Quantensprung für die Stadtbücherei Backnang

Die Backnanger Bibliothek ist nun mit einer digitalen Außenrückgabe und zwei Entleihstationen zum selbstständigen Verbuchen ausgestattet. Bald kommt eine Station vor dem Gebäude hinzu, die auch das Ausleihen von Büchern und Co. zeitunabhängig und diskret ermöglicht.

Marion Busch und Maximilian Friedrich testen die neue Außenrückgabe der Bücherei Backnang. Ihre entliehenen Bücher werden sekundenschnell nach innen zu Johannes Ellrott und Kerstin Drösler transportiert. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Marion Busch und Maximilian Friedrich testen die neue Außenrückgabe der Bücherei Backnang. Ihre entliehenen Bücher werden sekundenschnell nach innen zu Johannes Ellrott und Kerstin Drösler transportiert. Fotos: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Begeistert testet Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich das neue Gerät zur Bücherrückgabe an der Stadtbücherei. Er scannt seinen Bibliotheksausweis und legt ein entliehenes Buch in die Öffnung außerhalb des Gebäudes. Ein kurzes Laufband transportiert den ausgeliehenen Band ins Innere der Bibliothek, wo er in eine Kiste fällt. Gleichzeitig liest das Gerät per Funk den Chip aus, der sich im Buch befindet, und verbucht es direkt als zurückgegeben im System. Diese Technologie nennt sich Radio Frequency Identification, kurz RFID. „Das ist ein Sprung vom 20. ins 21. Jahrhundert“, freut sich Sport- und Kulturamtsleiter Johannes Ellrott und auch seine Mitarbeiterin Kerstin Drösler ist froh, dass endlich auch in Backnang das moderne System Einzug gehalten hat.

Der Automat sortiert die Medien in den passenden Behälter. Bibliotheksleiterin Marion Busch erklärt: „In den ersten Waggon kommen die Bücher, in den zweiten die audiovisuellen Medien und in den dritten die Medien, die schon wieder von anderen Personen reserviert sind und daher nicht eingeräumt werden müssen.“ Durch diese Vorsortierung wird den Mitarbeitern der Stadtbücherei künftig einiges an Arbeit erspart. Für die Kunden bietet das Gerät zudem eine diskrete und schnelle Rückgabe ihrer Medien. So hatte es zuvor bereits die Rückgabebox ermöglicht. Dort konnten die Besucher ihre entliehenen Titel ebenfalls außerhalb der Öffnungszeit abgeben. Ins System als zurückgegeben verbucht wurden sie allerdings im Zweifel erst am darauffolgenden Tag, wenn die Bibliotheksmitarbeiter sie händisch eingescannt hatten.

Im neuen Jahr wird noch eine Abholstation eingerichtet

Ab heute ebenso möglich ist eine schnelle und diskrete Ausleihe an den zwei dafür vorgesehenen Selbstverbuchungsterminals neben dem Serviceschalter. Friedrich legt zur Vorführung des Geräts einen Stapel von etwa fünf Büchern auf die Vorrichtung, die dadurch alle gleichzeitig eingescannt und im System verbucht werden. Lange Warteschlangen werden sich hier wohl kaum bilden. Neben der Geschwindigkeit bieten die Schalter weitere Vorteile: So können die Nutzer den aktuellen Stand ihres Bibliothekskontos einsehen, also welche Medien sie bereits entliehen haben und wann sie diese zurückgeben müssen. Die entliehenen Titel können so auch direkt verlängert werden und Quittungen lassen sich papiersparend per E-Mail schicken, wenn man das möchte. Neben den zwei Ausleihstationen soll ab Anfang nächsten Jahres auch ein EC-Gerät zur bargeldlosen Zahlung von anfallenden Gebühren hinzukommen.

Die neuen Ausleihterminals verbuchen mehrere Bücher gleichzeitig.

© Alexander Becher

Die neuen Ausleihterminals verbuchen mehrere Bücher gleichzeitig.

Marion Busch demonstriert einen weiteren Vorteil und fährt einen der Terminals hoch und runter. So können zum Beispiel auch Menschen, die im Rollstuhl sitzen, ohne Probleme die Ausleihstation bedienen. Außerdem lassen sich verschiedene Sprachen einstellen. Ebenfalls erneuert hat die Stadtverwaltung die Gates am Ausgang der Bücherei. Hat jemand seine Medien nicht im System verbucht, schlagen sie Alarm. Wer nicht direkt mit dem neuen System zurechtkommt, bekomme selbstverständlich Hilfe vom Personal, versichert Ellrott. Die Mitarbeiter der Stadtbücherei haben dank des automatischen Aus- und Rückgabesystems von nun an sogar mehr Zeit zur Verfügung, den Backnangern in der Bibliothek beratend zur Seite zu stehen. „Der persönliche Kontakt bleibt erhalten.“

Ein großer Gewinn ist laut den Verantwortlichen die nun gewonnene Diskretion. Denn an den Schaltern können die Besucher sich jegliche Medien ausleihen, ohne dass eine zweite Person den Titel sieht. Ein Ratgeber, wenn die Scheidung vor der Tür steht, lässt sich beispielsweise ganz diskret mit nach Hause nehmen.

Im neuen Jahr hinzukommen soll schließlich noch die ebenfalls RFID-basierte Click-and-Collect-Station. Wie bei einer Paketstation können die gewünschten Medien online bestellt und dann bei dem Schrank vor der Bücherei abgeholt werden. Mit dem Büchereiausweis und einer PIN-Nummer kann der Kunde dann das vorgesehene Schließfach öffnen und sein Leihmedium herausnehmen. Die Abholstation soll im Januar oder Februar bereitstehen.

Die Kosten blieben im Rahmen

„Gerade bei den Elektrogeräten ist die Lieferung derzeit schwierig“, erklärt Ellrott die leichte Verzögerung des Click-and-Collect-Schranks sowie des EC-Kartengeräts. „Da haben wir noch Glück gehabt.“ Das gilt auch für die Kosten, denn die sind fast im Rahmen dessen geblieben, was im Haushalt veranschlagt wurde: Knapp 67000 Euro hat die Stadtverwaltung in den Umstieg auf die RFID-basierte Verbuchung investiert. Der Bund steuert darüber hinaus Fördergelder in Höhe von etwa 48000 Euro bei. Neben den einmaligen Investitionen ergeben sich mit dem digitalen System laufende Kosten in Höhe von 2900 Euro pro Jahr. Damit werden etwa die Lizenzen für die notwendige Software bezahlt. Die Gebühren für die Nutzer sollen dennoch gleich bleiben.

Die Stadtbücherei Backnang sei mit ihren 40000 Medien und durchschnittlich 450 Besuchern pro Tag eine zentrale Einrichtung für die Bürger, sagt Friedrich und betont, wie wichtig es ist, Bildung für alle Menschen zugänglich zu machen. Für ihn stellen die neuen Geräte einen Baustein von vielen dar, um zu einer barrierefreien Gesellschaft und einem niedrigschwelligen Bildungsangebot beizutragen. Der OB erinnert in diesem Zusammenhang an die Möglichkeit für Personen aus finanziell schwachen Haushalten, einen Familien- und Kulturpass zu beantragen und damit nur 7,50 Euro statt der üblichen 15 Euro jährlich für den Bibliotheksausweis zu zahlen.

Stadtbücherei soll zum Begegnungsort werden

„Wir arbeiten fortläufig daran, die Bibliothek in einen Dritten Ort zu verwandeln“, sagt Friedrich weiter. Sie soll zusätzlich zum privaten Rückzugsort und zum Arbeitsplatz ein Begegnungs- und Aufenthaltsraum für die Gesellschaft sein.

Nicht zuletzt der OB und das Kulturamt haben sich dieses Ziel auf die Fahne geschrieben. „Wir sind am Beginn dieser Reise“, sagt Ellrott. Im neuen Jahr werden diesbezüglich Ideen gesammelt, wie die Stadtbücherei in diesen Ort des Austauschs verwandelt werden kann. Die Digitalisierung des Verleihsystems war dafür der erste Baustein – immerhin hat die Bibliothek, seit sie 1996 in das Gebäude im Biegel eingezogen ist, kaum mit den technischen und gesellschaftlichen Veränderungen Schritt gehalten. Für die Ideenfindung zur Umgestaltung der Bücherei waren im Sommer sogar Kinder gefragt. Unter dem Titel „Wunsch-Bibliothek“ haben die jungen Backnanger im Rahmen eines Podcast-Workshops ihre Vorstellungen formuliert. Nächstes Jahr sollen die Zielgruppen der Stadtbücherei dann zunächst analysiert werden, sagt Marion Busch, um anschließend ein Konzept auszuarbeiten.

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Erstellt:
13. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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