Amokfahrt in Mannheim mit zwei Toten

Rechtsextreme Vergangenheit des Todesfahrers? Das sagen die Ermittler

Eine antifaschistische Rechercheplattform legt nahe, dass der Tatverdächtige von Mannheim zumindest früher Kontakte zur rechtsextremen Szene pflegte. Die Ermittler gehen diesen Spuren nach, warnen aber vor vorschnellen Schlüssen.

Trauerstelle in der Mannheimer Fußgängerzone. Was trieb den Täter an?

© dpa/Uli Deck

Trauerstelle in der Mannheimer Fußgängerzone. Was trieb den Täter an?

Von Sascha Maier

Nachdem ein 40-Jähriger mit einem Auto in Mannheim in eine Menschenmenge gerast war, wobei zwei Menschen getötet wurden, dauerte es am Montag nicht lange, bis die Ermittler erste Ergebnisse mitteilten: Landschaftsgärtner soll der Tatverdächtige sein, kinderlos, wegen Hassrede im Internet und Trunkenheit am Steuer vorbestraft, außerdem würden konkrete Hinweise auf psychische Erkrankungen vorliegen. „Wir haben zur Stunde, was die konkrete Motivation der Tat angeht, auch keine Hinweise auf einen extremistischen oder religiösen Hintergrund“, sagte Innenminister Thomas Strobl am Montagabend während einer Pressekonferenz.

Ein Bericht der Rechercheplattform „EXIF“, die anonym von linken Aktivisten betrieben wird, legt zumindest nahe, dass der Tatverdächtige vielleicht doch nicht ganz so unpolitisch war, wie der Anschein erweckt wurde. Demnach pflegte der Mann, gegen den wegen zweifachen Mordes ermittelt wird und der sich inzwischen in Untersuchungshaft befindet, in der Vergangenheit Kontakte zur rechtsextremen Szene.

2018 bei Demo von Rechtsextremen?

Die Quellenlage der „EXIF“-Recherche ist an vielen Stellen intransparent, außerdem habe sich demnach alles vermeintlich Nachweisliche vor dem Jahr 2018 abgespielt. Dabei geht es vor allem um die Listung in Kontaktverzeichnissen eines rechtsextremen Netzwerks, in welche die Rechercheure Einblick haben wollen und in denen der Tatverdächtige als „persönlich bekannt“ geführt worden sein soll. Außerdem zeige ein Foto ihn bei einer Demo von Rechtsextremen und Reichsbürger im Oktober 2018 in Berlin.

Überprüfen ließen sich die Recherchen im Detail zunächst nicht. Auch, weil den Ermittlern der „EXIF“-Bericht zwar bekannt ist, sie sich im Detail aber nicht weiter dazu äußern wollten.

Über die Motivation der Tat am 3. März 2025, sieben Jahre später, sagt das womöglich ohnehin alles nicht viel aus – selbst wenn der „EXIF“-Bericht auch nur in Teilen stimmen sollte. Dennoch wird Kritik an der Kommunikation der Strafverfolgungsbehörden laut, wonach diese schnell den Eindruck vermittelt hätten, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Einzeltat eines psychisch kranken Menschen gehandelt habe. Daran zweifeln jetzt einige, wie in zahlreichen Diskussionen in sozialen Netzwerken nachzulesen ist.

Das Innenministerium (IM) von Baden-Württemberg widerspricht diesen Darstellungen. „Die Ermittlerinnen und Ermittler arbeiten auf Hochtouren an der Aufklärung der Ereignisse“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Ermittlungen seien von Anfang an unter dem Dach des neu eingerichteten Staatsschutz- und Anti-Terrorismuszentrums Baden-Württemberg geführt worden. „Dies verdeutlicht: Die Polizei ermittelt in alle Richtungen – so wie es auch am Tattag bekräftigt wurde. Im besonderen Fokus stehen dabei neben der Vor,- Haupt- und Nachtatphase auch die Persönlichkeit des Beschuldigten, dessen Werdegang sowie das Motiv.“

Recherchen Bestandteil der Ermittlungen

Ermittlungen „in alle Richtungen“ – das schließt auch Untersuchungen zu einer möglichen rechtsextremen Vergangenheit des Tatverdächtigen ein. Eine Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg bestätigte, dass die in den Recherchen aufgeworfenen Fragen „Bestandteil der Ermittlungen“ seien.

