Rentenpolitik mit der Gießkanne

Mit der Grundrente plant Schwarz-Rot das nächsteteure Wahlgeschenk

Stuttgart Rentenpolitik war schon immer Klientelpolitik. Aber so verheerend wie die seit 2013 amtierende schwarz-rote Koalition hat es vielleicht noch keine Regierung getrieben. Statt die enormen Herausforderungen anzugehen, vor denen das Rentensystem steht, bürden Union und SPD der gesetzlichen Altersvorsorge immer neue milliardenschwere Wahlgeschenke auf. Mal werden gerade die Mütter, die das Geld nicht brauchen, mit ein paar Euro zusätzlich beglückt, während wirklich bedürftige Frauen keinen Cent davon übrig halten; mal dürfen langjährig Versicherte mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen, die sowieso meist über recht ordentliche Altersgelder verfügen. So geht Rentenpolitik mit der Gießkanne: Gespendet wird reichlich, aber das Wasser kommt dort, wo es am meisten fehlt, nicht an.

Auch vom neuesten schwarz-roten Projekt werden vielfach Menschen profitieren, die zusätzliche Hilfe nicht brauchen, diese aber gerne mitnehmen dürften. So soll die Grundrente nach SPD-Vorstellung funktionieren: Wer 35 Jahre für ein vergleichsweise geringes Entgelt gearbeitet hat, erhält einen Zuschlag, so dass die Altersbezüge deutlich oberhalb der Grundsicherung im Alter liegen. Eine Prüfung der Bedürftigkeit ist nicht vorgesehen, die Aufwertung erfolgt automatisch. Das erklärt, warum drei bis vier Millionen Rentner von der neuen Leistung profitieren dürften – und nicht nur jene 500 000, die bisher auf Grundsicherung, sprich Sozialhilfe angewiesen sind.

Schon bei der Mütterrente hatten die Großkoalitionäre trotz Mahnungen der Rentenversicherung geflissentlich übersehen, dass die überwältigende Mehrheit der Bezieher von kleinen Renten bis 600 Euro deshalb keine Grundsicherung beanspruchen, weil sie eben nicht unter Altersarmut leiden. Und nicht etwa deshalb, weil sie sich schämen, zum Sozialamt zu gehen, wie es immer heißt. Sie blendeten die gesellschaftliche Realität aus, dass Rentner oft noch über andere Einkommen verfügen oder sich den Haushalt mit einem (Ehe-)Partner teilen, der über höhere Altersbezüge verfügt.

Wenn sich die SPD gegen die Union durchsetzt, die bei eigenen Grundrentenplänen immerhin auf eine Bedürftigkeitsprüfung pocht, dürfte sich der Fehler wiederholen. Denn zu 75 Prozent werden es Frauen sein, die von der Grundrente profitieren. Doch es gibt noch eine Reihe weiterer Gründe, die gegen eine Grundrente sprechen.In der Rentenversicherung gilt das Äquivalenzprinzip.Wer im Laufe seines Berufslebens viel eingezahlt hat, bekommt mehr heraus als jemand, der wenig eingezahlt hat. Die Leistungsbereitschaft des Einzelnen wird also belohnt. Ein Abweichen davon würden viele als ungerecht empfinden. Dadurch könnte das Vertrauen ins Rentensystem zusätzlichen Schaden nehmen. Und zwar ganz unabhängig von der Frage, ob die Grundrente aus Rentenbeiträgen oder Steuermitteln oder aus beiden Quellen finanziert würde. Wozu sich dann noch abmühen, wozu sich hocharbeiten, wenn andere auch so belohnt werden?

Natürlich verweist Arbeitsminister Hubertus Heil zu Recht auf Rentner, die trotz harter Arbeit nur auf kleine Renten kommen, weil ihre Jobs schlecht bezahlt werden. Das wird künftig ein wachsendes Problem sein, für das allerdings das Rentensystem nicht haftbar gemacht werden kann. Das muss zwingend über den Mindestlohn gelöst werden und über die Tarifpolitik. Und schließlich: Die Grundrente gibt es schon. Auch wenn sich über die Höhe trefflich streiten lässt – die steuerfinanzierte Grundsicherung im Alter garantiert jedem Bürger einen Lebensabend in Menschenwürde. Sofern er darauf angewiesen ist.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hubertus-heil-legt-konzept-fuer-grundrente-vor-der-staat-soll-den-rentnern-respekt-erweisen.9d35779d-9581-4908-b99c-913061b83bee.html

willi.reiners@stzn.de

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Erstellt:
5. Februar 2019, 10:45 Uhr

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