Die Dynastie, die bei VW das Sagen hat
Porsche und Piëch – eine Familie zwischen Streit und Höhenflug
Der Porsche/Piëch-Clan hat in der deutschen Autoindustrie unvorstellbar viel Macht. Sein Vermögen beläuft sich auf bis zu 30 Milliarden Euro. Ohne die Mitglieder der Großfamilie kann bei Volkswagen und Porsche keine Entscheidung getroffen werden.
Von Matthias Schmidt
Die Familie Porsche/Piëch ist die mächtigste Familie in der deutschen Autoindustrie. Seit 1972 sind ihre Mitglieder zwar nicht mehr im Vorstand des Sportwagenbauers vertreten - dafür sitzen sie aber in den Aufsichtsräten von Porsche und VW. Die österreichisch-deutsche Sippe bildet eine Macht, gegen die keine wesentliche Entscheidung fallen kann. Und das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben.
Ferdinand „Ferry“ Porsche, der Sohn des gleichnamigen Firmengründers aus Maffersdorf in Böhmen, ist in den 1960ern der Chef in Zuffenhausen. Er hat nach dem Krieg einen lukrativen Vertrag mit VW ausgehandelt. Für jeden Käfer, der verkauft wird, erhält Porsche fünf Mark, ein Entgelt für die Konstruktionsleistung des Vaters. Ferry selbst legt 1948 mit dem Modell 356 den Grundstein für die Sportwagenproduktion unter eigenem Namen. Seine Schwester Louise, verheiratete Piëch, führt derweil die Porsche Holding in Salzburg, die Generalvertretung von VW. Vermögen und Gewinne sind 50 zu 50 auf beide verteilt.
Die Spannungen wachsen, bis es zum Bruch kommt
Auch die dritte Generation nimmt wichtige Posten ein: Ferdinand Alexander („F. A.“) prägt mit der Linienführung des Erfolgsmodells 911 von 1963 auf Jahrzehnte hinaus das Porsche-Design. Sein Bruder Hans-Peter wird 1966 Produktionschef. Aus der weiblichen Linie mischen zwei weitere Enkel des Gründers mit: Hans Michel Piëch leitet den Vertrieb, sein Bruder Ferdinand Piëch die Entwicklungsabteilung, ein Machtmensch mit legendärem Sturschädel.
Es knarzt mächtig im Getriebe. Symbolisch dafür steht ein Auto: Mit dem Seriensportwagen 917 erreicht Ferdinand Piëch 1970 zwar sein proklamiertes Ziel, den ersten Gesamtsieg für Porsche im 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Die Kosten aber bringen die Firma an den Rand des Ruins. Die Spannungen in der Familie nehmen zu. Ferry Porsche ruft zum Konklave am Stammsitz Schüttgut, einem Bauernhof bei Zell am See in Österreich. Externe Berater sollen dem Clan einen Ausweg aus den Reibereien weisen. Sie finden nur eine Lösung: Die Familie muss das Ruder abgeben.
Ferdinand Piëch geht auf die Ochsentour und heuert bei Audi an
Ferry Porsche setzt den Rat entschlossen um – was nicht bei allen Beteiligten auf Begeisterung stößt. Er wechselt an die Spitze des Aufsichtsrates, bei Porsche wird der Motorenkonstrukteur Ernst Fuhrmann erster externer Vorstandschef. Ferdinand Piëch geht unterdessen auf die Ochsentour und heuert als Abteilungsleiter bei Audi an. Sein Weg wird ihn am Ende an die Spitze des VW-Konzerns führen.
1983 verschiebt sich erstmals die Vermögensbalance zwischen den Stämmen. Auslöser: der „Ernst-Fall“. Ernst Piëch, das älteste der vier Kinder von Louise Porsche, überhebt sich mit Immobilien und verkauft seine Anteile an einen arabischen Investor, ohne die Familie einzuweihen. Beim verzweifelten Rückkauf kann die Porsche-Seite mehr Geld aufbringen. Heute liegen drei Viertel des Vermögens beim Porsche-Stamm und 25 Prozent bei den Piëchs. Das Gesamtvermögen wird auf 25 bis 30 Milliarden Euro geschätzt.
Die Porsche SE hat bei Volkswagen das Sagen
Der Autohersteller Porsche geht durch große Höhen und Tiefen, der Clan aber weiß seinen Einfluss zu mehren. Im Wolfsburger Volkswagenkonzern verfügt die börsennotierte Holding Porsche SE, in der die Familien das Sagen haben, heute über 53 Prozent der Stimmrechte. Bei der Porsche AG hält sie seit dem Börsengang 2022 mit 25 Prozent plus einer Aktie eine Sperrminorität. Praktische Auswirkung: Wenn hier oder dort ein neuer Vorstandschef installiert wird, kann es keine Entscheidung gegen die Familienstämme geben.
Die weit verzweigte, zu großen Teilen in Österreich lebende Familie trifft sich in unterschiedlichen Konstellationen regelmäßig. Nach außen dringt davon wenig bis nichts. Seit Jahren managen Wolfgang Porsche (81) und Hans Michel Piëch (82) ihre Interessen ohne öffentliche Konflikte. Früher oder später wird wohl Ferdinand Oliver Porsche (63) aus der 35-köpfigen Urenkelgeneration die Sprecherrolle im Porsche-Stamm übernehmen, er gehört den entscheidenden Gremien schon seit Jahren an. „Falls mir einmal ein Ziegel auf den Kopf fällt, ist für die Nachfolge gesorgt“, sagte Wolfgang Porsche dazu. Auf Piëch-Seite könnte die Wahl auf den Medienunternehmer Stefan Piëch (52) fallen.
Aber auch jüngere Familienmitglieder sprechen längst ein wichtiges Wort mit, vor allem der Waldorfpädagoge und Unternehmer Peter Daniell Porsche (50) – und seit Kurzem auch Sophie Piëch. Die 30 Jahre alte Biochemikerin rückte vor wenigen Monaten in den Aufsichtsrat der Porsche Holding ein.
Der Gründer
Beginn Ferdinand Porsche, geboren 1875 im nordböhmischen Maffersdorf (heute Vratislavice in Tschechien), gestorben 1951 in Stuttgart, hat im Dezember 1930 die „Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH“ gegründet, ein Konstruktionsbüro mit Sitz in der Stuttgarter Kronenstraße. Der Autodidakt war zuvor unter anderem für Daimler und Steyr tätig. Im eigenen Unternehmen konstruierte er zunächst Fahrzeuge im Auftrag anderer Hersteller, unter anderem Zündapp, NSU, Wanderer und Auto-Union.
Aufstieg Während der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945) suchte Porsche aktiv die Nähe zu Adolf Hitler, um Aufträge zu erhalten. So wurde er mit der Konstruktion des „Kraft-durch-Freude“-Wagens betraut, der nach dem Krieg als VW Käfer millionenfach verkauft wurde. Den Grundstein zur Serienproduktion unter eigenem Namen legte 1948 sein Sohn „Ferry“ Porsche mit dem Sportwagen 356.