wodicka

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Am Backnanger Amtsgericht wird ein Fall von Körperverletzung verhandelt. Symboldbild: BilderBox - Erwin Wodicka

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Ist der Autofahrer zu schnell gefahren? Hat die Fußgängergruppe den Fahrer provoziert? Wenn ja, würde dies die drei Ohrfeigen rechtfertigen, die der Fahrer verteilt hat? Mit einem klaren Nein beantwortet der vorsitzende Richter am Amtsgericht Backnang diese Frage. Daher wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt.

Der 39-Jährige, ein verheirateter Familienvater, von Beruf Mechatroniker, bezeichnete in der von seinem Rechtsbeistand verlesenen Einlassung den Vorfall als „überflüssig“ und gestand die Ohrfeigen ein. Die ihm vorgeworfene Kopfnuss stritt er jedoch ab. Hingegen ließ er verlesen, dass er von der Gruppe junger Männer seinerseits provoziert und beleidigt worden sei.

Zwei von ihnen schilderten in ihren Zeugenaussagen den Ablauf aus ihrer Sicht wie folgt: Sie seien am 25. Juni 2022 zu Fuß vom Bahnhof Backnang in Richtung Innenstadt unterwegs gewesen, um auf das Straßenfest zu gehen. In der Nähe des Schillerplatzes sei ein Fahrzeug recht schnell auf sie zugefahren, als sie die Straße überqueren wollten. Einen Zebrastreifen habe es dort nicht gegeben. Einer aus der Gruppe rief „Pass auf!“, adressiert an seine Freunde und an den Autofahrer. Dieser sei rechts rangefahren, ausgestiegen und habe gefragt: „Warum schreit ihr so?“ Unvermittelt habe er einem Mitglied der Gruppe eine Kopfnuss gegeben, einen zweiten am Hals gepackt und einem weiteren eine „Schelle“ verpasst.

Unterschiedliche Aussagen zum Vorfall

Der Angeklagte entschuldigte sich bei den Geschädigten. Die Aussage des zweiten Zeugen wich jedoch stark von seinen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung ab. Den Unterschied begründete dieser mit der langen Zeit, die seither vergangen sei. In der Version des Angeklagten dagegen war die Rede davon, dass die jungen Männer mehrfach den Fuß auf die Straße gesetzt und dann wieder zurückgezogen hätten. Also habe er durch das offene Seitenfenster gefragt: „Wollt ihr jetzt rüber oder nicht?“ Man habe ihm mit einer Beleidigung geantwortet: „Was willst du, du Fisch?“ Daraufhin sei er ausgestiegen und habe sie zur Rede gestellt. Seine Familie, er sei von einem Besuch bei den Schwiegereltern zurückgekommen, sei unterdessen im Auto geblieben. Plötzlich habe er einen Schlag in den Nacken bekommen. Er sei wütend geworden und habe dreien aus der Gruppe eine Ohrfeige verpasst. Danach sei er weggefahren. „Wie erklären Sie sich ihre komplett andere Geschichte?“, fragte ihn der Staatsanwalt. Er könne nur das aussagen, was er erlebt habe, entgegnete der 39-Jährige.

Eine Einstellung kommt nicht infrage

Der Richter stellte die Frage, ob die anderen Zeugen noch aussagen sollten oder ob eine andere Lösung gefunden werden könne. Eine Einstellung des Verfahrens komme für ihn nicht in Betracht, betonte der Staatsanwalt: „Ein Autofahrer, der grundlos anhält und andere Verkehrsteilnehmer ohrfeigt, gehört nicht in den Straßenverkehr.“ Andererseits gebe es einen Bruch in den Zeugenaussagen, die teilweise wie abgesprochen gewirkt hätten. Der Anwalt des Angeklagten gab zu bedenken, dass sein Mandant auf sein Auto angewiesen sei und bat darum, auf ein Fahrverbot zu verzichten.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen erklärte der Angeklagte, dass er zurzeit Bürgergeld beziehe, habe aber davor über 20 Jahre als Mechatroniker gearbeitet. Seine Frau sei nicht berufstätig, seine Kinder gingen alle noch in den Kindergarten oder zur Schule und er müsse außerdem Kredite für sein Haus abbezahlen. Einträge im Bundeszentralregister gibt es keine, weder bei dem Angeklagten noch bei den Geschädigten. Nach einer kurzen Unterbrechung erklärte der Rechtsanwalt, dass der Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt bleibe. Somit wurden die anderen Zeugen entlassen. Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen von je 25 Euro, ohne Fahrverbot. Der Anwalt des Angeklagten plädierte im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse seines Mandanten für 60 Tagessätze à 17 Euro. Letztendlich lautete das Urteil: 60 Tagessätze à 20 Euro, ohne Fahrverbot. Der Angeklagte trägt zudem die Kosten des Verfahrens. In seiner Urteilsbegründung sagte der Richter, dass es richtig gewesen sei, dass der Angeklagte die Ohrfeigen eingestanden und sich bei den Geschädigten entschuldigt habe. Gleichwohl müsse die Körperverletzung geahndet werden. Das Urteil ist rechtskräftig.

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Erstellt:
20. November 2023, 09:00 Uhr

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