Kanzlerkandidat bei Caren Miosga

Robert Habeck wirft Merkel krassen Fehler vor

Die Abhängigkeit von russischer Energie habe Deutschland „fast runtergerissen“, sagt Robert Habeck bei Caren Miosga – und meldet Führungsanspruch für seine Partei an.

Die Ampelregierung habe in den vergangenen drei Jahren viel Vertrauen verspielt, sagte Habeck bei Caren Miosga.

© IMAGO/HMB-Media/IMAGO/Uwe Koch

Die Ampelregierung habe in den vergangenen drei Jahren viel Vertrauen verspielt, sagte Habeck bei Caren Miosga.

Von Christoph Link

Also nochmal Vergangenheitsbewältigung, das vergiftete Klima in der Ampel-Regierung und das verkorkste Heizungsgesetz: Caren Miosga bohrte in ihrer Talkrunde am Sonntagabend in den Ampel-Jahren. Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, stellte sich den Fragen wacker, ließ aber auch mit der Bemerkung, ob man das „so lange aufarbeiten“ müsse und dass er sich nicht mehr für „die alten Pläne“ der FDP interessiere, eine gewisse Überdrüssigkeit erkennen.

Spannender lief das Gespräch dann mit dem Thema Russland und dem Krieg in der Ukraine. Da ließ der grüne Spitzenkandidat sich aus der Reserve locken – will sich aber weder als „Kanzlerkandidat“ noch als „Kandidat für die Menschen“ anreden lassen, denn „Herr Habeck“ klinge doch super.

Mit der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ging Habeck hart ins Gericht. Dass die jüngst im „Spiegel“ ihre Russland-Politik im Rückblick verteidigt hatte, das habe ihn „erstaunt“. Er habe jedoch großen Respekt vor der Lebensleistung Merkels. Sie habe sich im übrigen anders als die heutige Union – die in Ostdeutschland einen Wahlkampf gegen die Grünen führte – immer „anständig verhalten“. Aber das Land in die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu führen, das sei eine „Fehlentscheidung“ von Merkel gewesen. Das habe 2022 und 2023 Deutschland „fast runtergerissen“ und dem Land im Ansehen der Europäer schweren Schaden zugefügt. Das Argument Merkels, sie hätte sich nicht gegen die Wirtschaft – die billige Energie wollte - durchsetzen können, lässt Habeck so nicht gelten: „Das ist zu wenig.“

Deutlich war auch seine Abgrenzung zum „Friedenswahlkampf“ von SPD-Kanzler Olaf Scholz, der mit seiner Besonnenheit wirbt. Die heftige vom Politologen Albert von Lucke geäußerte Kritik, dass die SPD „den Krieg zum Zwecke des Wahlkampfes“ ausnütze und damit Wladimir Putin in die Hände spiele, ließ Habeck zwar unkommentiert. Aber dass er als Kanzler im Gegensatz zu Scholz der Ukraine die Taurus-Marschflugkörper liefern würde, daran ließ er keinen Zweifel.

Deutschland habe erst Helme geliefert, dann Panzerfäuste und dann Leopard-Panzer. Die Unterstützung sei „verzögert“ gekommen für das „Opferland“ , also die Ukraine, und die Entscheidungen für die Waffenhilfen seien „natürlich zu spät getroffen worden“. Das Telefonat von Scholz mit Putin sei richtig gewesen, wie solle man denn sonst zu Gesprächen kommen. Aber mit einem Frieden dürfe der Angriffskrieg Putins nicht belohnt werden, die Sicherheit der Grenzen müsse von beiden Seiten akzeptiert werden.

Habeck fordert Lockerung der Schuldenbremse

Auch in der grünen Wirtschaftspolitik sieht Habeck sich auf der sicheren Seite. Zwar warf ihm die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld vor, dass Habecks Konzept der kleinen Maßnahmen, der Zuschüsse und Subventionen, nicht funktioniert habe und sie ihn eigentlich lieber als Kanzler als erneut im Wirtschaftsressort sehen wolle.

