Restaurierter Opferstock kehrt zurück
Das historische Stück wurde 2016 in einer spektakulären, mit ziemlicher Gewalt verbundenen Aktion aus der Walterichskirche gestohlen und tauchte 2020 wieder am Waldrand eines Teilorts auf. Die evangelische Kirchengemeinde Murrhardt hat es von Fachleuten nun wieder herrichten lassen.

© Jörg Fiedler
Cornelia Jenz (vorne) integriert noch das Geldkästchen und eine Metallsicherung. Mit ihrem Kollegen Erik Lenz (direkt hinter ihr) hat die Restauratorin den instand gesetzten Opferstock am alten Platz montiert und in kleiner Runde mit (von links) Martin Pfender, den Pfarrern Hans Joachim Stein und Achim Bellmann, Kirchenpfleger Bernd Fischer und dem Ehepaar Meta und Helmut Lindemuth vorgestellt. Fotos: J. Fiedler
Von Christine Schick
Murrhardt. Der längliche mit einem Eisenblech verkleidete Quader wird mit einer Sackkarre über den Fußweg zur Walterichskirche transportiert. Der historische Opferstock ist kein Leichtgewicht. Das dürften damals auch die Täter festgestellt beziehungsweise sogar gewusst haben, die ihn aus dem für Besucher und Touristen geöffneten Murrhardter Gotteshaus gestohlen haben. Dies war im Juni 2016 und der Vorfall hatte damals in der Walterichstadt für Empörung gesorgt. Zur Erinnerung vielleicht so viel: Das im Boden fest verankerte historische Stück wurde mit viel Kraft aus dem Beton gerissen und ins Freie getragen. Aus den Spuren rekonstruierte die Polizei, dass die Diebe den Opferstock an der Nordwestseite über die Mauer hoben und ihn am Hang herunter rollen ließen. Weiter unten trugen sie ihn vermutlich ein Stück, um ihn dann so weit weiterzurollen, bis sie ihn in der Nähe eines Spielplatzes auf ein Fahrzeug hieven und abtransportieren konnten. Von den Tätern und vom Diebesgut – außer dem Einwurftrichter, auch Tülle genannt, der sich in der Nähe der Stadtbücherei fand – fehlte jede Spur.
Als der Fall schon fast wieder in Vergessenheit geraten war, stieß ein Passant im April 2020 auf den gestohlenen Opferstock – stark beschädigt und ohne das historische Vorhängeschloss und Geldkästchen – am Waldrand in der Nähe des Teilorts Harbach. Nachdem die Ermittlungen abgeschlossen waren, erhielt die evangelische Kirchengemeinde Murrhardt ihn schließlich zurück. Pfarrer Achim Bellmann erinnert sich, wie mitgenommen der Opferstock aussah, ein Glück aber war, dass der Holzkern in Metall eingefasst ist, „sonst wäre noch viel mehr verrottet gewesen“. Die Gemeinde beschloss, ihn fachgerecht herrichten zu lassen, auch um ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden, sagt Achim Bellmann. An dieser Stelle kamen Cornelia Jenz und Erik Lenz ins Spiel, die sich des guten Stücks annahmen und ihre Arbeit in kleiner Runde bei der Wiederkehr des Stücks in die Walterichskirche präsentieren.

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Der Opferstock hat ein neues historisches Schloss erhalten.
„Wir haben uns relativ lange Gedanken gemacht, wie wir ein Gestell zur Sicherung bauen können, mit dem der Opferstock auch fest verankert werden kann“, sagt Cornelia Jenz. Die fehlenden Nägel konnte die Restauratorin teils durch historische Exemplare ersetzen, an manchen Stellen hat sie neue verwendet. Der Rost wurde abgenommen und die Oberfläche des Metalls, wo nötig, fachgerecht wieder zurechtgebogen, punktuell geschweißt, behandelt und farblich angepasst. Hinzu kam die Instandsetzung des inneren Kerns, der aus Eichenholz besteht und durch das Herausbrechen der Metallverankerung aus dem Kirchenboden und das lange Liegen im Freien im unteren Drittel stark angegriffen war. Die klaffenden Lücken im Holz wurden mit Eichenstäben geschlossen. Cornelia Jenz setzt eine Art Eisensicherung ein und anschließend das neu angefertigte Metallkästchen, in das das Geld fällt, wenn es über die ebenso wiederhergerichtete Tülle eingeworfen wird.
