Linkspartei

Riexinger: „Der Bruch mit Wagenknecht erfolgte viel zu spät“

Der langjährige Linken-Chef Bernd Riexinger kandidiert nicht mehr für den Bundestag. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt der Stuttgarter nachdenklich auf seinen politischen Weg zurück.

Ex-Parteichef Bernd Riexinger wird dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Ex-Parteichef Bernd Riexinger wird dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören.

Von Norbert Wallet

Da geht einer. Leise. Leise und nachdenklich. Mit einer störrischen Zuversicht, die er dem Zeitgeist entgegenstellt. Schwäbisch halt. Dabei könnte Bernd Riexinger durchaus Lärm machen. Andere täten es, hätten sie dasselbe vorzuweisen.

Spät ist der linke Spitzenpolitiker in den Deutschen Bundestag gekommen. 2017. Da war er schon 62 Jahre alt. Nun ist Schluss. Dem neuen Parlament wird der Stuttgarter nicht mehr angehören.

Für einen Linken ist es seltsam, jetzt zu gehen. In so einer komischen Zwischenzeit, da sich die Partei einerseits erneuert und dramatisch verjüngt – und andererseits noch so schwer an den selbst zugefügten Wunden der Vergangenheit zu tragen hat. So schwer, dass der Wiedereinzug in den nächsten Bundestag für die Linke derzeit völlig ungewiss ist. Da will man gar nicht viel zurückschauen und den Blick von den Anforderungen der Gegenwart abwenden.

Unter Riexinger landete die Linke vor den Grünen

Linke und Erfolg – das ist derzeit kein Begriffspaar, das sich so leicht zusammenfindet. Riexinger hat Erfolg gehabt. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten in seiner politischen Karriere, dass sich der Erfolg vor allem mit seiner Zeit als Parteichef verknüpft. Als er 2012 die Partei als Co-Vorsitzender zusammen mit Katja Kipping übernimmt, ist die Linke gespalten – in Ostler und Westler, Reformer und Beharrer, und es gibt Dauerstreit über den besten Kurs. Die Umfragen pendeln um die 5-Prozent-Marke. Die beiden Neuen an der Spitze führen die Lager zusammen, bauen einen Parteiapparat auf, der die Linke auch außerhalb der Bundestagswahlen kampagnefähig macht. Die Partei gewinnt neue Wählermilieus hinzu. Bei der Bundestagswahl 2013 landet die Linke mit 8,6 Prozent vor den Grünen. Riexingers Kurs hat Früchte getragen.

Als der Stuttgarter in den Bundestag einzieht, ist er schon ein paar Jahre Vorsitzender. Aufgrund seiner Position hält er sich als Abgeordneter fachpolitisch zurück. „Ich hatte eine zentrale Motivation“, sagt Riexinger rückblickend im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich wollte die Fraktion besser an die Partei anbinden.“ Die dauernde Rivalität zwischen den Machtzentren im Liebknecht-Haus und der Fraktionsspitze um das Duo Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht sollte aufhören. „Es ist mir nur begrenzt gelungen“, sagt Riexinger. „Es gab weiter Konflikte.“

Am Ende der ersten Legislatur stand dann das desaströse Wahlergebnis von 4,9 Prozent im Herbst 2021. „Das hatte ich nicht erwartet, und ich habe sehr darunter gelitten“, gibt Riexinger offen zu. „Und es wurde nicht besser dadurch, wie lange es gedauert hat, uns wieder zu sortieren.“ Womit vor allem eines gemeint ist: „Der Bruch mit Sahra Wagenknecht erfolgte viel zu spät. Das hat mir wirklich zu schaffen gemacht.“

„Die Rolle als Protestpartei haben wir zu einfach abgegeben“

Wie gesagt, da geht einer, der in nachdenklicher Stimmung ist. Also lohnt sich noch eine Nachfrage. Trägt die Linke eine Mitschuld am Erstarken der AfD? Eigentlich eine Provokation für einen aufrechten Linken. Aber Riexinger will das Argument gar nicht wegschieben. Mitschuld – das ist ihm zu hart. „Aber es stimmt schon, dass wir die Rolle als Protestpartei vor allem im Osten nicht so einfach an die AfD hätten abgeben dürfen.“ Ein kämpferischeres Profil „und etwas weniger Blicke auf die Regierungsfähigkeit hätte uns gut getan“. Und noch etwas schiebt Riexinger hinterher. „Natürlich hätten wir die Friedensfrage nicht einfach Sahra Wagenknecht überlassen dürfen.“

Von diesen trüberen Gedanken will er sich nicht unterkriegen lassen. Einen Bundestag ohne Linke will er sich nicht vorstellen: „Dann rutscht die Gesellschaft noch weiter nach rechts und die ganz unten sind, bleiben parlamentarisch ohne Stimme.“

Wieder zurück zur Basisarbeit

Andere tragen nun die Hauptverantwortung dafür, dass das nicht geschieht. Riexinger aber wird politisch aktiv bleiben. Seinem Landesvorstand werde er beratend zur Verfügung stehen. Und er ist Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seine Nachfolge sieht er gut geregelt. Der in der Stuttgarter Kommunalpolitik profilierte Luigi Pantisano, seit langem Riexingers Mitarbeiter in der Wahlkreisarbeit, führt zusammen mit der Landesvorsitzenden Sahra Mirow die Landesliste an.

Für Riexinger steht die Rückkehr zur Basisarbeit in seinem Stuttgarter Süden an. Hier ist er vernetzt, hier hat er auch als Gewerkschaftssekretär viele Streiks organisiert. „Und wenn heute ein Auto der Müllwerker an mir vorbei fährt und die Fahrer rufen mir zu: ‚Hallo Bernd, wie gehts?’, dann macht mir das große Freude.“ Demnächst hat er wieder mehr Gelegenheit für solche Begegnungen.

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Erstellt:
2. Januar 2025, 16:26 Uhr

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