Kahlschlagpläne
Protest gegen Abbau bei Bertrandt
Die Beschäftigten in Nufringen kämpfen für die Erhaltung ihres Standorts. Betriebsrat: „Kurzarbeit wäre eine Alternative zur Schließung.“
Von Ulrich Schreyer
Die Beschäftigten der Fahrerprobung des Fahrzeugentwicklers Bertrandt kämpfen weiter für die Erhaltung ihres Standortes Nufringen bei Böblingen. Der Betriebsratsvorsitzende dieses Standorts, Holger Lung, warf der Geschäftsleitung des Unternehmens vor, die Beschäftigten „nur als Zahlen“ zu sehen, „ohne Rücksicht auf Existenzen und soziale Verantwortung“. Zudem habe diese den Betriebsrat nicht ausreichend über die tatsächliche Lage bei dem Fahrzeugentwickler informiert, sagte Lung in seiner Rede vor dem Firmensitz in Ehningen bei Böblingen. „Wenn die Konzernleitung so sicher ist, dass ihre Entscheidungen unvermeidbar sind, dann stellen Sie sich der Belegschaft und erklären Sie ihre Beweggründe“, forderte Lung.
Weniger Aufträge von Autoherstellern
Das Unternehmen will den Standort Nufringen, an dem etwa 130 Beschäftigte Fahrzeuge testen und erproben, bis Ende Januar schließen. Als Grund werden sinkende Auftragseingänge aus der Autoindustrie genannt. „Wir haben mit einer veränderten Vergabepolitik gerechnet und uns darauf eingestellt“, hatte Vertriebsvorstand Michael Lücke im Oktober zu den Plänen für den Stellenabbau erklärt. Man habe aber nicht erwartet, dass die Aufträge so schnell und so stark reduziert würden.
Detlef Schwoon, Sekretär der IG Metall in Stuttgart, sagte bei der Protestkundgebung, die Beschäftigten in Nufringen hätten jahrelang engagiert für das Unternehmen gearbeitet. „Ihr habt natürlich erwartet, dass die Firma ähnlich treu zu euch steht, wenn es mal hart auf hart kommt.“ Das Gegenteil sei aber der Fall: „Anstatt Kurzarbeit anzumelden, wie es der Betriebsrat fordert, wollen sie euch einfach rausschmeißen“, rief Schwoon den Beschäftigten zu. Wenn immer mehr Stellen bei Autoherstellern und Zulieferern gestrichen würden, gebe es auch keine freien Arbeitsplätze mehr, auf die man sich durch eine Qualifizierung in einer Transfergesellschaft bewerben könne.
Abbau nicht nur in Nufringen
Die geplante Schließung des Standorts Nufringen ist Teil eines massiven Abbauprogrammes. Bei diesem sollen zwischen 800 und 1200 Stellen bei Bertrandt gestrichen werden. Weltweit zählt Bertrandt etwa 14 000 Beschäftigte, davon mehr als 70 Prozent in Deutschland. Besonders betroffen ist Tappenbeck bei Wolfsburg, wo etwa 600 Stellen gestrichen werden sollen. Zu einzelnen Standorten in Baden-Württemberg neben Nufringen gab das Unternehmen bisher keine Erklärung ab. Das gilt auch für den Firmensitz Ehingen mit seinen etwa 1300 Beschäftigten. Die Gesamtleistung im Geschäftsjahr 2022/23, das am 30. September 2023 endete, lag bei 1,6 Milliarden Euro. Für das am 30. September 2024 beendete Geschäftsjahr war zwar mit einer leichten Steigerung der Gesamtleistung, aber mit einem sinkenden Ertrag gerechnet worden. Näheres will die Bertrandt AG bei ihrer Bilanzpressekonferenz in der kommenden Woche bekannt geben.