Schienenersatzverkehr mindestens bis Ende Juli

Die Deutsche Bahn präsentiert das Fahrplankonzept für die vorerst letzte Sperrphase ab 9. Juni.

Der Schienenersatzverkehr wird verlängert. Foto: Alexandra Palmizi

© ALEXANDRA PALMIZI

Der Schienenersatzverkehr wird verlängert. Foto: Alexandra Palmizi

Von Kai Wieland

Rems-Murr. Fehlgeleitete Züge, Busfahrer ohne Ortskenntnisse und vollgestopfte Fahrzeuge – die Liste der Ärgernisse rund um die Vollsperrungen zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt ist lang. Immerhin: Grundsätzlich funktioniert das Fahrplankonzept, der totale Verkehrsinfarkt ist bislang ausgeblieben. Trotzdem sehnen wohl nicht nur die Reisenden auf der Rems- und Murrbahn das Ende der Sperrungen herbei, sondern auch die Auto- und Fahrradfahrer, welche die über 90 Busse des Schienenersatzverkehrs im Straßenverkehr zu spüren bekommen. Die derzeitige dritte Phase der Sperrungen endet allerdings erst am 9. Juni und mittlerweile ist auch klar, wie es im Anschluss weitergehen wird: Der Schienenersatzverkehr wird bis Ende Juli fortgesetzt.

Mit Rüdiger Weiß (DB Netz Südwest) und Dirk Rothenstein (S-Bahn Stuttgart) standen gestern Nachmittag zwei Vertreter der Deutschen Bahn im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags Rede und Antwort. Sie entschuldigten sich im Namen des Unternehmens einmal mehr für die Umstände, verwiesen aber auch auf die fehlenden Erfahrungswerte bei den Arbeiten für den digitalen Knoten: „Den digitalen Knoten gibt es so auf der ganzen Welt nicht, auch nicht in der Schweiz“, argumentierte Rüdiger Weiß. „Dafür gibt es keine Blaupause.“ Auch das Unternehmen selbst sei von den Schwierigkeiten überrascht worden. „Da muss ich mich ehrlich bei Ihnen entschuldigen.“

Vertrauen wieder gewinnen

Landrat Richard Sigel nahm die Entschuldigung an, betonte allerdings, dass es von nun an darum gehe, das Vertrauen der Fahrgäste in den öffentlichen Personennahverkehr wiederzugewinnen.

Mit den ersten Tagen des Schienenersatzverkehrs zeigten sich die Bahnvertreter zufrieden. „Das Personal wurde in kürzester Zeit aus ganz Deutschland rekrutiert“, stellte Dirk Rothenstein fest. „Abgesehen von kleineren Vorfällen ist es sehr gut gestartet und wurde auch gut angenommen.“ Lediglich die 200 zusätzlichen Leihräder seien bislang nicht der gewünschte Faktor gewesen, hier hoffe man auf mehr Zuspruch, wenn das Wetter entsprechend mitspiele. Aus den Reihen des Kreistags gab es ungeachtet dessen viel Kritik für die Sperrungen, die Kommunikation und auch die Ersatzkonzepte. Gudrun Senta Wilhelm aus Kirchberg an der Murr bemängelte etwa, dass sich die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Vorgänge zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt richte, wodurch die kleine Murrbahn und der ebenfalls holprige Schienenersatzverkehr zwischen Marbach am Neckar und Backnang aus dem Blick gerate.

Vierte Phase: 9. Juni bis 29. Juli

Eine Überraschung ist das finale Mosaikteilchen im Fahrplankonzept der Deutschen Bahn nicht, es setzt wie erwartet die Maßnahmen der dritten Phase im Großen und Ganzen fort. Ab 5 Uhr am 9. Juni gilt daher:

Die S-Bahnen S2 und S3 verkehren weiterhin nur im Halbstundentakt und enden beziehungsweise starten in Waiblingen. Aus der Gegenrichtung enden beziehungsweise beginnen die Züge aus Filderstadt, Vaihingen und vom Flughafen in Bad Cannstatt. Die zwischen Herrenberg und Kirchheim im Halbstundentakt verkehrende S1 kann Bad Cannstatt hingegen passieren. Auch für die Linie S4 bringt das neue Konzept keine Änderungen: Sie entfällt weiterhin zwischen Backnang und Marbach am Neckar, um Platz für die umgeleiteten Regionalzüge zu machen. Es bleibt beim Schienenersatzverkehr im Halbstundentakt.

Der zentrale Baustein des Fahrplankonzepts sind und bleiben die Busse, welche den Waiblinger Bahnhof im Fünfminutentakt in Richtung Bad Cannstatt und Hauptbahnhof verlassen, entweder per Expresslinie oder mit Zwischenhalten in Fellbach und an der Nürnberger Straße. Die Station Sommerrain wird von der Nürnberger Straße aus mit einem Kleinbus im Zehnminutentakt bedient. Für Reisende nach Esslingen wird die Buslinie X20 ab Waiblingen weiterhin verstärkt. Neu eingerichtet wird eine Buslinie von Bad Cannstatt nach Mettingen, deren Busse ebenfalls alle zehn Minuten abfahren sollen.

Deutlich mehr Fahrgäste

Im Regionalverkehr fahren MEX19 (Gaildorf–Stuttgart über Backnang) und MEX13 (Crailsheim/Aalen–Stuttgart über Schorndorf) nur bis Waiblingen. Die Züge RE90/MEX90 (Nürnberg/Crailsheim/Schwäbisch Hall–Stuttgart über Backnang) weichen wie bereits in der dritten Bauphase auf die kleine Murrbahn aus und verkehren über Ludwigsburg mit Halt in Marbach am Neckar zum Hauptbahnhof. Auch auf den Fernverkehr wirken sich die Sperrungen weiterhin aus.

Bei den U-Bahnen wird auf der Linie U1 zwischen Fellbach und Stuttgart mit einem deutlich erhöhten Fahrgastaufkommen gerechnet. Die SSB sei bestrebt, während dieses Zeitraums ihr gesamtes Stadtbahnnetz verlässlich und stabil zu gestalten, heißt es in der Pressemitteilung der Deutschen Bahn. Dies müsse allerdings mit den vorhandenen Ressourcen erreicht werden. Die Kapazitäten werden durch die Zusatzlinie U21 zeitweise verdoppelt.

Am 27. Mai, wenn der VfB Stuttgart sein letztes Bundesligaspiel in dieser Saison gegen die TSG Hoffenheim bestreitet, wird erneut ein Stadionshuttle eingesetzt. Es fährt nach Bedarf ohne festen Zeitplan ab 13 Uhr am Bahnhof Waiblingen ab und nach Spielschluss wieder zurück.

Gruber fordert mehr Plätze in der Bahn

In einem Brief an den Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg Winfried Hermann betont der SPD-Landtagsabgeordnete Gernot Gruber die angespannte Situation auf der Rems- und auf der Murrbahn. Die bevorstehende Komplettsperrung zwischen Schwäbisch Hall und Murrhardt ab Mitte Juni könnte die Lage zusätzlich verschärfen.

Bei Regionalzügen, die über Marbach nach Backnang umgeleitet werden, plädiert Gruber daher für die Fahrt in Doppeltraktion anstatt wie bislang in Einfachtraktion. Zudem bittet er spätestens nach den Pfingstferien bis Ende Juli um Züge mit verdoppeltem Platzangebot.

Zum Artikel

Erstellt:
23. Mai 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen