Christian Lindner

Polemik um telefonische Krankschreibung

Wird wirklich so viel blaugemacht? Corona brachte die telefonische Krankmeldung - jetzt wollen Arbeitgeber und der Bund sie womöglich kippen. Ärzte laufen Sturm gegen die drohende Abschaffung.

AU-Bescheinigung auf Papier.

© Jens Büttner/dpa/Jens Büttner

AU-Bescheinigung auf Papier.

Von Michael Maier

In Berlin spitzt sich die aktuelle Debatte um die telefonische Krankschreibung zu. Während Arbeitgeberverbände und Politiker wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Abschaffung fordern, verteidigen Ärztevertreter die Maßnahme vehement als medizinisch sinnvoll und notwendig.

Die Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, betont die positiven Aspekte der telefonischen Krankschreibung. Sie sieht darin eine der wenigen erfolgreichen Initiativen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens. Auch Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt spricht sich klar für die Beibehaltung der Regelung aus.

Telefonische Krankschreibung und Krankenstand

Die Kritiker, allen voran Arbeitgeberverbände, vermuten einen Zusammenhang zwischen der telefonischen Krankschreibung und dem aktuell hohen Krankenstand. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, äußert Bedenken hinsichtlich möglichen Missbrauchs und fordert eine Rückkehr zum früheren Verfahren.

Die Ärzteschaft weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Aus ihrer täglichen Praxiserfahrung könnten sie keine missbräuchliche Nutzung bestätigen. Im Gegenteil warnen sie, dass eine Abschaffung besonders in den Infektmonaten die Patientenversorgung gefährden würde. Die Praxen hätten nicht die Kapazitäten, zusätzliche Patienten für einfache Krankschreibungen zu empfangen.

Telefonische Krankschreibung in Deutschland

  • Vor 2020: Persönliche Vorstellung in der Arztpraxis war für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zwingend erforderlich.
  • März 2020: Einführung der telefonischen Krankschreibung als temporäre Maßnahme während der Corona-Pandemie, zunächst befristet für Atemwegserkrankungen.
  • April 2020 - Mai 2023: Mehrfache Verlängerungen der Sonderregelung je nach Pandemielage und Infektionsgeschehen.
  • Juni 2023: Nach dem Ende der pandemischen Lage zunächst komplett ausgesetzt.
  • 7. Dezember 2023: Wiedereinführung als dauerhafte Regelung unter bestimmten Bedingungen:
  • Nur für Patienten, die in der Praxis bekannt sind
  • Maximal 5 Tage Krankschreibung
  • Nur bei leichten Erkrankungen ohne schwere Symptome
  • Keine Verpflichtung der Ärzte zur Anwendung

Telefonische Krankschreibung seit Corona

Die während der Corona-Pandemie eingeführte Möglichkeit wurde im Dezember 2023 in eine dauerhafte Regelung überführt. Sie erlaubt Ärzten, bekannte Patienten mit leichten Erkrankungen telefonisch krankzuschreiben. Experten führen den aktuellen Höchststand bei Krankschreibungen vor allem auf vermehrte Atemwegserkrankungen zurück. Auch die zuverlässigere statistische Erfassung durch die elektronische Krankschreibung spiele eine Rolle. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer „Wachstumsinitiative“ eine Überprüfung der Maßnahme angekündigt – trotz der neuen Corona-Variante XEC.

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Erstellt:
28. Oktober 2024, 16:52 Uhr
Aktualisiert:
29. Oktober 2024, 08:37 Uhr

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