Schneller als der Rettungswagen
BKZ-Leser helfen: Ehrenamtliche leisten bei Notfällen in ihrer Nachbarschaft Erste Hilfe – Mit Spenden der BKZ-Leser werden sie mit Defibrillatoren ausgerüstet
Sieben Minuten dauert es im Schnitt, bis bei einem Notfall im Rems-Murr-Kreis der Rettungsdienst vor Ort ist. Bei einem Herzstillstand kann es dann schon zu spät sein. Deshalb gibt es die „Helfer vor Ort“, ausgebildete Kräfte, die bei einem Einsatz in ihrer Nachbarschaft alarmiert werden. Damit sie künftig noch besser helfen können, will der Kardioverein Rems-Murr alle 200 Ehrenamtlichen im Kreis mit Defibrillatoren ausstatten. Die Spendenaktion „BKZLeser helfen“ unterstützt die Aktion.
Von Kornelius Fritz
BACKNANG. Michael Budig war gerade auf dem Weg zu einem Außendiensttermin, als der Alarm auf seinem Funkempfänger einging. In einer Firma ganz in der Nähe war ein Mitarbeiter zusammengebrochen. Budig machte sich sofort auf den Weg dorthin und begann zusammen mit einem Kollegen des Mannes die Reanimation. So lange, bis einige Minuten später die Rettungskräfte eintrafen und übernahmen. Dank der schnellen Hilfe hat der Mann überlebt. „Ihm geht es heute wieder gut und er hat keine bleibenden Schäden“, weiß Budig.
Der Bereitschaftsleiter beim DRK-Ortsverein Sulzbach an der Murr ist einer von 200 Helfern vor Ort im Rems-Murr-Kreis. Alle haben eine Sanitätsausbildung und ein Kurzpraktikum beim Rettungsdienst absolviert, sodass sie genau wissen, was bei einem Notfall zu tun ist. Immer wenn in der Leitstelle ein lebensbedrohlicher Zustand gemeldet wird, werden die Ehrenamtlichen automatisch mit alarmiert.
Rund 800-mal waren sie im vergangenen Jahr kreisweit im Einsatz, im Raum Backnang gebe es etwa alle zwei bis drei Tage einen Notfall, berichtet der Backnanger Bereitschaftsleiter Jeffrey Grupp: „Es kann aber auch mal eine Woche nichts sein und dann wieder zwei Einsätze an einem Tag.“ Alarmiert werden immer alle Helfer im jeweiligen Ort. Wer gerade in der Nähe ist, macht sich auf den Weg. Ihren Arbeitsplatz dürfen die Ehrenamtlichen allerdings nur mit Zustimmung des Arbeitgebers verlassen.
Gerade im ländlichen Raum, wo die Wege für den Rettungswagen oft weiter sind als in der Stadt, seien die Helfer vor Ort eine wichtige Ergänzung in der Rettungskette, sagt Michael Sailer, zweiter Vorsitzender des Kardiovereins Rems-Murr. „Bei einem Herzstillstand sinkt die Überlebenschance mit jeder Minute, in der nichts passiert, um zehn Prozent“, erklärt der Kardiologe. Selbst wenn die Helfer vor Ort nur drei oder vier Minuten vor dem Rettungsdienst eintreffen, kann das also entscheidend sein. Noch besser ist natürlich, wenn Angehörige, Kollegen oder Passanten sofort mit der Herzdruckmassage beginnen. In vielen Fällen kann auch der schnelle Einsatz eines Defibrillators die Überlebenschance erhöhen, nämlich immer dann, wenn ein lebensbedrohliches Kammerflimmern vorliegt. „Je früher diese Rhythmusstörungen unterbrochen werden, desto besser“, erklärt Michael Sailer. Als Notarzt hat er schon Fälle erlebt, in denen der Patient, als er ankam, dank schneller Defibrillation schon wieder ansprechbar war. An vielen stark frequentierten Orten gibt es deshalb bereits Defibrillatoren, die auch von Laien bedient werden können, etwa in Rathäusern, Banken und Sporthallen. Die meisten Herzinfarkte ereignen sich allerdings in den eigenen vier Wänden. Beim Kardioverein Rems-Murr kam man deshalb auf die Idee, die Helfer vor Ort mit solchen Geräten auszustatten.
Aufklärungsarbeit bringt messbaren Erfolg
Mithilfe von Sponsoren konnte der vor drei Jahren gegründete Verein inzwischen schon viele Ehrenamtliche mit einem der rund 1000 Euro teuren Geräte ausrüsten. „Etwa 80 Defis fehlen uns noch“, sagt Sailer. Die BKZ-Leser können mit ihrer Spende dazu beitragen, dass die letzten Lücken im Raum Backnang bald geschlossen werden. Etwa in Spiegelberg, wo bislang noch keiner der zehn Helfer vor Ort einen eigenen Defibrillator hat. „Es wäre schön, wenn wir zumindest in jedem Teilort ein Gerät hätten“, sagt Ausbilderin Susanne Weiss vom DRK-Ortsverein Spiegelberg.
Dass sich das Engagement und auch die rege Öffentlichkeitsarbeit des Kardiovereins lohnen, kann Michael Sailer mit Zahlen belegen. Von 100 Patienten, die im Rems-Murr-Kreis nach einem Herzstillstand ins Krankenhaus eingeliefert werden, wurde immerhin bei sieben eine Defibrillation von Laien durchgeführt, vor ein paar Jahren lag diese Quote gerade mal bei 0,5 Prozent. Der Anteil der Patienten, bei denen eine Herzdruckmassage durchgeführt wurde, ist von 30 auf 55 Prozent gestiegen.
„Darauf sind wir stolz“, sagt Sailer. Trotzdem gebe es noch Luft nach oben: In Skandinavien, wo Erste Hilfe in jeder Schule auf dem Stundenplan steht, liege die Quote bei rund 70 Prozent. Getreu seinem Leitspruch „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“ will der Kardioverein Rems-Murr deshalb auch weiterhin für jedes einzelne Leben kämpfen. Und die BKZ-Leser können ihn dabei mit ihrer Spende unterstützen.