Aufnahme in Deutschland
Patenschaftsnetzwerk: Aufhebung der Zusagen für Afghanen wäre fatal
2600 Afghaninnen und Afghanen mit einer rechtlich verbindlichen Aufnahmezusage warten weiterhin in Pakistan auf die Ausreise nach Deutschland. Ein baden-württembergisches Netzwerk nimmt deshalb die künftige Bundesregierung in die Pflicht.

© dpa/Sebastian Christoph Gollnow
Geplante Charterflüge für Afghanen aus Pakistan wurden vorerst gestoppt.
Von red/epd
. Die Projektleiterin im Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte, Lena Reiner, appelliert an die künftige Bundesregierung, bereits erteilte Aufnahmezusagen für gefährdete Afghaninnen und Afghanen einzuhalten. „Diese Menschen sollten eigentlich sicher sein – das wurde ihnen mehrfach versprochen. Die Aufnahmezusagen rückgängig zu machen, wäre für die Afghaninnen und Afghanen fatal“, sagte die Ansprechpartnerin für Ortskräfte in Baden-Württemberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die meisten von ihnen hätten ihr Hab und Gut verkauft und seien aufgrund ihrer Grenzüberquerung für die Taliban leicht auffindbar. „Ziel eines Aufnahmeverfahrens muss es sein, Schutz zu gewähren und nicht neue Gefahren zu schaffen“, sagte Reiner.
Das Patenschaftsnetzwerk kümmert sich um Afghaninnen und Afghanen, die vor der Machtübernahme der Taliban 2021 für deutsche Institutionen, Behörden und Unternehmen gearbeitet haben. Reiner berichtet von Personen, die bereits seit mehr als einem Jahr in Islamabad auf ihre Ausreise warten. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich derzeit noch 2600 Afghaninnen und Afghanen in der pakistanischen Hauptstadt, die eine rechtlich verbindliche Aufnahmezusage haben, davon rund 350 Ortskräfte.
Sorgen angesichts der sich abzeichnenden Koalition aus Union und SPD
Reiner kritisierte, die Auswahl, wer ausreisen dürfe, sei „völlig undurchsichtig“. Hinzu komme, dass die Aufnahmezusagen immer unter Vorbehalt stünden. Die Personen müssten erst ein langwieriges Visumsverfahren und eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen. „Das macht das Warten für die Betroffenen unerträglich“, sagte die Projektleiterin.
Seit dem angekündigten Regierungswechsel erhielte sie besonders viele besorgte Nachrichten: „Bei den Menschen kommt an: Die neue Regierung will uns gar nicht.“ Die sich abzeichnende Koalition aus Union und SPD hatte angekündigt, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden. Reiner stellt jedoch klar: „Das Ortskräfteverfahren ist kein freiwilliges Aufnahmeprogramm – es ist eine Verpflichtung gegenüber Menschen, die Deutschland unterstützt haben.“
Debatte in Deutschland auf afghanische Männer fokussiert
Außerdem betonte Reiner, dass die anderen Aufnahmeverfahren wie das Bundesaufnahmeprogramm auch mit Blick auf die afghanischen Ortskräfte wichtig seien. „Der Ortskräftebegriff, den unsere Regierung verwendet, ist viel zu eng gefasst“, kritisierte die Projektleiterin. Berücksichtigt würden nur direkt angestellte Mitarbeitende innerhalb eines klar begrenzten Zeitraums. Menschen wie Honorarkräfte, die zwar für deutsche Institutionen gearbeitet hätten, aber ohne Angestelltenstatus, blieben so außen vor.
Enttäuscht zeigte Reiner sich auch über den Ton in der öffentlichen Debatte. „Es wird ständig betont, dass afghanische Männer nach Deutschland kommen. Dabei betrifft das Ortskräfteverfahren auch viele Frauen – Ehefrauen, Töchter und weibliche Ortskräfte, die sich zum Teil noch in Afghanistan befinden.“ Zudem seien die Aufnahmeverfahren der „sicherste Migrationsweg, den es gibt“, betonte sie. „Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Deutschland.“ Die Menschen reisten mit Visum ein, lebten vorab in betreuten Unterkünften in Pakistan und würden extrem gründlich überprüft.