Polizeirazzia im Netzwerk der Anrufbetrüger

Laut Landeskriminalamt sollen 14 Finanzhelfer die Beute an die Hintermänner transferiert haben.

Von Wolf-Dieter Obst

Stuttgart - Wie gelangen eigentlich die riesigen Geldsummen, die falsche Polizisten oder falsche Enkel bei ihren Opfern abzocken, an die Drahtzieher des organisierten Telefonbetrug-Netzwerks? Diese Frage könnten 14 Verdächtige beantworten, die nun überraschend Besuch von der Polizei bekommen haben. Wie das Landeskriminalamt (LKA) am Mittwoch in Stuttgart mitteilte, gab es in den Morgenstunden eine bundesweite Razzia. Nach Informationen unserer Zeitung traf es auch einen Verdächtigen im Landkreis Göppingen.

„Damit ist das Netzwerk der Telefonbetrügereien weiter aufgehellt“, sagt die LKA-Sprecherin Lisa Schröder. Bei den sogenannten Finanzagenten handele es sich nicht um die eigentlichen Betrüger, die am Telefon ihre Opfer mit Schockanrufen einschüchtern oder sich als hilfsbedürftige Enkel oder Verwandte ausgeben. Vielmehr betreiben diese Verdächtigen eine Art Geldwäschestation: Sie nehmen erbeutetes Bargeld in Empfang und überweisen es über ihre eigenen oder speziell eingerichtete Konten an die Ebene der Bandenchefs, zumeist ins Ausland.

Wie weit die Finanzagenten über die Herkunft des Geldes Bescheid wissen, ist unklar. „Da gibt es ein breites Spektrum an Beschuldigten“, sagt die LKA-Sprecherin Schröder. Das zeigt auch das Alter: Die Verdächtigen sind zwischen 19 und 59 Jahre alt. Festnahmen oder gar Verhaftungen gab es keine. Bei den Razzien in 13 Objekten im Kreis Göppingen, in Bayern, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt wurden aber insgesamt ein Kilogramm Rauschgift, gefälschte Ausweise und 50 000 Euro sichergestellt. Außerdem haben die Beamten Unterlagen und Speichermedien beschlagnahmt, die weitere Erkenntnisse über das Netzwerk der Betrügerbanden liefern sollen.

Der eigentliche Ermittlungserfolg hat sich freilich bereits im Frühjahr dieses Jahres abgespielt. Unter dem Codewort „Pandora“ war die Polizei im Dezember 2023 auf die Spur eines großen Netzwerks gekommen – und konnte monatelang die Gespräche rund um die Uhr live abhören. Dabei kamen 1,3 Millionen aufgezeichnete Gespräche zusammen, die mehr als 100 Beamte im Schichtbetrieb rund um die Uhr belauschten. Bei 11 000 abgehörten Telefonaten mit strafrechtlichem Bezug konnten die potenziellen Opfer vorab gewarnt werden. In 6000 Fällen wurde laut LKA auf diese Weise ein Schaden von etwa zehn Millionen Euro verhindert.

Zum Artikel

Erstellt:
16. Oktober 2024, 22:09 Uhr
Aktualisiert:
17. Oktober 2024, 22:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen