Sensibler, digitaler, sportlicher: Bessere Polizeiausbildung

dpa/lsw Stuttgart. Wer für die Polizei künftig auf baden-württembergischen Straßen unterwegs ist, soll auf eine bessere Ausbildung vertrauen können. Das gilt auch für den Umgang mit sensiblen politischen Themen. Die Polizeiführung ist begeistert, die Gewerkschaft entsetzt.

Eine Polizistin steht in der Stuttgart Innenstadt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Eine Polizistin steht in der Stuttgart Innenstadt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Es betrifft nur eine vergleichsweise geringe Zahl von ihnen, aber immer wieder sorgen Ermittlungen gegen Polizisten unter anderem wegen Volksverhetzung und Rassismus für Aufsehen. Zuletzt wurde nach Vorwürfen gegen Führungskräfte wegen sexueller Belästigung eine neue Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet. Nun reformiert die baden-württembergische Polizei ihre Ausbildung und legt dabei vor allem auch Wert auf den sensibleren Umgang mit brisanten politischen Themen. Unter anderem werden vom

Demnach soll die Digitalisierung ebenso groß geschrieben werden wie die politische Bildung, Polizeikräfte sollen außerdem für das Thema Diskriminierung „in all seinen Facetten und Erscheinungsformen“ sensibilisiert werden, wie es hieß. Schon in den ersten Gesprächen vor der Einstellung und danach in der Ausbildung soll sehr viel genauer darauf geachtet werden, ob Bewerber Anzeichen für extremistische Tendenzen erkennen lassen, wie die Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Donnerstag) sagte. Die beiden Zeitungen hatten zuerst über die Details der Neuordnung berichtet.

Hinz will außerdem einen neuen Umgang mit Fehlern innerhalb der Polizei fördern. Sie erwartet nach eigenen Angaben „eine offene, aktive Fehlerkultur“. Es müsse das Bewusstsein für Fehlverhalten geschaffen und Kritikfähigkeit, Selbstreflexion sowie Selbstvertrauen vermittelt werden.

Neue Formen der Kriminalität im Internet stellten auch neue Anforderungen im Bereich der Digitalisierung, sagte Hinz weiter. Angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen wie Hass und Hetze oder Attacken auf Polizisten müssten Beamte psychologisch und kommunikativ geschult sein. Auch solle die neue Ausbildung mehr Raum für Berufsethik und interkulturelle Kompetenz lassen. Intensiviert werde auch der Umgang mit Medien. In Deutsch seien bei Bedarf Nachschulungen vorgesehen. Und auch der Sport soll gestärkt werden, das Praxis- und das Einsatztraining bekommen einen höheren Stellenwert.

Die Ausbildung im mittleren Polizeidienst soll künftig außerdem in Teilzeit möglich sein. So sollen Familie und Beruf besser zueinander passen, teilte das Innenministerium weiter mit. „Wir kämpfen um die besten Köpfe und stehen in Konkurrenz zu Unternehmen aus der Wirtschaft“, sagte Hinz. „Hier müssen wir wettbewerbsfähig sein.“ Die Reform der Ausbildung hat die Hochschule der Polizei seit dem Frühjahr 2021 vorbereitet. Auch die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung unter 4500 Beschäftigten fließen in die Neuordnung ein.

Dennoch zeigt sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) alles andere als begeistert von den neuen Ideen. „Natürlich ist es wichtig, Werte zu transportieren“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Ralf Kusterer der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Aber zum einen gewinnt man den völlig falschen Eindruck, alle Polizeikräfte seien verroht. Zum anderen kommt nach unserer Einschätzung die praktische Ausbildung der Polizisten, das wichtige Einmaleins im polizeilichen Alltag viel zu kurz.“ Die Ausbildung müsse deutlich stärker auf die operativen Aufgaben ausgerichtet sein, auf das Vorgehen bei Kontrollen, auf den Umgang mit Waffen und die Ermittlungsarbeit. Die vorgesehene Zeit dafür sei viel zu kurz.

Das sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ähnlich: „Praxis lernt man nur in der Praxis“, sagte ihr stellvertretender Landesvorsitzender Thomas Mohr. „Und der Polizeiberuf ist eben ein Erfahrungsberuf.“ Gut an der Reform seien dagegen eine Stärkung der Rechtschreibung und Änderungen beim Sport. Mit dem Umgang mit politischen Themen sind nach Einschätzung Mohrs die weitaus meisten Beamten vertraut: „Wer zur Polizei geht, der erkennt die demokratischen Spielregeln an.“

Allein in den vergangenen fünf Jahren sind in Baden-Württemberg rund 9000 junge Polizisten eingestellt worden. In diesem Jahr sollen laut Hinz 1400 weitere Anwärter hinzukommen. Insgesamt sind laut Landespolizeipräsidentin derzeit rund 25 000 uniformierte Polizisten in Baden-Württemberg im Dienst.

© dpa-infocom, dpa:220217-99-169010/3

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Erstellt:
17. Februar 2022, 10:18 Uhr

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