Rauhnächte: Die besondere Zeit zwischen den Jahren

Es gibt viel Aberglaube rund um die Rauhnächte. Naturparkführerin Michaela Köhler erklärt, warum es bei ihren Wanderungen zu dem Thema mehr um den Abschluss des alten und die Planung des neuen Jahres geht.

Manche widmen sich in der Zeit zwischen den Jahren Räucherritualen und Meditation. Symbolfoto: Sonja Birkelbach/stock.adobe.com

© Sonja Birkelbach - stock.adobe.com

Manche widmen sich in der Zeit zwischen den Jahren Räucherritualen und Meditation. Symbolfoto: Sonja Birkelbach/stock.adobe.com

Von Kristin Doberer

Großerlach. Zwischen den Jahren, also von Weihnachten bis Anfang Januar, soll man keine Wäsche waschen, sonst gibt es Unglück für das neue Jahr. Diesen Brauch kennen wohl einige Menschen. Doch rund um diese Zeit, die sogenannten Rauhnächte – oder auch Raunächte – ranken sich noch allerlei Mythos, Aberglaube und Rituale. Viele von ihnen seien aus einer ganzen Reihe von Vermischungen verschiedener Kulturen entstanden und gehen zurück bis in die Zeit der Kelten, erzählt Naturparkführerin Michaela Köhler aus Großerlach. Dass es genau zwölf Nächte sind, komme durch die Umstellung vom Mondkalender auf den gregorianischen Kalender, denn nach der Umstellung gab es zwölf zusätzliche Tage. Abhängig von der Region starten sie am 21. oder 25. Dezember.

Als Naturparkführerin, aber auch als Limes Cicerone, beschäftigt sie sich schon sehr lange mit den Rauhnächten, aber auch mit anderen alten Bräuchen, besonders die Kelten mit ihren keltischen Jahreskreisfesten faszinieren sie. „Sie mussten alles, was sie zum Leben brauchen, selbst herstellen. Sie wussten genau, welcher Strauch oder Baum für welche Medizin genutzt werden kann“, erzählt sie von ihrer Faszination. „Sie wussten deshalb genau um die Kostbarkeit der Natur und sind viel achtsamer mit ihr umgegangen.“

Für sie hat die sogenannte Zeit „zwischen den Jahren“ deshalb auch nicht unbedingt nur etwas mit kuriosen Regeln und abergläubischen Bräuchen zu tun. „Da gibt es ja alle möglichen Vorhersagen für das neue Jahr: Wenn man sich an Heiligabend dreimal unbemerkt in den Hühnerstall schleichen kann, solle man im kommenden Jahr unbemerkt stehlen können oder Glück haben“, nennt sie nur ein Beispiel. Man solle die Haare und Fingernägel nicht schneiden, heißt eine weitere Regel, sonst bekomme man im neuen Jahr schlechte Finger und Kopfschmerzen. „Diese ganzen Dinge sind erst später entstanden“, sagt Michaela Köhler. „Die Christen wollten Menschen davon abhalten, weiterhin die alten Feste zu feiern. Ein ursprünglich segensreicher Sinn wurde dämonisiert.“

Für sie gehe es in den Rauhnächten deshalb auch nicht um skurrile Regeln, sondern um andere Dinge: Der Natur wieder näher kommen, ihr mit Achtsamkeit begegnen, mit dem vergangenen Jahr abschließen und positiv in das neue blicken. Da geht es viel um Selbstfürsorge und Achtsamkeit. Deshalb gibt sie zum Beispiel bei Wanderungen oder Vorträgen zu den Rauhnächten auch immer eine Art Fahrplan für diese zwölf Tage mit. „Am ersten Tag soll man alles Alte ablegen“, sagt sie. Zum Beispiel, indem man sich an das vergangene Jahr erinnert und für jeden Monat bedeutende Ereignisse – positive wie negative – Revue passieren lässt. Das kann auch im Familienkreis passieren. „Da kann dann jeder seinen Senf dazugeben, man kann mit den Dingen abschließen und etwas neues kann beginnen.“

In den Rauhnächten soll man sich selbst und der Natur annähern können

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An anderen Tagen soll man still werden, das heißt mal ohne Radio, Podcasts oder Fernseher den Tag verbringen. „Man muss die Stille auch aushalten können“, sagt Köhler. Viele Menschen hätten Angst vor der Stille, sie betäuben sich und ihre inneren Gedanken gewissermaßen mit dem ständigen Lärm um sich herum. Das solle man ganz bewusst mal ablegen.

An wieder anderen Tagen solle man sich für Unbekanntes öffnen, anderen Menschen vergeben, Gefühle bewusst wahrnehmen, dankbar sein und Herzensziele formulieren. Viel gehe es auch darum, das kommende Jahr gewissermaßen zu ordnen und zu planen. Man solle sich an Ziele und Wünsche erinnern und sich konkret überlegen, welche man wie noch umsetzen kann. „Am achten Tag soll man Entscheidungen treffen“, nennt Köhler ein weiteres Beispiel. „Man soll ungute Bindungen, zum Beispiel Freundeskreise, Nachbarn oder sogar die Arbeitsstelle, erkennen und einen Plan machen, wie man sich davon im kommenden Jahr lösen kann.“ Das heißt nicht, dass man impulsiv gleich Kündigungsschreiben verfassen sollte, sondern sich lediglich bewusst machen, welche Dinge einen daran hindern, das zu erreichen, was man sich vornimmt. In den sozialen Medien würde man das wohl „selfcare“, also Selbstfürsorge, nennen. Dazu passt auch das Thema des fünften Tages. „Man soll den eigenen Körper heiligen“, erklärt die Großerlacherin. Also mal nicht jammern, sondern dankbar sein, dass der eigenen Körper funktioniert, und ihm etwas Gutes tun. „Das kann ein Vollbad sein oder eine Massage.“

Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit den Rauhnächten. Das zeigen nicht nur tausende Beiträge auf Social Media, wo zahlreiche Influencerinnen Anleitungen zu Meditationen oder Räucherritualen speziell für diese zwölf Nächte veröffentlichen.

Auch die gut besuchten Vorträge und Wanderungen der Naturparkführer zu dem Thema sind ein Indiz für das zunehmende Interesse an den Rauhnächten. „Da gibt es gerade auf jeden Fall eine Wandlung“, sagt Michaela Köhler. Sie hält schon lange Vorträge dazu, früher sei man ihr zum Teil recht skeptisch begegnet, in manchen Kreisen habe man sie „angeschaut, wie eine Hexe“. Das habe sich aber verändert.

Woran könnte das liegen? „Viel mehr Menschen wollen sich wieder mit der Natur vertraut machen“, ist die Naturparkführerin überzeugt. Gerade durch die „ungute Zeit“ voller Krisen und Naturkatastrophen beschäftigen sich mehr Menschen damit, wie sie achtsam mit sich und der Umwelt umgehen können.

Wanderung Bei ihrer Wanderung „Start in das neue Jahr“ erzählt Michaela Köhler den Teilnehmern davon, was die Altvorderen so alles wussten. Ergänzend werden Lieder gesungen, Gedichte und Geschichten erzählt. Die Wanderung findet am 1. Januar um 14 Uhr statt, Treffpunkt ist der Parkplatz am Spiel- und Grillplatz im Mainhardter Teilort Mönchsberg. Aktuell sind nur noch drei Plätze frei. Anmelden kann man sich unter der Nummer 0160/3557831.

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Erstellt:
29. Dezember 2023, 11:00 Uhr

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