Schaffhausen
Sanfte Reise oder qualvoller Tod in der Suizid-Kapsel?
Eine Person begeht in der Schweiz mit einem neuartigen Gerät Suizid. Es ist nicht rechtskonform, die Helfer werden deshalb festgenommen.
Von Barbara Barkhausen
Suizidhilfe ist in der Schweiz eigentlich erlaubt, wenn den Helfern keine selbstsüchtigen Motive vorgeworfen werden können. Und trotzdem sind jetzt in der Schweiz mehrere Personen nach dem Einsatz einer umstrittenen Suizid-Kabine festgenommen worden. Gegen sie werde ein Strafverfahren wegen „Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord“ eingeleitet, sagte der Staatsanwalt in Schaffhausen, Peter Sticher. Bei einer Verurteilung droht ihnen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Es ist der erste bekannte Einsatz der Kabine „Sarco“ in der Schweiz. Eine Person kann sich hineinlegen und durch Knopfdruck die Zuleitung von Stickstoff auslösen. Sie erstickt daran. Dem Erfinder der Kabine, dem 77-jährigen ehemaligen Arzt Philip Nitschke aus Australien, ging es ursprünglich darum, Menschen einen „friedlichen, zuverlässigen Freitod zum Zeitpunkt ihrer Wahl“ anzubieten, wie er in einem Interview sagte. Nitschke betonte, dass Umfragen regelmäßig bestätigen würden, dass sich die meisten Menschen einen „friedlichen“ und „zuverlässigen“ Tod wünschten. „Sarco liefert da eine gute Annäherung”, meinte der Australier.
Nitschke selbst ist nicht unumstritten
Der 77-Jährige möchte sein eigenes Leben irgendwann auch einmal mit Hilfe von „Sarco“ beenden. „Ich mag den Stil und die Eleganz des ‚Sarco‘“, erklärte er 2022. Nitschke selbst ist nicht unumstritten mit seinen Thesen und Ansichten. Die australische Ärztekammer entzog ihm 2015 die Zulassung. Sein Buch „Die friedliche Pille“ wurde in Australien als gemeingefährlich eingestuft und verboten. Die Zeitschrift Newsweek bezeichnete Nitschke als „den Elon Musk der Sterbehilfe“. Doch von Kritik lässt sich der ehemalige Arzt nicht beirren: In Nitschkes Augen ist der Zugang zu einem friedlichen, zuverlässigen Wahltod ein „Recht“ für jeden mündigen erwachsenen Menschen und nicht nur ein „Privileg“, das denjenigen gewährt werden sollte, die krank genug sind, um sich zu qualifizieren.
Dass Nitschke auch Menschen, die nicht krank sind, beim Suizid Hilfe bieten möchte, hat ihn jedoch vor allem in seinem Heimatland Australien bereits zum Paria gemacht. Als er 2014 einem 45-Jährigen aus Perth, der nicht schwer krank war, beim Freitod beriet, erzeugte dies einen Aufschrei.
In dem aktuellen Fall in der Schweiz war die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben von einem Anwalt informiert worden, das die Kabine bei Merishausen im Kanton Schaffhausen benutzt worden war. In der Kapsel befand sich laut Medienberichten eine 64-jährige US-Bürgerin, die unter „schwerer Immunschwäche“ litt. Die 64-Jährige soll „unter einem Baumdach“ in einem Waldgebiet im Kanton Schaffhausen gestorben sein.
Es gibt mehrere Suizidhilfe-Organisationen in der Schweiz
Es gibt mehrere Suizidhilfe-Organisationen in der Schweiz, die nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Das Gerät „Sarco“ betrachten die Schweizer Behörden aber als nicht rechtskonform. Nach dem Einsatz der Suizid-Kabine hagelt es nun Kritik. Er halte das Verfahren für gefährlich, weil keine ärztliche Beurteilung notwendig sei, sagte der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür. „Das erleichtert den Zugang zum Suizid zu sehr“, kritisierte der Bischof von Basel.
Er fügte hinzu: „Ich hätte die suizidwillige Person in die Richtung der Palliativpflege orientiert.“
Qualvoller Tod in der Suizid-Kapsel?
Die Sterbehilfe durch die Todeskapsel ist auch aus handfesten Gründen sehr umstritten. Durch den Entzug von Sauerstoff kann es laut Ärzten bis zu 30 Minuten dauern, bis der Tod eintritt. Mediziner warnen vor „grausamen Qualen“, UN-Experten sehen keinen Beweis dafür, dass die Tötung mit Stickstoff keine Schmerzen verursacht.
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https:// www.suizidprophylaxe.de/