EU verbietet Produkte aus Zwangsarbeit

Produkte aus moderner Sklaverei soll es in der EU nicht mehr geben

Die Europäische Union hat ein Verbot von Produkte aus Zwangsarbeit auf ihrem Markt beschlossen. Es ist das erste EU-Gesetz, das Einfuhr, Ausfuhr und Verkauf von Produkten aus moderner Sklaverei bekämpfen soll.

Eine Uigurin erntet Baumwolle in der chinesischen Provinz Xinjiang. In der Region sind zahlreiche Fälle staatlicher Zwangsarbeit dokumentiert (Symbolbild).

© //Joerg Boethling

Eine Uigurin erntet Baumwolle in der chinesischen Provinz Xinjiang. In der Region sind zahlreiche Fälle staatlicher Zwangsarbeit dokumentiert (Symbolbild).

Von Jana Gäng

Das Europäische Parlament hat am Dienstag ein Gesetz angenommen, das Produkte aus Zwangsarbeit auf dem europäischen Markt verbietet. „Vor mehr als 150 Jahren wurde der Sklavenhandel abgeschafft. Doch Zwangsarbeit gibt es noch heute“, sagte der schwedische Abgeordnete Ilan de Basso am Tag vor der Entscheidung. Es ist das erste EU-Gesetz, das Einfuhr, Ausfuhr und Verkauf von Produkten aus moderner Sklaverei bekämpfen soll.

Zudem soll das Gesetz Wettbewerbsvorteile für Unternehmen beenden, die Billigpreise auf Kosten Zwangsarbeitender anbieten. Verglichen mit einem Importbann der USA kritisieren einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) das EU-Gesetz aber als schwächer.

28 Millionen Menschen sind Opfer von Zwangsarbeit

Weltweit sind 28 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation – darunter viele Frauen und Kinder. 217 Milliarden Euro im Jahr verdienen demnach Unternehmen mit Produkten aus Zwangsarbeit, 37 Prozent mehr als noch 2014. Die Waren landen auch in Supermärkten, Mode- und Spielwarengeschäften in der EU.

Mit dem Verbot nimmt das Gesetz die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission in die Pflicht, Verdachtsfälle zu untersuchen. Können sie entlang der Lieferkette Zwangsarbeit nachweisen, muss das Produkt vom Markt genommen und zerstört, recycelt oder gespendet werden. Das nötige Level an Beweisen für eine Sanktion sei im EU-Gesetz allerdings höher als in einer entsprechenden US-Regelung, kritisieren NGOs.

Dass es in der EU nicht die Unternehmen sind, die im Verdachtsfall Lieferketten ohne Zwangsarbeit nachweisen müssen, war ein Wunsch der Liberalen. „Wir konnten eine Beweislastumkehr verhindern, die die staatliche Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten auf Unternehmen abgewälzt hätte“, sagte die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn.

Landwirtschaft, Textil- und Autoindustrie als Risikobranchen

Anhaltspunkte für Ermittlungen soll eine Datenbank verdächtiger Unternehmen, Produkte und Regionen bieten. „Wir wissen, dass das Risiko in der Landwirtschaft beim Anbau von Kaffee, Baumwolle und Zuckerrohr besonders hoch ist, ebenso in den Sweatshops der Textilindustrie, beim Fischfang, in der Autoindustrie, bei Spielzeugen, Solarzellen und Rohstoffen“, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Nicht immer sind die Probleme weit weg: In Spanien und Italien stellte eine Studie des Europäischen Parlaments im Jahr 2018 Fälle ausgebeuteter Erntehelferinnen aus Marokko und Rumänien fest.

Die meiste Ausbeutung findet im privaten Sektor statt. Wichtig sei dem Parlament aber eine spezielle Regelung staatlicher Zwangsarbeit gewesen, sagte Cavazzini: „Wir wollten einen stärker automatisierten Bann, sind staatliche Zwangsarbeitsfälle in einer Region bekannt. Denn es ist für Behörden quasi unmöglich, etwa in die chinesischen Lager für Uiguren zu blicken.“ Auch in der Diktatur Myanmar oder bei der Baumwollernte in Zentralasien zwinge der Staat Menschen zur Arbeit. Anders als ein US-Gesetz, das seit 2022 Importe chinesischer Waren aus der Uiguren-Provinz Xinjiang verbietet, richtet sich das EU-Verbot nicht explizit gegen China. Menschenrechtsorganisationen dokumentieren seit Langem, dass die chinesische Regierung Uiguren in Lagern festhält und zur Zwangsarbeit nötigt – etwa in der Produktion von Solarzellen oder Kleidung.

In US-Häfen steckten im Februar rund 13 000 Autos des Volkswagen-Konzerns fest, darunter Audi, Porsche und Bentley. Ein VW-Zulieferer hatte darin ein Teil aus Westchina verbaut, das daher unter Zwangsarbeitsverdacht stehe, so Medienberichte. Gemeint sein dürfte Xinjiang. Volkswagen habe nachträglich davon erfahren, die Behörden informiert und das Teil austauschen lassen. In Xinjiang betreibt VW zudem ein Werk in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Saic.

Ob mit einem EU-Gesetz ähnliche Fälle auf dem europäischen Markt drohen, kommentierte ein Volkswagen-Sprecher auf Anfrage nicht direkt. „Der Volkswagen Konzern lehnt jede Form von Zwangsarbeit entschieden ab“, hieß es stattdessen. Man begrüße die auf den europäischen Markt bezogene Regulierung, da sie weltweit helfe, gegen Zwangsarbeit vorzugehen. In Anerkennung der eigenen unternehmerischen Verantwortung und Sorgfalt gegenüber Menschenrechtsverletzungen habe Volkswagen Prozesse, Richtlinien, Maßnahmen und Lieferantenstandards eingeführt, um Konzern und Geschäftspartner in die Pflicht zu nehmen und arbeite ständig daran, diese zu verbessern, so der Sprecher.

Nur Deutschland, Ungarn und Lettland stimmten nicht dafür

Mit einem „Marathon“ verglich die Abgeordnete Samira Rafaela das Gesetz – wohl ein Seitenhieb in Richtung der nationalen Regierungen, die bei den Verhandlungen aus Sicht des EU-Parlaments Abstriche forderten. So entfiel eine verpflichtende Wiedergutmachung für Opfer. Eine Liste kritischer Rohstoffe wurde zur Ausnahme. Hier haben Unternehmen eine Frist, Zwangsarbeit aus der Lieferkette zu entfernen. Im März 2024 erzielten Parlament und Rat eine Einigung. Bis zuletzt hatte die FDP das Gesetz blockiert. Die deutsche Regierung enthielt sich daher bei der Abstimmung im Rat.

Trotz Abschlägen: Gemeinsam mit dem Lieferkettengesetz könnte das Verbot zum Meilenstein im Kampf gegen Ausbeutung werden, sagt Ryan Corless von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation EJF: „Es wird darauf ankommen, wie strikt Staaten und Kommission das Gesetz umsetzen.“

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Erstellt:
23. April 2024, 15:32 Uhr

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