Peinliches Bild der Koalition
Der Mini-Kompromiss beim Etat zeigt: in der Regierung spielt jeder sein eigenes Spiel.
Von Tobias Peter
Es ist nur noch peinlich. Die Bundesregierung erinnert an einen Schüler, der in allerletzter Minute die Arbeit abgibt, für die er sehr viel Zeit hatte. Und schon beim ersten oberflächlichen Blick fällt auf, dass er den Teil der Aufgabe, der ihm besonders schwerfiel, einfach weggelassen hat. So verhält es sich mit dem, was die Ampelspitzen in Berlin jetzt dreist als Bundeshaushaltseinigung verkaufen.
Der Haushalt der Ampel umfasst 480 Milliarden Euro. Als die Bundesregierung ihren ersten Entwurf vorlegte, enthielt er noch ein Minus von 17 Milliarden Euro. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) versprachen aber, dieses Minus noch auf neun Milliarden zu verringern, bevor sie den Haushalt an Bundestag und Bundesrat weiterleiten.
Fachleute nennen das eine „globale Minderausgabe“. In der Größenordnung von zwei Prozent des Haushalts, also der angestrebten neun Milliarden Euro, wäre davon auszugehen gewesen, dass sich das verbleibende Minus in der Haushaltspraxis von selbst in Luft auflöst. Der Grund: Am Ende wird nie alles Geld, das einmal eingeplant war, auch tatsächlich ausgegeben. Da die Ampelspitzen sich aber nicht darauf einigen konnten, wie sie die Lücke von 17 Milliarden Euro auf neun Milliarden Euro verringern wollen, haben sie entschieden, nur halbe Arbeit abzuliefern. Jetzt planen sie einfach mit einer globalen Minderausgabe von zwölf Milliarden Euro.
In der Sache geht davon die Welt nicht unter. Kluge Bundestagsabgeordnete könnten in der Haushaltsberatung weitere Einsparmöglichkeiten finden. Bis der Haushalt einmal endgültig vom Bundestag beschlossen wird, kann sich auch durch die Steuerschätzung noch mal etwas ändern. Dass die drei wichtigsten Protagonisten der Ampel bei einem Haushalt von 480 Milliarden Euro aber daran scheitern, noch einige wenige Milliarden Euro einzusparen, ist aber Ausdruck einer erschreckenden politischen Kraftlosigkeit.
Das Verhältnis von Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner, das lange Zeit als belastbar galt, ist offenbar zerrüttet. Die Ampel hatte Gutachten in Auftrag gegeben, um mehrere Schritte zur Reduzierung der Haushaltslücke dahingehend zu prüfen, ob sie verfassungsgemäß sind. Als die Gutachten vorlagen, ging Lindner – statt in Ruhe das interne Gespräch zu suchen – offensiv an die Öffentlichkeit, um seine Interpretation zu verbreiten, dass nach neuen Sparmöglichkeiten gesucht werden müsse. Der Kanzler wies ihn daraufhin öffentlich wie einen Schuljungen zurecht. Das alles war zum Fremdschämen – und das gilt für Scholz und Lindner.
Lindner spielt in der Ampelkoalition schon seit längerem nur noch auf eigene Rechnung. Die Idee, dass seine Liberalen eben genau deshalb so schlecht in den Umfragen dastehen, ist ihm anscheinend noch nie gekommen. Auch Olaf Scholz wandelt sich, unter dem Druck seiner Fraktion, immer mehr vom Kanzler zum Wahlkämpfer. Robert Habeck hat zuletzt alles getan, um zwischen den beiden Streitenden öffentlich als der Vernünftige dazustehen. In Wirklichkeit bastelt aber auch er längst an seiner Kanzlerkandidatur.
Den Klügeren, der auch mal nachgeben könnte, gibt es in der Ampel nicht mehr. Wie will die Regierung so die düstere Stimmung im Land verbessern? Gelingt es ihr zumindest, die wenigen Maßnahmen umzusetzen, auf die sie sich für ein stärkeres Wirtschaftswachstum verständigt hat? Darauf muss sie Antworten geben. Es geht ums Land – und nicht um die ohnehin erbärmlichen Wahlaussichten der drei Regierungsparteien.