Doch Habeck blieb unerschütterlich. Man müsse sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite stärken. Deutschland sei nicht innovativ und habe seit 2018 „eigentlich kein richtiges Wirtschaftswachstum“ gehabt. Es gehe darum, die produzierende Industrie zu halten, die marode Infrastruktur („ein Erbe Merkels“) instand zu setzen und damit den Standort zu stärken und das gehe nur mit einer Lockerung der Schuldenbremse. „Aber wir klammern uns noch an die Finanzpolitik der Nuller-Jahre“, sagte Habeck.

Ampelregierung habe „viel Vertrauen verspielt“

Für die Grünen erhebt der Kanzlerkandidat einen „Führungsanspruch“ unter den deutschen Parteien: „Meine Person und meine Partei geben Antworten, die die anderen nicht haben.“ Etwa bei der Eindämmung der Erderwärmung, einen Kampf, den Deutschland und Europa aufnehmen müssten. Anders als der selbstbewusst auftretende Olaf Scholz, so Caren Miosga, sei bei Habeck derzeit aber eher eine allgemeine Bescheidenheit zu spüren. Nun ja, die Ampelregierung habe in ihren drei Jahren auch viel Vertrauen verspielt, entgegnete Habeck, das müsse erst zurück gewonnen werden.

Man dürfe doch nicht naiv sein und sagen, „vergesst das jetzt alles!“ Er selbst habe in den Sommerferien darüber nachgedacht, ob er überhaupt die Grünen in den Wahlkampf führen wolle, die Frage dann anschließend bejaht. Aus dem „vermaledeiten Heizungsgesetz“, wie Miosga es nannte, habe er erstens gelernt, dass man Dinge korrigieren könne und zweitens, dass man etwas auch „durchstehen“ könne.

In der Sache selbst sei der größte Fehler gewesen, dass er die geplante soziale Förderung für die schwächeren Einkommen nicht öffentlich gemacht habe, wegen des Widerstandes von FDP und SPD. Bei einem Wahlsieg der Union und unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz droht allen Heizungsbesitzern laut Habeck übrigens Ungemach. Die Union wolle die Förderung der Wärmewende einstellen oder zumindest halbieren: „Die Union wird die Leute mit den fossilen Energien alleine lassen. Nach deren Plänen werden die Leute ärmer.“ Er selbst will als Grüner in Sachen Klimapolitik „auf die Menschen zugehen“, ihn erklären, dass man mit Klimaschutz und erneuerbaren Energien Geld sparen werde.

Spaghetti für Scholz und Lindner

Im Format von Küchengesprächen – zu denen sich Habeck von Bürgern und Bürgerinnen nach Hause einladen lässt – will der Minister deren Alltagssorgen hören und den „politischen Kulturraum“ öffnen. Das erste Gespräch – zwei bis drei pro Woche sind bis Weihnachten geplant – fand mit einer Erzieherin schon statt. Sie seien verkabelt gewesen und von Kameras umstellt, warf Miosga dem Wahlkämpfer Habeck vor: „Wie authentisch und ehrlich kann denn das sein?“

Der Grünenpolitiker stellte die Gegenfrage, wie „ehrlich“ denn es hier im Studio von Miosga sei. Vom schlechten Betriebsklima und dem Dauerzwist in der Ampel-Regierung war auch die Rede. Nicht das besondere Ego der handelnden Personen, sondern die unterschiedlichen Vorstellungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik seien der Grund fürs Scheitern gewesen, sagte Habeck.

Die Idee, dass man sich nach dem negativen Karlsruher Urteil zur Umwidmung der Corona-Hilfen - „Da war das Geld weg, und die alte Verabredung passte nicht mehr“ – vielleicht zu neuen Koalitionsgesprächen hätte treffen sollen, fand Habeck abwegig: Das hätte nichts gebracht, man hätte sich auch damals im November vergangenen Jahres sicher nicht einigen können.

Auf die scherzhafte Frage, was er als Koch und nicht als Kellner wohl für ein Gericht kochen müsse, um die Kontrahenten Olaf Scholz und Christian Lindner zu versöhnen, hatte Habeck eine spontane Antwort: Spagetti Bolognese! Zuvor hatte er aber schon betont, dass der Lindner ja jetzt „nicht mehr da ist in meinem Leben“ und auch in der Rest-Regierung ohne FDP nun eine andere Stimmungslage herrsche.

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Erstellt:
25. November 2024, 07:22 Uhr

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