Da das historische Schloss des Opferstocks verschwunden blieb, konnte das Restauratorenteam in dieser Sache nichts ausrichten. „Aber ein ehemaliges Gemeindemitglied, Helmut Seifert, der mittlerweile in Österreich lebt, hat sich sehr in der Sache engagiert und über einen befreundeten Sammler ein Exemplar für uns aufgetan“, erzählt Achim Bellmann. So kann der Opferstock, nachdem er auf seinem alten Platz samt Gestell neben einer der Kirchenbänke fest im Boden verankert worden ist, auch verschlossen werden und in neuem alten Glanz seinen Dienst antreten. Für die Instandsetzung waren insgesamt 3500 Euro zu investieren. Nachdem die Versicherung zwar keine Option für eine Unterstützung mehr sah, bekam die Kirchengemeinde aber zumindest eine Förderung vom Denkmalamt, das einen Zuschuss von 1090 Euro gewährte. Ebenfalls geholfen beim Projekt hat das Ehepaar Meta und Horst Lindemuth aus Unterweissach mit einer Spende. Die beiden begeistern sich für Geschichte und Kirchengeschichte und haben schon so manche Wanderung vor dem Hintergrund der früheren Wallfahrt entlang der Hörschbachschlucht nach Murrhardt bestritten, um dann dort in der Gaststätte Ochsen einzukehren. Als sie vom Fall und dem Wunsch der Gemeinde hörten, den historischen Opferstock zu restaurieren, entschlossen sie sich, einen Teil dazu beizutragen.
Historie Cornelia Jenz hat im Zuge des Auftrags auch eine Reihe von Daten über den Opferstock zusammengetragen. Er wurde 1859 erneuert und taucht in dem Fachbuch „Die Kunstdenkmäler in Baden-Württemberg“ mit der Jahreszahl 1792/93 auf. Als weitere Zuschreibung, was die Entstehung des historischen Stücks anbelangt, sind die Jahreszahlen 1340 und 1612 genannt, eindeutig belegt sind sie aber nicht. Historisch soll die Aufstellung von Opferstöcken erstmals von Papst Innozenz III. in der Bulle Quia maior 1213 zur Finanzierung des fünften Kreuzzugs angeordnet worden sein. Das Wort Stock verweist darauf, dass die Behälter ursprünglich aus Baumstämmen gefertigt wurden.
Das gute Stück Der Opferstock besteht aus einem massiven Eichenbalken als Kern, der mit einer Blechummantelung an drei Seiten sowie am Kopf verkleidet ist. Im Inneren befindet sich eine Blechröhre und -klappe, die in einem Metallkästchen für die Münzen mündet. Ein Eisenscharnier mit vernieteter Eichenplatte verschließt die Öffnung des Hohlraums, dessen Eisenband und Lasche ursprünglich mit einem Vorhängeschloss, im süddeutschen Raum auch Marderschloss genannt, verriegelt werden konnte. Es ist nun durch ein ebenfalls historisches Exemplar ersetzt worden. Nach der Erneuerung des teils auch als Leichenopferstock bezeichneten Behälters im Jahr 1859 wurde er im 20. Jahrhundert im Fußbereich teils mit Beton ausgegossen und so im Boden nahe des Kircheneingangs verankert. Diese Betonpartien waren durch das Herausbrechen beschädigt und lose und wurden teils entfernt. Das charakteristische Bild ergibt sich durch die vielen Eisennägel – allein 98 Stück waren nach dem Fund verloren gegangen und zu ersetzen. Für Cornelia Jenz und Erik Lenz war es eine Arbeit an einem für sie außergewöhnlichen Objekt, die erste Restauration eines historischen Opferstocks in dieser Form.
Die Tat Der Diebstahl des Opferstocks wurde nie aufgeklärt, erläutert Pfarrer Achim Bellmann. Klar war aber von Anfang an, dass der ideelle, kulturgeschichtliche Wert des historischen Stücks in krassem Missverhältnis zu dem wenigen Bargeld – allerhöchstens 100 Euro, eher weniger – stand, das sich im Innern befand.