Ringen um Haushalt 2022: Ressorts wollen 2,4 Milliarden mehr
dpa/lsw Stuttgart. Beim Haushalt wollte die CDU eigentlich „alte Zöpfe“ abschneiden - doch in den Ministerien der grün-schwarzen Regierung werden eher neue geflochten. Der Wunschzettel der Ressorts ist lang und teuer. Nun müssen Kretschmann und Co. Prioritäten setzen.
Bei den Haushaltsverhandlungen zwischen Grünen und CDU wird ein hartes Ringen um neue Stellen und Schwerpunkte des nächsten Jahres erwartet. Die Ressorts haben trotz des eher geringen finanziellen Spielraums wegen der Corona-Krise neue Ausgaben in Höhe von knapp 2,4 Milliarden Euro angemeldet, wie die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart aus Regierungs- und Fraktionskreisen erfuhr.
Zudem wollen die Ministerien zahlreiche neue Stellen schaffen oder befristete Stellen weiterlaufen lassen. Unterm Strich wären das dem Vernehmen nach über 4200 Stellen. Dabei hatte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) vor der Sommerpause schon vorgebaut und gesagt, der Etat 2022 sei ein „Haushalt des Übergangs“, bei dem kaum große Sprünge möglich seien.
Hintergrund dafür ist, dass die Steuereinnahmen wegen Corona eingebrochen waren und das Land mit Milliarden Euro die Wirtschaft gestützt und Schutzmaßnahmen finanziert hat. Allerdings zieht die Konjunktur wieder an und Grün-Schwarz hat absehbar wieder mehr Mittel zur Verfügung.
Nun müssen die Spitzen der Koalition unter Leitung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) knapp vier Monate nach Antritt der neuen Regierung weitere Prioritäten setzen. Die Haushaltskommission trifft sich drei Mal: an diesem Sonntagabend, an diesem Montagabend und am kommenden Freitag. Am Montag sollen die Fachminister ihre Wünsche vor der Kommission begründen.
Budget für Mehrausgaben nun doch deutlich höher
Schon vor der Sommerpause hatten sich die Spitzen der Koalition darauf verständigt, die Schuldenbremse nach zwei Ausnahmen hintereinander wieder einhalten zu wollen. Den Korridor für Mehrausgaben hatten sie beim Beschluss der Eckpunkte im Juli auf 345 Millionen Euro festgelegt. Allerdings sieht es nun so aus, dass der Spielraum doch deutlich größer ist als vor der Sommerpause erwartet.
So will das Finanzministerium ungenutzte Deckungsmittel in Höhe von 343 Millionen Euro aus dem dritten Nachtragsetat für kommendes Jahr verwenden, erfuhr die dpa aus den Kreisen. Zudem geht das Land von einem höheren Überschuss aus dem Jahr 2020 aus: Mit den hier zusätzlich erwarteten 227 Millionen Euro ergibt sich ein Budget für Mehrausgaben in Höhe von 915 Millionen Euro.
Dennoch liegt zwischen dem angemeldeten Finanzbedarf und dem vorhandenen Geld für Investitionen eine Lücke von etwa 1,5 Milliarden Euro. Zudem mussten die Ressorts nach einem bestimmten Schlüssel insgesamt 250 Millionen Euro sparen.
Finanzminister hat Wunschzettel zusammengestrichen
Bayaz hatte in den vergangenen Wochen mit den Fachministern in den sogenannten Chefgesprächen über Prioritäten und Bedarfe gesprochen. In seiner Vorlage für die Haushaltskommission erkennt er Mehrausgaben in Höhe von 656 Millionen Euro an, hieß es in Regierungs- und Fraktionskreisen. Davon seien aber 500 Millionen Euro schon verplant gewesen, weil sie sich aus früheren politischen Festlegungen ergeben und langfristig finanziert werden müssen, wie etwa der Breitbandausbau oder das Programm Rückenwind für Schülerinnen und Schüler, die während der Corona-Krise ins Hintertreffen geraten sind. Nach dieser Rechnung bliebe noch ein Budget von 259 Millionen Euro für weitere Mehrausgaben.
Was tun mit der Milliarde aus dem Corona-Rettungsfonds?
Dann verfügt die Regierung noch über einen Sparstrumpf, den bisher kaum genutzten Corona-Rettungsfonds für mittlere Firmen mit einem Volumen von einer Milliarde Euro. Zwar würde das CDU-geführte Wirtschaftsministerium das Geld auch nach einer Auflösung des Fonds für eigene Projekte nutzen. Doch vor allem die Grünen haben andere Pläne. Dem Vernehmen nach wollen sie die eine Hälfte des Fonds in die Tilgung der Corona-Schulden stecken und die andere Hälfte für einen weiteren Puffer nutzen, falls die Pandemie doch noch länger anhält.
Der Kommission gehören neben Kretschmann und Bayaz auch Vize-Regierungschef Thomas Strobl, die Fraktionschefs von Grünen und CDU sowie die finanzpolitischen Sprecher der beiden Fraktionen an. Zuletzt war in der Koalition viel von „enkelgerechter Finanzpolitik“ die Rede. Doch das neue Bauministerium, weitere Posten für Staatssekretäre, der Nachtragsetat mit Schulden und Überlegungen zu einer Aufweichung der Schuldenbremse bei den Grünen hatten heftige Kritik bei der Opposition ausgelöst. Die AfD klagt gegen den Nachtrag, die FDP bereitet eine Klage vor.
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