Rems-Murr-Kreisräte schwören sich auf einen Sparkurs ein

In der jüngsten Sitzung haben die Fraktionen zum Haushaltsentwurf für den Rems-Murr-Kreis Stellung genommen. Die vielen Unwägbarkeiten sehen die Gremiumsmitglieder mit Sorge. Sie hadern angesichts der stark steigenden Kreisumlage und fordern den Verzicht auf so manchen Ausgabeposten.

Die Unterhaltung der kreiseigenen Gebäude – wie hier das Landratsamt in Backnang – sehen mehrere Kreistagsfraktionen als Unterfangen an, welches man verschieben und somit Geld einsparen kann. Archivfoto: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Unterhaltung der kreiseigenen Gebäude – wie hier das Landratsamt in Backnang – sehen mehrere Kreistagsfraktionen als Unterfangen an, welches man verschieben und somit Geld einsparen kann. Archivfoto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Am Haushaltsentwurf des Rems-Murr-Kreises für das kommende Jahr hatten die Kreisräte zu knabbern – das ließ sich deutlich heraushören, als die Fraktionen und Gruppen in der jüngsten Sitzung in ihren Reden dazu Stellung bezogen. Während Landrat Richard Sigel im vergangenen Jahr mit der Hoffnung auf eine bis dahin überwundene Coronapandemie noch „Land in Sicht“ ausgerufen hatte, heiße es für das kommende Jahr „Schiff in Not“, führte Armin Mößner die Metapher fort. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion führte aus: „Wir haben mit Blick auf den Haushaltsentwurf im übertragenen finanziellen Sinne mächtig Schlagseite, einen abgebrochenen Mast und Wassereintritt an Bord.“ Gut sei es da, einen „sehr präsenten und guten Kapitän auf der Brücke“ zu haben, nämlich Landrat Richard Sigel. Dass dieser sich zur Wiederwahl stellt, wurde aus allen Lagern freudig erwähnt, Sigel selbst erntete in so mancher Rede Lob ob seiner einnehmenden Persönlichkeit und Führungsstärke.

Die Bewertung der Kreisrätinnen und Kreisräte hinsichtlich des Zahlenwerks, welches die Verwaltung vier Wochen zuvor eingebracht hatte, fiel hingegen nicht ganz so positiv aus. Angesichts der vielen Unklarheiten stellte Ulrich Lenk, Fraktionsvorsitzender der FDP/FW, infrage, ob der Kreishaushalt überhaupt wie angedacht am 12. Dezember beschlossen werden solle. In seiner jetzigen Form beruhe er nämlich an vielen Stellen auf Annahmen, welche „unsicher und eher dem Prinzip Hoffnung geschuldet“ seien. Auch Bernd Messinger sprach stellvertretend für die Fraktion der Grünen davon, dass die Rechnung der Kreisverwaltung in Teilen zu riskant sei. „Vorausschauende und nachhaltige Haushaltspolitik sieht anders aus“, befand er, weshalb seine Fraktion die „Finanzierungsrisiken nicht in vollem Umfang mittragen“ könne. Deswegen stelle sich seine Fraktion auch gegen einen Verlustvortrag. Auch Armin Mößner und die CDU lehnten diesen ab mit der Begründung, er sei die „Kreisumlage von morgen“.

Der Kreis sollte weniger Gutachter beschäftigen

Doch was, wenn tatsächlich Zuschüsse und Fördermittel von Bund und Land ausbleiben und eben nicht, wie von den Fraktionen gefordert, das Prinzip „Wer bestellt, der zahlt“ zum Einsatz kommt? Schließlich, hob Lenk hervor, sei schon so ein Defizit von 24 Millionen Euro veranschlagt. Und dabei sei man davon ausgegangen, dass die Kreisumlage tatsächlich um die vorgeschlagenen 2,5 Prozentpunkte erhöht werde. „Auch wir sollten sparen“, forderte Jürgen Hestler stellvertretend für die SPD-Fraktion. Etwa solle der Kreis weniger Gutachter beschäftigen, mehr selbst entscheiden. Kräfte aus den Kommunen gelte es darüber hinaus zu bündeln, anstatt immer eigene Experten im Kreis anzustellen. Ian Schölzel brachte als Sprecher der Freien Wähler den Vorschlag, das Immobilienkonzept des Kreises zu strecken und die Gebäudeunterhaltung gegebenenfalls zu verschieben – eine Idee, die auch die CDU und FDP/FW vorbrachten.