Später am Nachmittag gab das LKA in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Polizeipräsidium Mannheim weitere Details zum Ermittlungsstand bekannt: „Es gibt weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass der konkreten Tat ein extremistisches oder politisches Motiv zugrunde lag. Gemäß den bislang vorliegenden Erkenntnissen, bestehend aus umfangreichen ärztlichen Unterlagen und einer Vielzahl sich gegenseitig bestätigender Zeugenaussagen ist davon auszugehen, dass bei dem Tatverdächtigen seit vielen Jahren eine psychische Erkrankung vorliegt.“

Hinweise auf mögliche Kontakte des 40-Jährigen ins rechtsextreme Milieu im Jahr 2018 seien den Ermittlungsbehörden bekannt und stünden ebenfalls im Fokus der Ermittlungen, bekräftigten die Behörden erneut. Allerdings haben die Ermittlungen in diese Richtung bislang wohl wenig ergeben. „Abfragen bei verschiedenen Nachrichtendiensten führten zu keinen extremismusrelevanten Rückmeldungen.“ Auch bei den bisher gesichteten Asservaten seien bislang keinerlei Anhaltspunkte für eine extremistische Gesinnung des Tatverdächtigen gefunden worden. Die Auswertung werde aktuell intensiv fortgeführt.

Schriftstück mit mathematischen Formeln

Auch die Rekonstruktion des komplexen Tatablaufs dauere weiter an. Ein Schriftstück mit verschiedenen mathematischen Formeln, das im Fahrzeuginnenraum gefunden wurde, befinde sich aktuell in der forensischen Auswertung.

Unterdessen sind es vor allem Politikerinnen und Politiker der Linkspartei, die die Ermittlungsbehörden öffentlich unter Druck setzen. Der frisch gewählte Bundestagsabgeordnete Luigi Pantisano schrieb etwa auf X: „Ist der Täter ein Mensch mit Migrationsgeschichte, ein Geflüchteter, dann geht die Post ab. Ist der Täter ein Deutscher, dann legt sich schnell ein Schleier des Schweigens über die Sache.“

Es ist gerade mal zwei Tage her, dass ein Mann in Mannheim mit seinem Auto in eine Menschenmenge gerast ist und zwei Menschen getötet hat und viele weitere Verletzt wurden. In den Medien und der Politik spiet es schon jetzt keine Rolle mehr. Warum? Der Täter war Deutscher ohne… — Luigi Pantisano (@LuigiPantisano) March 5, 2025

Am Telefon erläuterte der Politiker: „In Deutschland wird mit zweierlei Maß gemessen, das ist das Frustrierende.“ Von der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden fordert er jetzt schnellstmögliche Aufklärung über mögliche rechtsextreme Umtriebe des Tatverdächtigen: „Strobl muss diese reflexartige Verneinung, wenn es um rechtsextreme Motive geht, zurücknehmen.“ Genau genommen hatte Thomas Strobl auf der Pressekonferenz am Montag nichts ausgeschlossen, lediglich gesagt, dass zu diesem Zeitpunkt eben keine Hinweise auf einen politischen Tathintergrund vorliegen würden.

Auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger kritisierte, dass die Politik der möglichen rechtsextremen Vergangenheit des Tatverdächtigen zu wenig Aufmerksamkeit schenke. Es brauche nun „Aufklärung und Antworten auf Hintergründe zum Täter“, sagte sie der Tageszeitung „taz“.

Was den Tatverdächtigen aus Ludwigshafen letztlich dazu bewogen hatte, so ein Unheil anzurichten, darüber könnten seine Vernehmungen neue Erkenntnisse liefern, die nach Polizeiangaben aktuell laufen sollen. Bei seiner Festnahme soll sich der Mann mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben, sein Krankenhausaufenthalt dauerte aber offenbar nur kurz. Bei der Todesfahrt starben eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann. Die Anzahl der Verletzten hat sich laut Polizei zwischenzeitlich auf 14 erhöht, darunter befindet sich ein zweijähriges Kind. Vier Personen werden demnach aktuell noch in verschiedenen Krankenhäusern behandelt.

Zahlreiche Einsatzkräfte rückten an.

© dpa/René Priebe

Zahlreiche Einsatzkräfte rückten an.

Der Vorfall ereignete sich laut Polizei am zentralen Paradeplatz.

© dpa/René Priebe

Der Vorfall ereignete sich laut Polizei am zentralen Paradeplatz.

Bürger sollen die Innenstadt meiden.

© dpa/Dieter Leder

Bürger sollen die Innenstadt meiden.

Die Polizei in der Mannheimer Innenstadt.

© dpa/René Priebe

Die Polizei in der Mannheimer Innenstadt.

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Erstellt:
5. März 2025, 16:24 Uhr
Aktualisiert:
5. März 2025, 17:37 Uhr

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