Dramatische Folgen des Klimawandels

Planet Treibhaus: Die Erde erwärmt sich immer schneller

Wälder speichern Kohlendioxid, Eisflächen reflektieren Sonnenlicht. Ökosysteme können helfen, die Erderwärmung abzupuffern. Doch es gibt Anzeichen, dass das schlechter funktioniert, warnt ein renommierter Klimaexperte Experte.

Der Mensch legt die Lunte an die Erde: Ist das  Maß jetzt voll? Schlägt der Planet zurück? Die Anzeichen dafür mehren sich – mit dramatischen Folgen für die Menschheit

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Der Mensch legt die Lunte an die Erde: Ist das Maß jetzt voll? Schlägt der Planet zurück? Die Anzeichen dafür mehren sich – mit dramatischen Folgen für die Menschheit

Von Markus Brauer/dpa

Die Erde kann die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels nach Einschätzung eines renommierten Klimawissenschaftlers womöglich immer schlechter abfangen.

Dafür gebe es Anzeichen, sagt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, beim Petersberger Klimadialog in Berlin. Das internationale Treffen dient der Vorbereitung der nächsten Weltklimakonferenz im November in Brasilien.

Die Erde heizt sich immer mehr auf

Zuletzt habe sich die Erderwärmung beschleunigt, erläutert Rockström. So habe sich der Planet zwischen den 1970er Jahren und 2014 um ungefähr 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt. Im vergangenen Jahrzehnt habe es plötzlich eine Beschleunigung auf 0,3 Grad geben. Noch sei unklar, warum dies passiere.

Auf der anderen Seite gebe es Hinweise, dass der Planet die Effekte des Klimawandels immer schlechter ausgleichen könne, erklärt Rockström. So führe das Schmelzen von Eisflächen dazu, dass weniger Sonnenlicht reflektiert werde, was zur Erhitzung der Erde beitrage.

Zudem gebe es Untersuchungen dazu, dass Wälder etwa in Finnland, Kanada oder im Amazonas nicht mehr so wie früher als Kohlendioxid-Speicher funktionierten. Wenn bestimmte biologische Systeme wie Korallenriffe oder der Amazonas verloren gingen, könne das verheerende Effekte haben.

Warnung vor unumkehrbaren Veränderungen

Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter sei kein Ziel, sondern eine physikalische Grenze, warnt Rockström. „Das will man nicht überschreiten, weil man wahrscheinlich unumkehrbare Veränderungen verursachen würde, die das Tempo der Erwärmung sogar noch weiter verstärken würden.“

Bei der Pariser Klimakonferenz hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 das Ziel gesetzt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, zumindest aber auf deutlich unter 2 Grad.

Wenn dies gelinge, dann könne der Planet im besten Fall zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 1,5 Grad kommen - nach einer Periode der Überschreitung des Ziels. Dies setze aber den kompletten Abschied von fossilen Brennstoffen voraus sowie funktionierende Ökosysteme wie Ozeane, konstatiert Rockström.

„Unser Planet sendet immer mehr Stresssignale aus“

Neben der rekordhohen globalen Durchschnittstemperatur 2024, die Rockström anspricht, zeigen noch weitere Indikatoren das Voranschreiten des Klimawandels.

Viele Folgen der Erwärmung seien bereits unumkehrbar, zumindest über hunderte oder tausende Jahre, heißt es im Bericht über den Zustand des Weltklimas der Weltwetterorganisation (WMO) – „State of the Global Climate 2023“. Dazu gehöre etwa der Eisverlust und der Meeresspiegelanstieg.

„Unser Planet sendet immer mehr Stresssignale aus“, warnt UN-Generalsekretär António Guterres.

Schlaglichter der globalen Klimaerwärmung

  • 2024 lag die globale Durchschnittstemperatur rund 1,55 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900), wie Klimaforscher schon im Januar berichtet hatten.
  • Die vergangenen acht Jahre verzeichneten jedes einen Rekord beim Wärmeinhalt der Ozeane. Die Messungen begannen 1960. Die Ozeane sind sehr bedeutend für das Klima der Erde, denn sie nehmen rund 90 Prozent der durch den Anstieg der Treibhausgase entstehenden Wärme auf.
  • Die drei vergangenen Jahre erreichten bei der saisonal geringsten Eisausdehnung in der Antarktis mit weniger als zwei Millionen Quadratkilometern neue Tiefpunkte. Die Messungen begannen 1979.
  • Die Gletscher weltweit verloren in den vergangenen drei Jahren so viel Masse wie nie zuvor in einer Dreijahresperiode seit Beginn der Messungen in den 70er Jahren.Der Meeresspiegelanstieg hat sich seit Beginn der Satellitenmessungen 1993 auf 4,7 Millimeter pro Jahr mehr als verdoppelt.

Klima: Träges System mit langem Gedächtnis

Beim Klima handelt es sich um ein träges System: Der Trend zu immer höheren Temperaturen würde auch im extrem unwahrscheinlichen Fall eines beendeten Treibhausgas-Ausstoßes noch jahrzehntelang anhalten.

Das Jahr 2024 war das erste seit Messbeginn, das weltweit im Schnitt über 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel gewesen ist. Damit war es zugleich das wärmste je gemessene Jahr. Im Pariser Klimaabkommen war 2015 vereinbart worden, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Das Abkommen bezieht sich auf Temperaturabweichungen, die über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren gemittelt werden. Zurzeit liegt der langfristige Wert je nach Berechnungsmethode nach Angaben der WMO zwischen 1,34 und 1,41 Grad über vorindustriellem Niveau.

Der besonders starke Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur 2023 und 2024 habe auch mit natürlich auftretenden Phänomenen wie dem Wettermuster El Niño und der Sonnenaktivität zu tun gehabt, heißt es in dem Bericht.

„1,5-Grad-Ziel ist längst gerissen“

„Ich finde es geradezu lächerlich, dass sich die Weltpolitik immer noch an dem 1,5-Grad-Ziel festhält. Das ist de facto doch längst gerissen“, erklärt der Klimaforscher Mojib Latif. Der Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre steige vielmehr weiter, teils sogar schneller als befürchtet.

Latif spricht von „Realitätsverweigerung“. Gegenwärtig sei man auf einem Erwärmungspfad von etwa drei Grad. Und selbst diese Marke werde nur dann nicht übertroffen, wenn bisherige Zusagen eingehalten würden.

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Erstellt:
25. März 2025, 18:02 Uhr
Aktualisiert:
25. März 2025, 18:27 Uhr

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