Falsche Behauptungen gegen Abgeordneten
Rufmordskandal überschattet schwächelnden Wahlkampf der Grünen
Mit offenbar falschen Behauptungen beschädigte eine Grünen-Politikerin einen Bundestagsabgeordneten ihrer Partei. Der Fall überschattet den ohnehin schwächelnden Wahlkampf der Grünen, meint Hauptstadtkorrespondent Tobias Heimbach.
Von Tobias Heimbach
Noch sind nicht alle Fakten bekannt, doch so wie der Fall sich aktuell darstellt, ergibt sich ein erschütterndes Bild. Der Wahlkampf der Grünen wird überschattet von einem Rufmord-Skandal. Worum geht es? Mehrere Frauen hatten dem direkt gewählten Grünen-Abgeordneten Stefan Gelbhaar aus Berlin vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. In der Folge zog er seine Kandidatur für die Landesliste der Grünen zurück, später verlor er auch die Kandidatur für das Direktmandat. Er bestritt die Anschuldigungen, pochte auf die Unschuldsvermutung. Nun stellt sich heraus: Schwerwiegende Vorwürfe gegen Gelbhaar waren offenbar frei erfunden. Eine Frau, die ihn belastete, gab es überhaupt nicht.
Dennoch steht Gelbhaar vor den Scherben einer politischen Karriere. Der profilierte Verkehrspolitiker wird im kommenden Bundestag nicht vertreten sein. Hinter der Rufmordkampagne steckt nach ersten Recherchen offenbar eine andere Grünen-Politikerin. Sie ist inzwischen von ihren Ämtern zurückgetreten.
Der Fall schadet der Partei im Wahlkampf. Statt über die eigenen Inhalte bei Klimaschutz und ihrem Plan für eine Transformation der Wirtschaft zu sprechen, muss sich die Bundesspitze zu den Ungeheuerlichkeiten im Berliner Landesverband positionieren.
Dabei läuft die Kampagne ohnehin nicht gut. Zuvor stolperten die Grünen unvorbereitet in eine Debatte über Sozialabgaben, die Kanzlerkandidat Robert Habeck ohne Not losgetreten hatte. Hängen blieb dabei vor allem, dass die Grünen jenen Bürgern ins Portemonnaie greifen wollen, die privat fürs Alter vorsorgen. Den Grünen droht abermals ein verkorkster Wahlkampf – erinnert sei an den „Veggie-Day“ und die Plagiatsvorwürfe um das Buch der vorherigen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Es scheint inzwischen eine grüne Tradition zu sein.