Bundestag

Schlagabtausch im Untersuchungsausschuss

Im Bundestag soll ein Untersuchungsausschuss klären, ob beim Abschalten der letzten Atomkraftwerke alles mit rechten Dingen zuging. Am Donnerstag wurde der entscheidende Zeuge befragt: Wirtschaftsminister Habeck.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (l.) wurde über Stunden von den Abgeordneten befragt.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Wirtschaftsminister Robert Habeck (l.) wurde über Stunden von den Abgeordneten befragt.

Von Tobias Heimbach

Es dauert rund eineinhalb Stunden, bis Robert Habeck plötzlich selbst angreift. In der Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke ist er eigentlich derjenige, der befragt wird. Doch dann geriert sich der Grünen-Politiker selbst als oberster Aufklärer: Man müsste die Versäumnisse der Energiepolitik ja viel umfangreicher aufklären – und schon die Vorgängerregierung in den Blick nehmen, die Deutschland in die Abhängigkeit vom russischen Gas geführt habe. Das, findet Habeck, müsste nun wirklich mal untersucht werden. „Da kann ich Sie wirklich nur ermutigen dranzubleiben!“, sagt er dem Ausschussvorsitzenden und CDU-Politiker Stefan Heck. Es ist ein angriffslustiger Habeck, den man am Donnerstag in der mehrstündigen Befragung beobachten kann.

Habeck ist in der letzten Sitzung der entscheidende Zeuge. Die Opposition will die Energiekrise aufarbeiten, die nach Russlands Invasion auf die ganze Ukraine im Februar 2022 ausbrach. Damals diskutierte die Regierung, ob man die verbliebenen drei Atomkraftwerke länger am Netz halten sollte. Deren Abschaltung war schon 2011 unter Führung der schwarz-gelben Koalition beschlossen worden.

Prüfung von Wirtschafts- und Umweltministerium

Monatelang stritt die damalige Ampelregierung über die Frage, was mit den Atomkraftwerken passieren sollte. Im März 2022 hatte eine gemeinsame Prüfung von Wirtschafts- und Umweltministerium ergeben, dass eine Verlängerung der Laufzeiten der noch verbliebenen Anlagen nur einen „sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten könnte, und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken“.

Die FDP plädierte dennoch für einen Weiterbetrieb, die Grünen wollten später zwei Atomkraftwerke als „Einsatzreserve“ vorhalten. Schlussendlich löste Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Frage mit einem Verweis auf seine Richtlinienkompetenz als Kanzler. Die verbliebenen Atomkraftwerke liefen dreieinhalb Monate länger als vorgesehen.

Einige belastende Dokumente

Der Untersuchungsausschuss geht nun im Kern der Frage nach: Hat die Regierung einen möglichen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wirklich „ergebnisoffen“ geprüft, so wie sie es damals versprochen hatte? Der Ausschussvorsitzende Heck von der CDU sieht ein „groß angelegtes Täuschungsmanöver“ am Werk. Von einer „ergebnisoffenen Prüfung“ könne keine Rede sein.

Tatsächlich gibt es einige belastende Dokumente. Eine interne Mail des später entlassenen Wirtschaftsstaatssekretärs Patrick Graichen begann mit den Worten „An die Freunde des geordneten Atomausstiegs…“ Kritisiert wurde zudem, dass die Prüfung innerhalb weniger Wochen abgeschlossen wurde. Eine seriöse Prüfung hätte weitaus länger dauern müssen, sagt die Union. Sie vermutet auch, dass entscheidende Punkte nicht schriftlich, sondern nur mündlich abgesprochen wurden. Doch einen Beweis, dass es ein politisch gesteuertes Verfahren gab, konnte die Opposition nicht vorlegen.

Verweis auf das große Ganze

Habeck macht keinen Hehl daraus, dass er die detaillierten Vorwürfe für unerheblich hält. Stattdessen verweist er auf das große Ganze. Verantwortlich für die Energiekrise seien die vorherigen Regierungen gewesen, die Deutschland bei der Energieversorgung von Russland abhängig gemacht hätten. Als zuständiger Minister habe er dann alles für die Bewältigung der Krise getan, inklusive einer eingehenden Prüfung der Option Atomkraft. Habeck betonte: „Es gab keine Denkverbote.“ Das zentrale Argument des Ministers: Für die damals entscheidende Herausforderung einer Gasmangellage hätten die Atomkraftwerke nur im „Promillebereich“ geholfen. Das hätten spätere Studien belegt.

In Ausschuss konnte man auch den laufenden Wahlkampf beobachten: „Nebelkerzenweitwurf“, warf ein Grünen-Politiker einem Unionsabgeordneten vor. Der Erkenntnisgewinn blieb insgesamt gering. Noch vor dem Wahltermin wollen die Parteien ihre Berichte zum U-Ausschuss vorlegen. Derweil werden die Atomkraftwerke weiter zurückgebaut. Die Atomenergie in Deutschland ist Geschichte. Wohl für immer.

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Erstellt:
16. Januar 2025, 17:45 Uhr

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