Streit um Kritis-Dachgesetz
Reicht die Zeit, um das Gesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen zu retten?
Kurz vor dem Koalitionsbruch ging das Gesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen noch durchs Kabinett. SPD und Grüne würden es gern noch beschließen. Doch das wird schwierig.
Von Rebekka Wiese
Es war einer der letzten Beschlüsse der Ampelregierung. Kurz vor dem Koalitionsbruch verabschiedete das Kabinett am 6. November noch einen wichtigen Entwurf: die Vorlage für das Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastrukturen, das sogenannte Kritis-Dachgesetz. Es geht darum, Anlagen abzusichern, die zentral sind, damit das Gemeinwesen funktioniert. Zuggleise, Krankenhäuser, Stromwerke zum Beispiel.
Das Gesetz soll bundeseinheitlich den Schutz zum Beispiel von Einrichtungen des Gesundheitswesens oder der Energieversorgung sichern. Unternehmen, deren Anlagen bestimmte Schwellenwerte erfüllen, sollen sogenannte Resilienzpläne vorlegen, mit denen sie Risiken analysieren und Schutzmaßnahmen erarbeiten. Für den Cyberschutz gibt es parallel ein ähnliches Gesetzesvorhaben.
Das Gesetz scheint zu scheitern
Es ist eines der unbeendeten Projekte der Ampelkoalition, um das die Restregierung nun kämpft. Doch es sieht so aus, als würde sie scheitern. Eigentlich hätte das Gesetz längst beschlossen sein sollen. So will es die sogenannte CER-Richtlinie der EU. Dabei handelt es sich um eine Vorgabe, die die Mitgliedsstaaten verpflichtet, für den Schutz kritischer Einrichtungen vorzusorgen. Demnach hätte die Bundesregierung die entsprechenden Vorschriften bis Oktober 2024 vorlegen müssen. Doch das Vorhaben verzögerte sich. Das Innenministerium legte den ersten Ressortentwurf im Sommer 2023 vor. Doch der musste grundlegend überarbeitet werden, vor einem Jahr gab es eine neue Version. Danach ging es lange nicht voran – bis zum Kabinettsbeschluss am Tag des Koalitionsbruchs.
Grüne: Aufschub ist „fahrlässig“
Damit der Bundestag den Gesetzentwurf verabschieden kann, müssten nun Union oder FDP das Vorhaben unterstützen. Die Union signalisierte vor einigen Wochen, dass sie dies nicht wolle. Das sei „fahrlässig“ kritisierte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz und verwies auf die Sicherheitslage. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Alexander Throm warf der Ampelkoalition nun vor, das Gesetz verschleppt zu haben. Er sagte dieser Zeitung: „Die jetzige Sicherheitslücke ist eine Lücke der Ampel.“ Sie habe es „trotz der drastisch verschlechterten Sicherheitslage drei Jahre lang nicht hinbekommen, einen ordentlichen Entwurf für ein Gesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen durch den Bundestag zu bringen.“ Throm betonte, er halte es für „höchst unseriös“, den Entwurf unter Zeitdruck zu beschließen. Nach der Bundestagswahl stehe das Kritis-Dachgesetz aber für die Union „oben auf der Prioritätenliste“.
Die FDP will ebenfalls nachbessern
Vorsichtig gesprächsbereit zeigt sich die FDP, die dem Entwurf im Kabinett ja zugestimmt hatte. „Als Freie Demokraten haben wir diesen Entwurf begrüßt, sehen aber in einzelnen Punkten noch Anpassungsbedarf“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion Manuel Höferlin dieser Redaktion. „Deshalb werden wir uns auch weiterhin konstruktiv im parlamentarischen Verfahren einbringen und für Nachbesserungen sorgen.“
Skeptisch sind einige Verbände aus Wirtschaft und Industrie. Ein Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen sagte dieser Zeitung: „Wir möchten ein gutes, praktikables Gesetz.“ Man wünsche sich Gründlichkeit vor Schnelligkeit, zumal der Regierungsentwurf viele Details offen lasse. Er verwies darauf, dass das Gesetz mit „erheblichen finanziellen und personellen Kosten für unsere Unternehmen“ verbunden sei. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer kritisierte, dass der physische Schutz und die Sicherheit von Daten und Informationen enger zusammengedacht werden müssten.
Selbst wenn der Bundestag das Gesetz beschließen sollte, wäre es nicht endgültig verabschiedet. Der Bundesrat muss zustimmen. Dort gibt es unter einigen Ländern Unmut. Nach Informationen dieser Zeitung wurde das Thema auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt, die am Mittwoch im brandenburgischen Rheinsberg beginnt.