Eine Erhöhung der Kreisumlage um 2,5 Prozentpunkte wird nicht gern gesehen

Unbehagen stellte sich bei manch einem ein, wenn als Finanzierungsinstrument die Kreisumlage herhalten muss. Früher, so Hestler, sei um sie gestritten worden, dass es einem Kuhhandel geglichen habe. Heute hingegen würden kaum noch kontroverse Debatten im Kreistag geführt. Das schien sich zumindest im Hinblick auf die Fraktionen zu bestätigen. Diese waren sich einig: Eine Erhöhung des Hebesatzes um 2,5 Prozentpunkte stellt die „Schmerzgrenze nach oben“ dar, so Lenk. Die CDU sehe die Kreisumlage eher niedriger, „schon gar nicht höher“, so Mößner. Schließlich seien die Kommunen schon selbst stark belastet. Auch Schölzel hob hervor, dass schon jetzt viele Aufgaben auf kommunale Träger abgewälzt und eine Unterfinanzierung in vielen Bereichen durch eine sehr viel höhere Kreisumlage geschultert werden solle. Seine Forderung lautete daher: Etwaige Verbesserungen durch Rettungsschirme oder Zuweisungen sollten der Minderung des Hebesatzes zugutekommen.

Als „finanzielles Sorgenkind des Kreises“ sah Schölzel die Rems-Murr-Kliniken, deren Defizit sich im kommenden Jahr voraussichtlich weiter vergrößern wird. An der Verringerung des Defizits wolle man jedoch festhalten, wenn auch Zielsetzung und Zeitkorridor angesichts der aktuellen Lage angepasst werden müssten. In Erwartung eines anspruchsvollen Sparkonzepts der Klinikleitung in Höhe von 4,7 Millionen Euro sagte Bernd Messinger: „Hoffen wir, dass dies gelingt.“ Die Grünen stellten darüber hinaus einen Antrag für die Erstellung eines Konzepts „Grünes Krankenhaus“. Hestler hingegen plädierte dafür, sich vom Ziel zu verabschieden, mit den Kliniken schwarze Zahlen schreiben zu wollen. Das Defizit in absehbarer Zeit abzubauen sei illusorisch. Die medizinische, genauer gesagt hausärztliche Versorgung sieht der SPD-Kreisrat im Rems-Murr-Kreis gefährdet. Der Ostalbkreis habe schon den Versuch gestartet, dem mit Stipendien für Medizinstudenten und Hilfe bei der Suche nach Wohnraum, Kitaplätzen und Ähnlichem entgegenzuwirken. Auch der Kreis müsse reagieren, so Hestlers Forderung, „mit einem ähnlichen oder einem noch besseren Modell“.

Grüne sagen volle Unterstützung beim Klimaschutzhandlungsprogramm zu

Uneins waren die Kreistagsfraktionen in Sachen Klimaschutz. Während die Grünen ihre volle Unterstützung für das Klimaschutzhandlungsprogramm zusagten, äußerte die FDP/FW Skepsis bezüglich angedachter Windkraftprojekte. Stattdessen sprachen sie sich für Technologieoffenheit und Lösungen auf internationaler Ebene aus. Zwar signalisierte auch die CDU ihre Unterstützung für das Handlungsprogramm. Allerdings bewerte die Fraktion das Ziel, bis spätestens 2040 klimaneutral zu werden, eher als Absichtserklärung denn als Vorgabe, so Mößner. „Wenn wir die Ziele aber erreichen – umso besser.“ Anders schätzen die Freien Wähler die Verbindlichkeit der Vorgabe ein. Die Fraktion stehe zum ehrgeizigen Zeitplan zur Klimaneutralität, so Schölzel. Den vielen Worten müssten nun aber auch Taten folgen. „Die Zeit der Analysen, Untersuchungen, Bewertungen et cetera muss zu Ende sein. Was jetzt zählt, sind Kilowatt-Peak.“

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Erstellt:
16. November 2022, 06:00 Uhr

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