Moskaus Interventionspolitik in Syrien

Russlands Stärke ist ein Trugbild

Der Fall des nun gestürzten Assad-Regimes zeigt dem Kreml die Grenzen imperialer Machtausdehnung. Moskau redet den Imageverlust klein.

Der Luftwaffenstützpunkt Hmeimim (hier im Jahr 2022 bei einer  Gedenkveranstaltung für in Syrien gefallene Russen) liegt in der nun von Islamisten kontrollierten Provinz Latakia.

© imago/Vadim Savitsky

Der Luftwaffenstützpunkt Hmeimim (hier im Jahr 2022 bei einer Gedenkveranstaltung für in Syrien gefallene Russen) liegt in der nun von Islamisten kontrollierten Provinz Latakia.

Von Inna Hartwich

In Russlands sozialen Medien wird fröhlich gespottet: Ob denn irgendwo in Rostow ein Seniorenheim für Diktatoren entstehe, heißt es da. Rostow liegt an der Grenze zur Ukraine, dorthin hatte sich 2014 auch der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch geflüchtet. Moskau hatte ihm Asyl gewährt – wie jetzt auch dem gestürzten syrischen Diktator Baschar al-Assad und seiner Familie. Aus „humanitären Überlegungen“, wie es schlicht hieß. Es ist vor allem das Abenteuer der „Spezialoperation“ in der Ukraine, das Moskau nun auch seine Reputation als angeblich verlässlicher Partner im Nahen Osten kostet.

Wo sich Assad derzeit genau aufhält, ist nicht bekannt. Russlands Präsident Wladimir Putin ist auffallend still, das russische Außenministerium hatte zuvor erklärt, der syrische Präsident habe seinen Posten aufgegeben und Syrien verlassen, „mit der Anweisung, die Machtübergabe friedlich zu gestalten“. Die noch vor wenigen Tagen als „Terroristen“ bezeichneten syrischen Aufständischen waren da schnell zur „Opposition“ geworden, mit der Moskau nun rede. Russlands Militärbasen seien zwar in höchster Alarmbereitschaft, eine ernste Gefahr aber bestehe für sie nicht, hieß es.

Provinz mit russischen Stützpunkte in Rebellenhand

Mittlerweile kontrollieren die Islamisten um Abu Mohammed al-Dschulani alias Ahmed al-Scharaa – Anführer der Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) – auch die Provinz Latakia, wo sich die beiden wichtigsten russischen Stützpunkte befinden. In Tartus am Mittelmeer ist die einzige Marinebasis Russlands außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Vom Luftwaffenstützpunkt Hmeimim, nur 70 Kilometer nördlich von Tartus, fliegt Russland seine Einsätze nach Libyen, in den Sudan und in die zentralafrikanische Republik. Deshalb reagiert Russland relativ schmallippig, es will es sich mit den neuen Machthabern, wer immer das in Syrien sein wird, nicht verscherzen und so seine Militärbasen zu halten versuchen.

Für Moskau ist der Fall Assads eine Niederlage – vor allem, weil sich darin die Grenzen seiner Interventionspolitik im Ausland zeigen. Russland hat nicht genügend Streitkräfte, Ressourcen und Einfluss für wirksame militärische Einsätze außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Es kann lediglich agieren, solange andere – mächtigere Akteure – das zulassen. In Syrien ging es Putin stets um weltpolitische Ambitionen. Der Kreml hatte viel Geld in den Wüstenkrieg gepumpt, um Assad zu halten, hatte damit letztlich in ein morsches und ineffektives System investiert, um am Ende zwischen zwei Stühlen zu sitzen: Kämpfen konnte man nicht mehr, weil die Ressourcen in der Ukraine gebraucht werden, gehen aber konnte man auch nicht, weil es keine Exit-Strategie für Syrien gab. Seit 2022, als Russland die Ukraine überfiel, zeigt sich noch offensichtlicher, dass Moskau auf der Weltbühne mit der Illusion von Macht und militärischen Fähigkeiten auftrumpfen kann. Doch glaubt es oft zu sehr an den eigenen Bluff.

In Syrien hat sich die Wagner-Truppe aufgewärmt

In Syrien sammelte Russland Kampferfahrung für die Ukraine, in Syrien hatten die gescheiterten russischen Kommandeure die Chance, ihr Versagen während der „Spezialoperation“ wieder gutzumachen. In Syrien hatte Russland im großen Stil auch den Einsatz seiner Wagner-Truppe getestet, die später in die Ukraine verlagert und nach dem gescheiterten Prigoschin-Aufstand vom Sommer 2023 zerschlagen wurde. Ihre Überreste agieren nun in Afrika, Syrien blieb eine vergessene Front. Die russische Schlappe zeigt sich hier gleich mehrfach: außenpolitisch, aber auch darin, dass die „Stabilität“ autoritärer Regime ein Trugbild ist.

Den Imageverlust Russlands redet die propagandagetränkte russische Öffentlichkeit klein. Die Nachrichtensendung des russischen Staatssenders „Perwyj Kanal“ meldet den Fall Assads als vorletzte Meldung und verweist vor allem auf „Chaos und Gewalt“, die sich derzeit in Syrien abspielten. Auf die Rolle Russlands im Nahen Osten geht der Beitrag kaum ein. Russlands Oberpropagandist Dmitri Kisseljow bezeichnete in seinen „Nachrichten der Woche“ den Fall Assads als „Rätsel“. Syrien sei für Russland zwar nicht gleichgültig, die Ukraine aber wichtiger. Beobachter glauben, dass Russlands Schmach in Syrien einen Kompromiss in der Ukraine nun noch schwerer macht.

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Erstellt:
9. Dezember 2024, 15:24 Uhr

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