FDP rechnet mit grün-schwarzer Landesregierung ab
dpa/lsw Fellbach. Auf dem Landesparteitag in Fellbach teilt der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke kräftig aus. Die Regierung habe alle Überzeugungen über Bord geworfen. Einem Minister wirft er gar vor, alles zu unterschreiben, nur um den Dienstwagen zu behalten.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat der grün-schwarzen Landesregierung vorgeworfen, sämtliche Überzeugungen über Bord geworfen zu haben. „Wir haben eine wirklich nicht funktionierende Landesregierung, die sich nur noch an die Macht klammert, die alle Überzeugungen über Bord geworfen hat und zu recht merkwürdigen politischen Entscheidungen kommt“, sagte Rülke am Mittwoch auf dem Landesparteitag in Fellbach bei Stuttgart.
Etwa beim Bleiberecht für Geflüchtete habe die CDU einen Spurwechsel hingelegt. Die Südwest-CDU habe ein Bleiberecht für gut integrierte Flüchtlinge in den Koalitionsvertrag geschrieben und sich laut Rülke damit verleugnet.
Die FDP regiert als Teil der neuen Bundesregierung gemeinsam mit der SPD und den Grünen. Rülke hofft nach eigener Aussage, dass die neue Regierungsbeteiligung auch positive Effekte für den Südwesten hat.
Rülke hätte die Liberalen nach den Landtagswahlen im vergangenen Jahr gerne in eine Ampelkoalition mit Grünen und SPD geführt, landete aber erneut nur in der Opposition. „Das, was dieser autoritär konservative Ministerpräsident erwartet hat, war im Grunde Selbstverleugnung. Für uns und mich gibt es politische Schmerzgrenzen, die die Union offensichtlich nicht kennt“, sagte der 60-Jährige über die Sondierungsgespräche mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
Trotz der neuen Konstellation sparte der Fraktionschef auch nicht mit Seitenhieben auf die Grünen und verglich die Regierung sogar mit einem Zoo. „Diese Landesregierung besteht offensichtlich aus Ameisen und Haflingern. Das ist ganz nett, was die Artenvielfalt anbelangt“, sagte Rülke. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte sich vor kurzem als Ameise und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) als Haflinger bezeichnet. „Aber ob dieser Zoo das Land Baden-Württemberg jetzt wirklich effektiv regieren kann, da kann man seine Zweifel haben.“ Besonders in der Corona-Politik mache der Ministerpräsident viele Fehler und reine Symbolpolitik. Rülke stellte unter anderem den Sinn von Ausgangssperren in Frage und kritisierte, dass die 3G-Regel im öffentlichen Nahverkehr nicht kontrolliert werde.
Die Union habe sich selbst aufgegeben, sagte Rülke. Innenminister Thomas Strobl habe sich selbst verleugnet, um seinen Posten zu bewahren. Der CDU-Landeschef hatte in seinem Wahlkreis Heilbronn gegen die Grüne Susanne Bay verloren und mit der Union ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. „Wenn man nicht Minister bleibt, fliegt man ganz raus. Da unterschreibt man alles, um die Dienstlimousine zu bewahren“, sagte Rülke.
Der neue Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer, warf der CDU-geführten Vorgängerregierung schwere Versäumnisse in der Corona-Politik vor. Einige Politiker hätten gerade im Herbst während der Koalitionsverhandlungen unmittelbar nach der Bundestagswahl die Verantwortung nicht übernommen. „Niemand hat die Ministerpräsidenten und die alte Bundesregierung gehindert, bereits im Oktober Maßnahmen zu ergreifen, die es geschafft hätten, die vierte Welle früher zu brechen“, sagte Theurer. Beispielsweise die Abschaffung der kostenlosen Bürgertests sei ein Fehler gewesen.
Im Bereich von Verkehr und Infrastruktur gebe es schwere Erblasten, die die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP nun abzutragen habe. „Deutschland ist in keinem guten Zustand, der Lack ist ab.“ Theurer nannte marode Brücken und Funklöcher. Die Erblasten und die Instandsetzungsrückstaus seien immens. Es müsse erst schlimmer werden, damit es besser werden könne, sagte Theurer mit Blick auf Baustellen.
Inhaltlich wetterte Rülke gegen die Haushaltspolitik von Grün-Schwarz. Er kritisierte die hohen Kosten für Staatsbeamte und warf der Regierung eine „Taschenspielerlogik“ vor. „Die Corona-Krise wurde genutzt, um sich sozusagen auf Vorrat Verschuldungsrechte vom Landtag von Baden-Württemberg genehmigen zu lassen, von denen man ganz genau wusste, man braucht sie nicht. Um sie dann im nächsten Haushalt nicht in Anspruch zu nehmen und als Schuldentilgung zu verkaufen.“
Rülke kritisierte auch die geplante Nahverkehrsabgabe, die den Kommunen beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs helfen soll. Die Landesregierung hat sich vorgenommen, dass im Jahr 2030 alle Orte im Südwesten von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind. „Das ist eine kolossale Geldverschwendung in vielen Bereichen“, sagte Rülke.
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