AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl

„Rotkäppchen“ und Riesenjubel – „Unsere Hand ist ausgestreckt“

Das Migrationsthema hat der Partei Auftrieb gegeben, ebenso die Wahlhilfe aus den USA. Radikale Töne sind nun hoffähig – und vereinen den harten Wählerkern.

EDie AfD feiert einen Triumph: Spitzenkandidatin Alice Weidel (Zweite von links) mit Co-Chef Tino Chrupalla (links) und Björn Höcke

© AFP/Sören Stache

EDie AfD feiert einen Triumph: Spitzenkandidatin Alice Weidel (Zweite von links) mit Co-Chef Tino Chrupalla (links) und Björn Höcke

Von Christoph Link

Jubel bricht aus unter den 100 handverlesenen AfD-Funktionären, als die erste Prognose in die mit Deutschlandfahnen dekorierte AfD-Bundesgeschäftsstelle in Berlin-Wittenau übertragen wird. „Juchhuu!“ wird skandiert bei der Verkündung der Verluste von SPD und Grünen. Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel löst sich von ihrem Nachbarn Björn Höcke aus der ersten Reihe, steigt auf die Bühne und sagt: „Liebe Freunde, wir haben ein historisches Ergebnis erzielt.“ Man sei im Bund noch nie so stark gewesen, man sei jetzt Volkspartei. Später ergänzt sie: „Unsere Hand ist ausgestreckt für eine Regierungsbeteiligung, wir sind bereit für eine schwarz-blaue Koalition.“

Man wolle Deutschland wieder „wohlhabend und sicher machen“, hat Weidel vor der Wahl verkündet und mit dieser einfachen Botschaft offensichtlich bei vielen ins Schwarze getroffen. Gegenüber 2021 konnte die Partei ihr Ergebnis etwa verdoppeln. Sie lässt den „Rotkäppchen“-Sekt strömen, im Innenhof des nüchternen AfD-Bürogebäudes, das nicht mal ein Schild mit dem Parteinamen an der Tür trägt, werden „Original Thüringer Rostbratwürste“ gegrillt.

Neuerdings steht die Partei sogar international im Rampenlicht, seit Donald Trump, sein Vertrauter Elon Musk und der US-Vizepräsident James D. Vance unverhohlen Wahlwerbung für sie machen. Und dies könnte der Partei wohl auch etwas in Deutschland geholfen, meint AfD-Pressesprecher Michael Pfalzgraf. Allen voran die Rede von Vance in München, der habe Deutschland doch den Spiegel vorgehalten, darauf hingewiesen, dass hierzulande „die Meinungsfreiheit nicht mehr sicher“ sei. Die AfD-Perspektive, sozusagen, aus amerikanischer Brille.

Beatrix von Storch geht jetzt gerne in Talkshows

Aber das wahre Zugpferd für die AfD, da sind sich bei der Party viele einig, war das Thema Migration, gefolgt von der Wirtschaftskrise und den hohen Energiepreisen. Die Anschläge von Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München, die hätten „etwas ausgelöst“, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Renner.

Aber auch das Wirtschaftsthema sei stark gewesen. „Neulich stand ich in Charlottenburg beim Rewe an der Kasse“, erzählt Renner, da habe eine Rentnerin über die Preise gestöhnt: „Und dann habe ich da einfach einen wirtschaftspolitischen Vortrag gehalten, ein Dutzend Leute haben zugehört. Vor einem Jahr wäre ich dafür gesteinigt worden.“ Auch andere altgediente AfD-Politiker berichten, dass sich etwas „gedreht“ habe, zu ihren Gunsten. „Früher musste ich immer in den Talkrunden am rechten Rand sitzen und musste mich ständig verteidigen, dass ich kein Obernazi bin“, berichtet die Abgeordnete Beatrix von Storch. Neuerdings mache es ihr Spaß, in Talkshows zu gehen, und sie werde in der Mitte platziert.

Was die AfD mit ihren Stimmengewinnen nun anfängt, steht auf einem anderen Blatt. Im dreiwöchigen Wahlkampf hat die Partei nochmals radikale Töne angeschlagen, die ein Andocken an eine Regierung auch langfristig schwierig machen könnte. Weidel hatte im Bundestag das Wort „Remigration“ unverblümt benutzt. Bei den Wahlveranstaltungen – bei ihnen herrschte oft eine Wagenburgmentalität angesichts von Gegen-Rechts-Demonstrationen vor der Tür – kam der meiste Jubel oft bei knallharter Ansage. So rief der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier bei einer Wahlveranstaltung in Pforzheim: „Wir werden abschieben bis die Startbahn glüht, liebe Freunde!“ Ähnlich äußerte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte in Neu-Isenburg: Das Land verfalle in „Barbarei und Gewalt“. Die AfD habe viele Migranten in ihren Reihen, die wollten auch nicht, „dass jeder Irre hier ins Land gelassen wird“.

AfD blickt in die Zukunft

Die Radikalität hat der Wählergunst offensichtlich nicht geschadet. Das Wort „Remigration“ sei doch kein gesetzeswidriger Begriff, meint der AfD-Vordenker und EU-Abgeordnete Marc Jongen. „Wir müssen unsere Ansichten doch artikulieren können.“ Jongen treibt mehr um, dass es mit einer Regierungsbeteiligung wieder nicht klappen wird. Das „grenze Jubel und Euphorie“ etwas ein: „Wir müssen noch mal eine sinnlose Runde drehen.“ Bis 2029, der nächsten Bundestagswahl? Möglich sei, das unter einem mit der SPD und Grünen „verzweifelten“ Friedrich Merz erneut eine Regierung zerbreche, meint Jongen. Strategisch anders blickt der parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Bundestag, Bernd Baumann, in die Zukunft. Man habe doch jetzt schon mit der Union eine Mehrheit im Parlament, man sei nicht an Pöstchen interessiert und brauche gar keine Regierungsbeteiligung, sondern könne gemeinsam in der Migrationsfrage Anträge mit der Union beschließen, das habe schon mal funktioniert: „Mal sehen, wie lange sich Merz dagegen sträubt.“

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Erstellt:
23. Februar 2025, 21:16 Uhr
Aktualisiert:
24. Februar 2025, 07:44 Uhr

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