Türkei
Regierung setzt drei Bürgermeister im kurdisch geprägten Südosten ab
Die türkische Regierung hat drei Bürgermeister im mehrheitlich kurdisch geprägten Südosten des Landes von ihren Ämtern enthoben. Die pro-kurdische Oppositionspartei DEM kritisierte dies als „Staatsstreich“.
Von red/AFP
Die türkische Regierung hat drei Bürgermeister im mehrheitlich kurdisch geprägten Südosten des Landes von ihren Ämtern enthoben und durch staatliche Vertreter ersetzt. Die Bürgermeister der Städte Mardin und Batman sowie von Halfeti in der Provinz Sanliurfa seien am Montag entlassen worden, teilte das Innenministerium mit. Ihnen werde „Terrorismus“ vorgeworfen.
Die drei abgesetzten Bürgermeister gehören der pro-kurdischen Oppositionspartei DEM an, die früher als HDP bekannt war und der die Regierung Verbindungen zur von der türkischen Justiz verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorwirft, was die DEM jedoch bestreitet.
Zu den von ihren Ämtern entbundenen Bürgermeistern gehört auch das Stadtoberhaupt von Mardin, Ahmet Türk, der eine populäre Figur der kurdischen Bewegung ist und bereits in früheren Amtszeiten seines Amtes enthoben und wegen des Vorwurfs der Verbindungen zur PKK zu Haftstrafen verurteilt worden war.
Wütende Proteste in mehreren Städten im Südosten der Türkei
Im Onlinedienst X bekräftigte der 82-Jährige am Montag, „im Kampf für Demokratie, Frieden und Freiheit nicht zurückweichen“ zu wollen. „Wir werden nicht zulassen, dass der Wille des Volkes missbraucht wird“, erklärte er. Die DEM kritisierte die Amtsenthebungen als „Staatsstreich“ und warf der Regierung einen Angriff „auf das Recht des kurdischen Volkes, zu wählen und gewählt zu werden“ vor.
Die Amtsenthebungen lösten am Montag in mehreren Städten im Südosten der Türkei wütende Proteste aus. Trotz des unmittelbar von den Behörden erlassenen Protestverbots gingen mehr als 2000 Menschen in Diyarbakir unter dem Ruf „Raus, Treuhänder“ auf die Straße, wie ein AFP-Journalist berichtete.
In Mardin widersetzte sich Ex-Bürgermeister Türk ebenfalls dem Verbot. Er rief die Menschen dazu auf, vor dem Rathaus zu protestieren, wo er später vom Vorsitzenden der Oppositionspartei CHP, Özgür Özel, unterstützt wurde. „Wir müssen alle unsere Stimme gegen diese Rechtswidrigkeit erheben, gegen dieses antidemokratische Verhalten, das den Willen des Volkes missachtet“, sagte er in einem Video auf X.
Polizei setzt Wasserwerfer und Pfefferspray gegen Protestteilnehmer ein
Berichten der Fernsehsender T24 News und MedyaScope zufolge versuchte die Polizei anschließend, die Demonstranten mit Wasserwerfern und Gummigeschossen zu vertreiben. Einige Demonstranten warfen demnach Steine nach den Sicherheitskräften.
Auch in Batman setzte die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray gegen die Protestteilnehmer ein, wie T24 News berichtete. Demnach wurden 75 Menschen festgenommen, als sie versuchten, sich Zutritt zum Rathaus zu verschaffen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation MLSA gehörte zu den Festgenommenen auch ein Lokalreporter, der über die Proteste berichtete.
Kritik an der türkischen Regierung kam auch vom Europarat in Straßburg. Er sei „äußerst besorgt“ über Ankaras „langjährige Praxis der Ernennung von Treuhändern“, erklärte der Europarat am Montag. Diese würde „das Wesen der örtlichen Demokratie untergraben“.
Die DEM hatte bei den Kommunalwahlen Ende März in dutzenden türkischen Gemeinden gewonnen. Darunter waren mehrere große Städte des kurdisch geprägten Südostens des Landes, so etwa Diyarbakir, die größte Stadt der Region. Die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan erlebte hingegen ein Wahldebakel.
Vergangene Woche Mittwoch hatte Erdogan mit Blick auf den Konflikt mit der PKK und den Kurden von einem „historischen Fenster der Gelegenheit“ gesprochen. Die PKK rief er auf, die „ausgestreckte Hand“ seines Bündnispartners MHP zu ergreifen.