Energiewende

Rückkehr zur Atomkraft? Weder „logisch“ noch „rational“

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde empfiehlt Deutschland, wieder in die Atomkraft einzusteigen. Damit liegt er daneben, meint Hauptstadtkorrespondent Tobias Heimbach. Denn das wäre extrem teuer.

Das Kernkraftwerk Neckarwestheim ging im April 2023 vom Netz.

© imago/Arnulf Hettrich

Das Kernkraftwerk Neckarwestheim ging im April 2023 vom Netz.

Von Tobias Heimbach

Seit mehr als einem Jahr ist Deutschland aus der Atomkraft ausgestiegen. Doch die Debatte darum geht mit unverminderter Energie weiter. Nun gibt es einen Rat dazu von prominenter Stelle. Eine Rückkehr Deutschlands zur Kernkraft wäre „logisch und rational“, sagt Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Doch damit liegt er daneben.

Atomkraft, das klang in der Tat über Jahrzehnte „logisch und rational“. Menschen, die auf grüne Energie setzten, galten als weltfremd. Heute hat sich dies zu großen Teilen gewandelt.

Um zu sehen, dass neue Atomkraftwerke in Deutschland keine Option sind, muss man nicht einmal die bekannten Gegenargumente wie das Problem des Atommülls oder das Risiko eines radioaktiven Störfalls heranziehen. Es reicht ein kalter Blick auf die Kosten. Bei der Erzeugung sind Windräder und Solaranlagen deutlich günstiger als Kernkraftwerke. Sie bleiben es auch dann, wenn man sie mit Speichern kombiniert.

Auch Energiekonzerne winken ab. Ein Comeback der Atomenergie sei „sehr unrealistisch“, sagte kürzlich RWE-Chef Markus Krebber. Als Grund nennt er die lange Vorbereitungszeit und die hohen Kosten.

Abschreckende Beispiele gibt es genug: Der Neubau des Atomkraftwerks Hinkley Point C in England verteuert sich auf fast 50 Milliarden Euro, der Abriss des britischen Kernkraftwerks Sellafield wird 163 Milliarden Euro verschlingen. Solche Preissteigerungen sind von den Erneuerbaren nicht zu erwarten. Im Gegensatz zu den technisch anspruchsvoll zu bauenden Atomkraftwerken sind Windräder und PV-Anlagen Fließbandware. Die Energiewende ist trotzdem nicht günstig. Doch mit Atomkraft würde sie noch teurer.

Dennoch taugt Deutschlands Weg nicht unbedingt als Vorbild: Wer funktionierende Atomkraftwerke hat, sollte sie vorerst weiterbetreiben. Dass Deutschland dies nicht getan hat, war ein Fehler. Aber nun wieder einzusteigen, wäre ein noch größerer.

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Erstellt:
14. November 2024, 15:54 Uhr

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